Zugzwang

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„Mann, jetzt lass mich doch mal. Merkst du nicht, dass ich versuche, hier ein Level zu schaffen?!"
Der schwarzhaarige Armin zuckte mit dem Oberkörper, um seine Schulfreundin Carolin abzuschütteln, die sich lachend von hinten auf seinen Rücken geschmissen hatte und ihre Arme um seinen Hals geworfen hatte.
„Ach Mann, mit dir ist auch gar nix los. Spielen kannst du doch, wenn du nachher zuhause bist. Spiel lieber ein bisschen mit mir. Draußen ist voll geiles Wetter."
Der Junge grunzte nur und tippte auf der PSP rum.
Carolin ließ ihn los und setzte sich vor ihm auf den Tisch. Schmollend spitzte sie ihre Lippen zu einem Schmollmund und starrte ihn an.
Warum war er manchmal so ein Blödian?
Und obwohl sie besonders an ihm mochte, dass man stundenlang mit ihm zocken konnte, war es manchmal auch total nervig, dass er nichts anderes im Kopf hatte.
Sie sah aus dem Fenster und seufzte leise.
Die Sonne schien und das Wetter war zum ersten Mal in diesem Jahr richtig gut und warm und bald würden sie wieder schwimmen gehen können.
Carolin freute sich schon darauf. Und das lag nicht nur daran, dass sie gern schwimmen ging. Sondern auch daran, dass Armin in Badehosen einfach toll aussah.
Doch in letzter Zeit war es komisch mit ihm.
Er war so... schwer zu ertragen und zockte noch mehr als vorher.
Sie mochte ihn. Sehr sogar.
Aber er war etwa so empfänglich wie ein Stuhl, was das anging.
Man konnte noch so viele Spitzen werfen. Und das taten ihre gemeinsamen Freunde ständig, denn jeder – außer Armin – wusste, dass sie auf ihn stand.
Und eigentlich machte sie auch kein Geheimnis daraus.
Warum auch? Das war ja nicht schlimm.
Doch entweder wollte Armin das nicht merken oder er raffte es wirklich nicht.
Carolin sah ihm eine Weile beim Spielen zu.
Mann, warum war er nur so verdammt süß? Wie er seine Augenbrauen über seinen himmelblauen Augen zusammenzog und immer wieder die Lippen bewegte, als würde er stumm mit seiner Konsole reden.
Wieder seufzte sie und er rollte mit den Augen.
„Caro, kannst du draußen weiterseufzen? Ich kann mich nicht konzentrieren!"
Das Mädchen schnaubte und schob sich vom Tisch runter.
„Mann... kannst du deine Laune mal nicht an mir auslassen, du Stoffel? Ich hab dich nur gefragt, ob du mit in die Sonne rauskommst, wenn wir schon mal ne Stunde Ausfall haben... aber dann bleib halt hier im stickigen Mief und zocke. Ich geh Sonne tanken mit den Mädels!"
Er brummte wieder nur und Carolin sah ihn einen Moment lang noch an, bevor sie ihre langen Ponysträhnen nach hinten warf und ihn sitzen ließ.

Gereizt ließ sie sich draußen neben ihrer Freundin Kim auf die Bank fallen.
„Warum guckst du denn so?"
„Armin ist echt blöde..."
„Und das ist was Neues?"
Carolin sah das Mädchen neben sich von der Seite an.
„Nee... aber manchmal... will ich es einfach in ihn reinkloppen, dass er sich mal nicht wie ein Zocker benimmt."
Kim lachte.
„Das ist es doch, was du an ihm so toll findest... Dass du die ganze Nacht mit ihm zocken kannst."
Carolin grinste und strich sich eine ihrer Strähnen aus dem Gesicht.
„Vielleicht würde ich aber gern die ganze Nacht was anderes mit ihm machen. Aber ich könnte nackig vor ihm rumrennen und er würde sich trotzdem für die Konsole entscheiden."
Kim prustete los und spuckte ihr Wasser wieder aus, dass sie gerade trinken wollte.
„Du bist ja schlimm!"
„Ist doch aber so... manchmal glaub ich, er weiß nicht, dass man mit einem Mädchen genauso viel Spaß haben kann wie mit einer Wii."
„Entweder du nimmst das so hin, weil er nun mal so ist oder du zwingst dich mal ein bisschen auf... wenn du verstehst, was ich meine."
Kim kicherte und Carolin begann zu grinsen.
„Da ist es ja megapraktisch, dass er am Samstag Geburtstag hat und Alexy eine Party schmeißt für sie und uns."
„Finde ich auch."
Die Mädchen machten sich zusammen auf der Bank lang und genossen die ersten wirklich warmen und sommerlichen Sonnenstrahlen des Junis.

„Kannst du noch schnell die Sachen rausbringen?" Der Junge mit den blauen Haaren nahm von seiner Mutter einen Stapel Schüsseln entgegen und trug sie aus dem Raum.
Armin saß am Küchentisch und stützte seinen Kopf auf den Handballen.
„Du kannst dich auch mal nützlich machen, Armin. Immerhin ist das auch deine Party."
Der Junge brummte und richtete sich auf.
„Aber es war nicht meine Idee. Alexy wollte unbedingt feiern. Ich hätte auch einfach nur mit euch Kuchen essen können und gut wär's gewesen..."
Die Frau lehnte sich an den Küchenschrank.
„Hast du was? Das sind doch alles deine Freunde."
Armin nickte.
„Ja... Aber... ich weiß nicht, was los ist. Ich fühl mich im Moment irgendwie... anders als sonst. Gerade, wenn ich mit den anderen zusammen bin... mit den Mädchen."
Seine Mutter schmunzelte.
„Du magst eine von ihnen, oder?"
Der Junge wurde rot unter seinen schwarzen Haaren und sah seine Mutter nicht an.
„Ich hab Schiss. Es ist alles so komisch. Ich weiß nicht, ob es das ist, was du meinst... Es ist nur irgendwie nervig. Und... seit Neuestem benimmt sie sich auch immer so... anhänglich. Ich weiß nicht, was ich machen soll."
Die Frau nahm neben ihm auf einem Stuhl Platz.
„Na stört dich ihre Anhänglichkeit?"
„Nein. Nur wenn ich zocken will..."
Seine Mutter lachte.
„Also eigentlich immer?"
„Sie... sie zockt immer mit mir. Und ich dachte bis jetzt, das ist ok für sie und alles. Doch jetzt meckert sie immer öfter rum und so."
„Ich schätze, sie mag dich auch und würde gern mal was anderes mit dir unternehmen, als immerzu Videospiele zu spielen."
„Das ist mir zu kompliziert..."
„Wenn du mal eine Freundin haben willst und alles, musst du das schon mal hinnehmen."
Der Junge presste die Lippen zusammen und stand auf.
„Ich trag die Flaschen raus."
Seine Mutter sah ihm hinterher und schüttelte den Kopf. Ihr Sohn war offenbar ein Spätzünder, was Liebe und Mädchen anging. Im Vergleich zu seinem Zwillingsbruder Alexy, der auf Jungs stand und seine Neugier auch auslebte.

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