Kapitel 02 - Alva

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„Es tut mir wirklich leid, Mike. Das wird nicht noch einmal vorkommen. Wenn du magst, kann ich auch gerne nach dem Nachsitzen vorbeikommen.", entschuldigte ich mich das gefühlt tausendste Mal bei meinem Chef und kaute an meinen Fingernägeln, während ich mit meiner anderen Hand mein Smartphone an mein Ohr hielt. Ein raues Lachen ertönte durch die Lautsprecher.
„Mach dir mal kein Kopf, Alva. Du bist die beste Mitarbeiterin die ich habe." (Ich war die Einzige.) „Ich schaffe das auch ohne dich. So viele Aufträge haben wir heute Nachmittag nicht."
„Ich weiß, aber ich arbeite gerne in deinem Laden, das weißt du."
„Du benimmst dich, als würdest du deinen Job verlieren. Wie gesagt, mache dir keine Sorgen. Auch nicht um das Geld. Ich bezahle dich dennoch für die ganze Woche.", sagte Mike und sofort hob ich erstaunt meine Augenbrauen. Als hätte er meinen Ausdruck sehen können, erreichte wieder ein Lachen meine Ohren. „Sieh es als Bonus für deine gute Arbeit und dein Engagement."
„Ich danke dir, Mike. Du bist wirklich der beste Chef überhaupt.", sprach ich erleichtert.
Wenigstens war eines meiner Sorgen damit verschwunden - meinen Eintrag in meiner Schulakte würde jedoch immer noch ein Problem sein, welches mir vorerst im Hinterkopf schmerzen bereiten würde.
„Das weiß ich.", sagte er amüsiert, woraufhin ich mich nochmals entschuldigte und sagte, dass ich nun los müsste. Ich wollte nämlich nicht auch noch zu spät zum Nachsitzen kommen.
Mit schnellen Schritten lief ich nach meiner letzten Unterrichtsstunde zum Nachsitzen, welches am anderen Ende des Schulgebäudes war. Ich hatte noch genau eine halbe Stunde, bis meine unnötige Bestrafung anfangen würde und nutzte die Zeit, um weitere Notizen durchzulesen, manches zu korrigieren oder verschiedene Informationen hinzuzufügen. Ich wollte immer alles gut vorbereitet haben. Das war mir wichtig.
Ich lief gerade an dem Büro des Direktors Mr. Stone vorbei, als ich laute Stimmen hinter der Tür hören konnte.
Mr. Stone war immer eher ein ruhiger Mensch gewesen, aber gerade eben hörte es sich an, als würde er eine Wut ausdrücken, von der ich keine Ahnung hatte, dass er sie in sich hatte.
„Es reicht mir langsam mit Ihnen! Sie bauen nur Scheiße und kümmern sich überhaupt nicht um Ihre Zukunft. Was soll denn noch aus Ihnen werden, Mr. King?", brüllte Mr. Stone und sofort gefror mir das Blut in meinen Adern. Mr. Stone und Silver waren in seinem Büro?
Nicht einmal, seitdem ich auf dieser Schule war, hatte ich jemanden so mit Silver reden hören. Anscheinend war Mr. Stone die einzige Person, die keine Angst hatte - oder er wollte sie schlichtweg nicht zeigen. Als Direktor einer Highschool voller Idioten durfte man keine Schwäche zeigen.
Die Bürotür von Mr. Stone schwang mit einer Wucht auf, dass sie gegen die Wand knallte und man wirklich dachte, die Tür würde aus ihren Angeln gerissen werden.
Ich zuckte zusammen, drückte mich mit dem Rücken gegen die Wand hinter mir, als ich sah, wie Silver durch die offene Tür stampfte, sichtlich stinksauer.
Seine Hände waren zu Fäusten geballt, so fest, dass seine Knöcheln weiß hervortraten. Sein Kiefer war angespannt und seine Wangenknochen stachen stark hervor. Ich hätte
schwören können, würde man diese anfassen, würde man sich schneiden, so definiert waren sie.
„Ihnen kann es scheißegal sein, was aus mir wird. Sie denken wirklich, ich würde was auf einen impotenten Schlappschwanz wie Sie geben? Sie gehen mir am Arsch vorbei, genauso wie diese beschissene Schule!", brüllte Silver zurück, seine Stimme tropfte nur so vor Wut und Gift, als er seine Worte aussprach.
Erschrocken riss ich meine Augen auf. Hatte er gerade wirklich so mit dem Direktor gesprochen?
Im nächsten Moment hörte man das Brechen von Glas und als ich realisierte, was gerade passiert war, rutschte mir mein Herz in die Hose.
Silver schüttelte sich die Faust, versuchte die Glasscherben von seinen Handknöcheln zu entfernen, während der Direktor geschockt auf das nun zerbrochene Glas der Bürotür sah.
Blut tropfte von Silvers Hand auf den Boden, aber er zeigte keine einzige Emotion, als würde es ihn nicht stören, dass seine ganze Hand voller Schnitte war, welche ziemlich tief aussahen.
„Scheiße, Silver! Was sollte das? Schauen Sie sich das mal an! Wissen Sie, wie viel das dieser Schule kosten wird?" Mr. Stone war außer sich.
Er raufte sich die Haare, als er bemerkte, dass nicht nur das Glas gebrochen war, sondern auch die Wand einen Schaden durch den Schlag von Silver genommen hat. Er hatte ein riesiges Loch in der Wand hinterlassen. Verdammt, was hatte Silver nur für eine Wut in sich, dass er solch eine Kraft haben konnte?
„Schicken Sie mir die Rechnung.", sprach Silver unbeeindruckt und riss einfach ein Stoffstück von seinem Shirt ab, um dieses um seine Faust zu wickeln, damit die Blutung gestoppt werden würde.
War es komisch, dass ich das Verlangen hatte, ihm mit seiner Verletzung zu helfen? Ich kannte mich etwas aus, wie man Wunden richtig reinigte und versorgte.
Alles dank meines Vaters, der sich gerne Mal betrunken eine Platzwunde oder Schnittverletzungen zuzog.
„Sie wissen, was das zu bedeuten hat?" Mr. Stone blieb ruhig, ignorierte Silvers Aussage und zeigte mit dem Zeigefinger zur Tür.
„Das gleiche wie immer, weil Ihnen die Ideen und Möglichkeiten fehlen."
„Verschwinden Sie, bevor ich mich komplett verliere.", zischte Mr. Stone voller Zorn. Silver hingegen lachte nur wegen diese Aussage.
„Oh, Gordon. Sei lieber froh, dass ich mich nicht gleich komplett verliere, wie gestern Abend in deiner Frau." Und mit dieser Aussage zeigte Silver unserem Direktor den Mittelfinger. Sein Grinsen wurde größer, als er erkannte, wie Mr. Stone nun rot anlief, kurz davor völlig auszuflippen.
Silvers Lächeln war teuflisch, als er sich abwandte und nun landeten seine Augen auf mir. Bis jetzt hatte mich keiner entdeckt, was mich wunderte, da ich keine zehn Meter von  ihnen wegstand.
„Alva.", sagte Silver mit einem schiefen Grinsen und nickte mir als Begrüßung zu, als wäre er die Ruhe selbst, während ich gerade tausend Tode starb. Woher, zum Teufel, kannte er meinen Namen?
Völlig geschockt starrte ich Silver hinterher, welche am Ende des Flures um die Ecke bog und aus meiner Sicht verschwand.
Während ich Mr. Stone beobachtete, der sich verzweifelt durch die Haare fuhr, während er den Saustall betrachtete, welchen Silver verursacht hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Silver kannte meinen Namen.
Ich stand in seinem eigenen kleinen Death Note.

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