Kapitel 6

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Hajime Iwaizumi
Mitzunex3

Vor dem Schloss hatte sich eine lange Schlange gebildet, bestehend aus Adligen des Königreichs Shiratorizawa und Seijohs, die auf Einlass warteten. Ich stand weiter vorne in der Reihe und hörte jemanden undeutlich reden. Je näher ich kam, desto unruhiger wurde ich. Las er etwa eine Gästeliste vor? Verdammt, natürlich stand mein Name nicht darauf, ich würde auffliegen. Ich musste nachdenken. Vielleicht konnte ich mich heimlich einschleichen? Es war einen Versuch wert.

Leise schlich ich um das Schloss herum und fand nach einer Weile ein geöffnetes Fenster. Perfekt. Vorsichtig kletterte ich hinein und befand mich... in der Küche, wo natürlich viel Trubel herrschte. "Großartig...", seufzte ich leise. Doch ich schlich so geschickt durch die Küche, dass keiner der Bediensteten mich entdecken konnte.

Endlich im Festsaal angekommen, konnte ich die fröhlichen und zufriedenen Menschen sehen, die ausgelassen feierten. Leise und unbemerkt mischte ich mich unter sie. Ich blieb im Hintergrund und beobachtete, wie König Ushijima seine Hand zu seinem Mann ausstreckte, der jedoch nachdenklich in eine andere Richtung blickte. Bis ein rothaariger Mann ihn darauf aufmerksam machte und er daraufhin seine Hand in dessen legte. Gemeinsam gingen sie zur Tanzfläche hinunter und begannen, im Takt der Musik durch den Raum zu tanzen. Ich beobachtete dies eine Weile, bis Ushijima sich von dem anderen König löste und dieser daraufhin abwechselnd mit anderen Gästen tanzte.

Der mir unbekannte König hatte etwas an sich, das mich nicht in Ruhe ließ. Das bemerkte ich schon vor der Kirche, als unsere Blicke sich trafen. Seine rehbraunen Augen fesselten mich und hatten in mir etwas ausgelöst, was ich noch nie zuvor verspürte.
Ich zögerte einen Moment, bevor ich mich entschied, und bahnte mir einen Weg zu ihm. Der Mann mit braunem Haar machte Anstalten, die Fläche zu verlassen, aber meine Hand griff wie von selbst nach seinem Handgelenk und zog ihn an meine Brust. Meinen anderen Arm legte ich um seine Taille und sah ihm tief in die Augen. Sein Blick verriet mir, dass ich ihn mit meiner Aktion überrascht hatte.
"Darf ich um diesen Tanz bitten, Eure Hoheit?", fragte ich ihn verschmitzt.
"...ja", hauchte der König, während sich sein Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln hob. Ich übernahm die Führung, wie es angemessen war, während ich sein Lächeln erwiderte.

Wir bewegten uns vor und zurück, drehten uns. Wir waren im Rhythmus der Musik und ich sah ihm die ganze Zeit in die Augen, die mich immer mehr in ihren wunderschönen Bann zogen. Ich blendete meine Umgebung vollständig aus.
"Es ist eine wunderschöne Hochzeit, aber du siehst nicht zufrieden aus. V-Verzeiht mir, eure Hoheit!", rutschte mir das “du” versehentlich heraus. Wie ich es hasse, anständig zu sprechen. Es liegt mir einfach nicht!, fluchte ich gedanklich, aber meine Mimik blieb dennoch freundlich. Eng aneinander geschlungen kamen wir, inmitten der anderen tanzenden Gäste für einen kurzen Augenblick zum stehen. Ihm schien meine Unhöflichkeit nicht aufgefallen zu sein, denn sein Blick änderte sich für einen kurzen Moment zu einem traurigen, bevor er wieder seine lächelnde Maske aufsetzte und wir unseren Tanz fortführten.
“Ich… vermisse einfach meine Heimat. Meine… Familie. Die Abreise war sehr kurzfristig, ich hatte kaum Möglichkeiten, mich zu verabschieden”, irgendetwas lag in seinen Augen, was man nicht wirklich deuten konnte. Unzufriedenheit? Bedauern? Hatte er gelogen? Wenn ja, warum?

In mir zog sich etwas zusammen, als er traurig sprach, obwohl er es versuchte zu verstecken. Dieser traurige Unterton entging mir nicht.
”Das kann ich sehr gut verstehen...” sagte ich bedauernd und sah mitfühlend in das Rehbraun seiner Augen. Es musste schwer gewesen sein, alles zurückzulassen. Entrissen aus seinem vertrauten Umfeld. Aus seiner Heimat. Ein Schauer überkam mich, als mir der Gedanke kam, was wäre, wenn ich mich in dieser Situation befände. Meine Familie war das Wichtigste für mich. Wenn ich nicht mehr bei ihnen sein konnte, in ein mir fremdes Königreich ziehen müsste. Allein der Gedanke war für mich unvorstellbar.
Bevor ich realisierte, was ich tat, strich ich ihm sanft über die Wange, nachdem ich seine rechte Hand losgelassen hatte. Ich zuckte leicht zurück. Was tust du da, Hajime!, ermahnte ich mich. Vor all diesen Menschen und unter dem Blick König Ushijimas kam ich auf die Idee, seinen Mann über die Wange zu streichen? Ich konnte für meinen Kopf hoffen, dass das keiner bemerkt hatte.

Die Musik wurde ruhiger sowie unser Tanz.
“Für mein Volk würde ich alles tun”, brachte er mit solch einer Überzeugung rüber, dass ich es ihm sofort glaubte. Er war anders als König Ushijima. Das gab mir Hoffnung, dass wirklich alles besser werden würde.
“Darf ich fragen… woher ihr kommt?”, wechselte er das Thema. Ein Räuspern entkam mir und nervös sah ich leicht weg. Aber ich richtete meinen Blick selbstsicher wieder auf sein wunderschönes Gesicht.
“Aus dem Königreich Shiratorizawa. Etwas… abgelegener”, ruhig, dennoch zögerlich sagte ich es, jedoch sah es in meinem Inneren ganz anders aus. In meinem Magen rumorte es nur vor Nervosität, versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Wenn er wüsste, dass ich keiner von ihnen war, sondern nur ein einfacher Bauernjunge… was würde er dann sagen oder über mich denken?
“Was würdet ihr denn alles für das Volk tun?”, versuchte ich abzulenken, aber hatte wenig Erfolg.
“Abgelegen? Ihr… lebt als Adliger vor den Mauern?”, fraglich sah er mich an, doch ehe ich eine Ausrede parat hatte, kamen zwei wütend aussehende Personen auf uns zu. Der Ritter mit aschblonden Haaren und dunklen Spitzen, zeigte auf mich und rief: “Eindringling! Fasst ihn!”

Verdammt!

Ich ließ sanft meine Hände von ihm los und sah ihn dann mit einem Grinsen an.
"Wir müssen das Gespräch ein anderes Mal fortsetzen. Es hat mich gefreut." Als Abschied gab ich ihm einen kleinen Handkuss, bevor ich mich in der Hektik davon machte, um zu fliehen. Plötzlich blieb ich doch wieder stehen, als ich einen süßen Duft, eine Mischung aus Honig und Zimt in der Luft wahrnahm, und meinen Blick zu ihm zurück wandte. Keuchend stand er plötzlich mitten in der Menschenmenge und ging in die Knie. Er war in Hitze. So plötzlich? Mein Alpha zog innerlich an seinen Ketten und knurrte, aber ich hielt ihn zurück. Es war ungünstig und außerdem gehörte er König Ushijima, den ich im Augenwinkel erkannte, wie er sich einen Weg zu seinem Mann bahnte. Ich musste hier weg und zwar sofort!

Es herrschte absolutes Chaos, aber ich ignorierte es. Mit schnellem Tempo rannte ich durch die Menschenmenge und dann durch die Korridore des Schlosses, bevor ich aus einem geöffneten Fenster in den Garten sprang. Die beiden waren dicht hinter mir, aber ich kannte mich besser aus. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich heimlich um das Schloss geschlichen hatte, als Kind war ich schon immer sehr neugierig gewesen.
Bin gespannt, wie lange ihr durchhalten könnt, schnaubte ich über die Schulter blickend. Dadurch beschleunigten sich meine Schritte und ich rannte durch die engen Straßen, kletterte über niedrige Mauern oder sprang über Hindernisse wie Handkarren, die im Weg standen. Schließlich erreichte ich den Stall, um Masumi hektisch herauszuholen, die meine Unruhe bemerkt hatte und selbst nervös wurde.
“Wir müssen schleunigst weg.” Viel Zeit blieb nicht, daher sprang ich auf, gab ihr die Sporen und sie bäumte sich wiehernd auf und galoppierte mit vollem Tempo davon. Obwohl sie kräftig gebaut war, war sie dennoch schnell.
Mal sehen wie ihr-
Das durfte nicht wahr sein! Sie hatten Verstärkung geholt, die ebenfalls auf Pferden ritten. Ich knurrte vor Ärger und schlug schlangenförmige Wege mit Masumi ein, um sie auf irgendeine Weise abzuhängen.

Sie waren ziemlich dicht und ließen einfach nicht locker. Ich holte meinen Bogen hervor, den ich immer mit hatte und zielte auf einige Fässer. Ich schoss und traf so, dass sie ins Rollen gerieten und ihnen den Weg versperrten. Bis auf den aschblonden Kerl, der mich ziemlich wütend ansah, genauso wie der andere Blonde neben ihm. Sie sprangen über die Fässer hinweg. Glücklicherweise waren nur noch zwei von ihnen übrig. Ein freches Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, was sie offensichtlich provozierte.

Ich rief: “Masumi, schneller!' und sie legte nochmals an Geschwindigkeit zu. Sie durften sie mir nicht wegnehmen, wenn sie mich doch bekommen sollten. Ich ritt, bis ich von ihr auf ein flaches Dach sprang und sie verscheuchte.
“LAUF!”, schrie ich, weil sie anhalten wollte. Masumi galoppierte daraufhin schnell davon. Sie war sehr treu und zuverlässig, aber ich hatte gerade andere Probleme.
Habt ihr immer noch nicht aufgegeben?
Genervt rannte ich elegant, aber auch sehr flink über die Dächer oder sprang in die Gassen. Es lief gut, zu gut, als es auch schon passierte und mein Glück mich verließ. Ich war in eine Sackgasse gerannt.
Verflucht…
Mein Blick ging rechts und links. Die Mauerwerke waren zu glatt, um irgendwie hoch zu klettern.
So ein Mist! Was jetzt?
Keuchend drehte ich mich um, als ich Hufschläge von herannahenden Pferden hörte, die in meine Richtung kamen. Zwei wutentbrannte Augenpaare blickten mir entgegen. Ich saß in der Falle.







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