Kapitel 35

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Die Minuten kamen mir vor wie Jahre und als ich endlich hörte, wie jemand mit dem Zweitschlüssel die Tür öffnete, brach ich vor Erleichterung fast zusammen. Kay rief durch die Wohnung meinen Namen und als sie mich im dunklen auf dem Sofa entdeckte, umarmte sie mich. Sie hielt mich, während ich still weinte und wartete, bis ich mich beruhigt hatte. Sie hielt mir eine Tafel Schokolade unter die Nase, die sie mitgebracht haben musste und wartete, bis ich bereit war zu erzählen. Und dann erzählte ich ihr alles. Alles. Ich erzählte ihr endlich von meiner Vergangenheit und auch, wenn es mir unfassbar schwer fiel und ich die ganze Zeit Angst davor hatte, Flashbacks zu bekommen, fühlte ich, wie mir eine riesige Last von den Schultern fiel. Ich erzählte von meinem Vater. Meinem richtigen Vater, den ich und Mom über alles geliebt hatten. Und dann erzählte ich von ihm. Davon, wie meine Mutter ihn kennenlernte und mir vorstellte. Wie ich deutlich merkte, dass es ihr durch ihn besser ging. Sie lachte wieder und wir machten abends sogar wieder Serienabende. Richtige Mädels Abende. Und dann machte er ihr einen Antrag. Wenige Tage nach meinem 16. Geburtstag. Auch wenn Mom und ich der Meinung waren, dass es ein wenig früh war sagte sie ja. Wir planten gemeinsam die Hochzeit, ich half ihr bei allem und wir waren richtig glücklich. Ich erzählte Kay wie ich glücklich danebenstand, während sie sich das Ja-Wort gaben. Wie wir wie eine richtige Familie nach Hause fuhren. Und wie danach alles komisch wurde. Wie er mir Komplimente machte. Andere Komplimente, als mein richtiger Vater mir gemacht hatte. Erst hatten wir uns nichts dabei gedacht. Bis er anfing mich anzufassen. Ich erzählte ihr davon, wie er zu mir ins Bad kam, während ich mich duschte. Er sagte, es wäre ein Versehen, aber er ging nicht wieder. Wie er anfing abends zu mir zu kommen, wenn ich schon schlief und mich wieder berührte. Und wie er ausrastete, als ich ihm sagte, er solle gehen. Wie er um sich Schlug. Auf Mom und mich. Ich erzählte von den nächsten zwei Jahren. Den Schlägen und den Berührungen. Ich erzählte davon, wie ich zu meiner Mom gesagt hatte, dass ich ihn machen lassen würde, weil es mir lieber war, als wenn er sie schlug. Doch sie ließ mich nicht. Ich erzählte davon, wie er Abends das Haus verließ und betrunken zurückkam. Wie er trotzdem nie weit genug ging. Bis zu jenem Abend. Ich hatte mir angewöhnt, die Türen abzuschließen, wenn ich alleine war. Immer. Ich schlief im BH, weil ich mich zumindest ein bisschen sicherer fühlte. Ich schminkte mich nicht und trug nur weite Klamotten, damit ich hässlicher wurde. Weniger attraktiv für seine Augen. Ich trank fast nie und verließ so oft wie möglich das Haus. Allerdings nur wenn ich wusste, dass es meiner Mom gut ging und sie nicht mit ihm alleine war. Ich behielt immer die Kontrolle. Bis zu dem Abend. Es war mein Achtzehnter Geburtstag. Er war nicht da und sollte auch nicht kommen. Ich erzählte von meinen Plänen, zusammen mit meiner Mutter abzuhauen. Ich war nicht mehr minderjährig. Er konnte nicht mehr über mich bestimmen. Ich ging zusammen mit ihr in einen Club. Wir tranken nichts. Nur Wasser und alkoholfreie Cocktails. In einen dieser Drinks musste mir jemand etwas reingetan haben. Ich hatte gut auf mein Getränk aufgepasst. Doch als ich es trank war irgendetwas anders. Meine Mom merkte es sofort und brachte mich raus aus dem Club. Ich erzählte von der Fahrt nach Hause, wie es mir immer schlechter ging, meine Sicht immer mehr verschwamm. Wie meine Mom sich zu Hause um mich kümmerte. So lange, bis man die Tür hörte und er hereinkam. Er war betrunken und rief nach mir. Ich antwortete nicht und meine Mom stellte sich schützend vor mich. Ich erzählte davon, wie er sie Schlug und sie zusammenbrach, wie er vor mir stand. Wie er langsam begann meine Kleidung auszuziehen. Wie ich die beiden Sätze sagte: Ich liebe dich. Ich gehöre dir. Sätze die ich jeden Tag sagte, damit er aufhörte. Nur, dass er nicht aufhörte. Dass er seine Finger in meine Beine krallte, bis ich blutete. Und auch wenn ich mich nicht mehr an alles erinnerte, erinnerte ich mich noch an die schreie meiner Mom, die mir halfen mich zu befreien. Aus seinem Griff um meinen Hals. Meine Mom hatte die Polizei gerufen, sobald wir draußen im Auto waren. Später hatten wir erfahren, dass er ins Gefängnis kam.

Kay hörte die ganze Zeit still zu, während ihr Blick immer schockierter wurde. Sie hielt mich fest und wischte mir die Tränen weg, während ich redete. „Du hast nie ihm gehört. Du hast nie irgendwem gehört. Und dass du es geschafft hast dich zu befreien zeigt, dass du stark bist. Dass niemand die Macht hat, dich zu zerstören."

Anmerkung:

Habe mich jetzt dazu entschieden dieses lange Wochenende nichts mehr hochzuladen, am Montag geht es weiter, aber sonst komme ich zu sehr in Rückstand. Danke an jeden der bis hier gelesen hat<3

because I love you...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt