Pferdegeflüster

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„Bis morgen, Joey! Vergiss nicht, dass du morgen dran bist, Sunshines Stall auszumisten."
Das brünette Mädchen lachte und warf die Haare zurück.
„Mann, Manni, ich mach das ja, hör doch auf zu meckern."
Der Mann mit dem Drei-Tage-Bart und der Schaufel lachte nur.
„Nächste Woche gehen die Ferien los und du fährst ins Camp. Hast du schon jemanden, der mitfährt?"
Joey lächelte.
„Nein, noch nicht. Aber es gibt jemanden, den ich gern mitnehmen möchte. Mal sehen, ob er mitmacht."
„Aha, ein Junge... na ob du da Glück hast..." Manni winkte ihr und verschwand wieder in dem Stall, während Joey ihr Fahrrad losmachte und durch den milden Sommerwind nach Hause fuhr.
Ja, es war wirklich fraglich, ob sie Glück haben würde beim Objekt ihrer Begierde...

Armin ließ sich auf die Bank fallen und zupfte an seinem Kragen.
„Gott ist das heiß..."
Sein Bruder Alexy lag der Länge nach auf dem Rasen und hatte die Arme über den Augen verschränkt. Er hatte die Schuhe ausgezogen, seine langen Beine steckten in Bermudas und waren angewinkelt.
„Ich kriege fast schon gar keine Luft mehr... fast 100 % Luftfeuchtigkeit..."
„So ein Mistwetter... kann es nicht mal regnen...?"
Alexy stöhnte und setzte seine Wasserflasche an.
Armin fächelte sich Luft zu und sah sich auf dem Schulhof um. Alle standen rum, halb nackt, mit Wasserflaschen, schwitzend, unter der Hitze leidend.
Amber und ihre Freundinnen trugen fast nur Bikinis, eine Tatsache, die der Schulsprecher Nathaniel alles andere als angebracht fand. Aber er war auch der Einzige, der wirklich gekleidet war wie immer. Das Einzige, was zeigte, dass er ebenso schwitzte wie alle anderen, waren die feuchten Haare in seinem Nacken.
Armin war sagenhaft froh, dass nächste Woche die Ferien anfingen und er jeden Tag im Pool liegen konnte. Sein Kopf wandte sich um, als er Josefine auf sich zukommen sah.
Obwohl das Thermometer die 30°-Marke überschritten hatte, sah sie so frisch aus wie immer. Ihr gewelltes, kastanienbraunes Haar trug sie in einem Zopf, sie trug Shorts und ein Longshirt ohne Ärmel.
Ihre Haut war gebräunt und sie sah... einfach toll aus.
Doch Armin hatte nie versucht, bei ihr zu landen. Sie waren gut befreundet, aber sehr verschieden.
Sie war ein Kind der Natur, war ständig draußen, jobbte auf einem Bauernhof und sie liebte Pferde. Er war ein Zocker, der es hasste, mehr nach draußen zu gehen, als es nötig war. Er verkroch sich gern in seinem Zimmer, hatte die Jalousien unten und ignorierte die Welt um sich.
Darum war er mehr als überrascht, als sie sich neben ihn setzte und ihn angrinste.
„Was geht?" murmelte er.
„Hast du in den Ferien schon was vor?"
„Ich lass mir Kiemen wachsen und verbringe die Hitze im Wasser..."
Sie kicherte und er sah sie von der Seite an.
Gott, wie konnte sie bei dieser jämmerlichen Wärme noch so frisch aussehen?
„Was? Keine gute Idee?"
„Doch... ich wollte dich was fragen..."
„Hm?"
„Hast... hast du Lust, mit mir nach Fehmarn zu kommen? Für drei Wochen."
Armin sah sie überrascht an.
„Wie das denn?"
Das Mädchen legte den Kopf schief.
„Ich fahre in ein Feriencamp... eigentlich wollte ich mit einer Freundin fahren, aber die kann nun nicht mehr, sie hat sich verletzt. Deswegen ist jetzt ein Platz frei."
Armin machte große Augen.
„Und da fragst du ausgerechnet mich?"
Sie lachte und nickte frech.
„Ja, du bist so blass, du hast ein bisschen Ostseesonne nötig."
Armin schnaubte.
„Nein, danke. Nettes Angebot, aber ich wollte meine Ferien anders verbringen als auf einer Insel irgendwo im Meer, wo es wahrscheinlich weder Strom noch Internet gibt..."
Josefine lachte erneut, etwas lauter und überraschter.
„Wie kommst du denn darauf? Klar, haben die Strom! Und Internet auch. Das Camp ist echt toll, voll schön und ganz nah am Meer..."
Armin sah in den Himmel. Es musste da doch einen Haken geben, da war er sich sicher.
„Es ist ein Reitercamp, oder?"
Josefine nickte begeistert und er schüttelte den Kopf.
„Nein... nein... ich steh nicht auf diese Tiere, Joey. Echt nicht... die sind unheimlich und gehören eher auf den Teller..."
„ARMIN!" Sie knuffte ihn.
„Nein, danke, das ist ein nettes Angebot, aber nein. Such dir bitte jemand anderen..."
Es klingelte und der Junge erhob sich. Bevor Joey noch etwas sagen konnte, war er im Schulhaus verschwunden.

Kleine Worte [AS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt