Ich stand wieder wie ein Stalker am Fenster und hab Castiel begafft! Seine roten Haare tanzten im kühlen Wind, als er in der Raucherecke seine Kippe qualmte.
Gott, wie kann ein einzelner Mensch nur soviel Schönheit, Coolness und ja, irgendwie Eleganz ausstrahlen? Denn die Art, wie er sich bewegt, wie er läuft, einfach alles an ihm ist hinreißend... >.<
Es ist doch echt ungerecht, dass die Natur uns Mädchen ein solches Meisterwerk vor die Nase setzt und trotzdem jedem ins Gesicht lacht, oder?
Castiel zu erobern... also ich würde behaupten, es wäre leichter, Fort Knox zu knacken oder aus Alcatraz auszubrechen... Er ist wie aus Granit.
Er weiß, wie verdammt gut er aussieht und das die Mädchen sich nach ihm die Finger lecken. Die Liste seiner Eroberungen füllt bestimmt schon mehrere Seiten und obwohl jeder weiß, dass er einer von denen ist, die andere benutzen und dann abservieren, wird die Schlange der Freiwilligen nicht kürzer...
Tja und mittendrin... bin ich.
Das Mädchen, von dem er sagt, dass ich total verstrahlt wäre... wenn er mich denn überhaupt bemerkt...
Ich verkriech mich unter einem Stein... :(Ophi klappte das Tagebuch zu und pustete sich ihren Pony aus dem Gesicht.
Das würde sie wirklich tun...
Die Welt war ungerecht.
Warum musste ausgerechnet sie auf den unangefochtenen Mädchenschwarm der Schule stehen, der bei jeder Gelegenheit deutlich machte, dass er von ihr genervt war?
Sie wollte gar nicht wissen, was wäre, wenn er wissen würde, dass sie auf ihn stand.
Es war zum Kotzen, wirklich.
Sie schob das Tagebuch wieder in das Geheimfach in der Matratze und zog die Decke ordentlich drüber. Ihre manische und verrückte Mutter musste es nicht finden.
„Ophelia, beweg deinen Arsch, sonst bekommt der Hund dein Frühstück."
Das Mädchen rollte mit den Augen und zog ihre Stiefel an.
„Ich komme, Mum."
Das Chaos in der Wohnung missachtend, trabte sie in die schäbige Küche und nahm sich den Toast vom Teller. Der Hund, ein schöner, glänzender schwarzer Labrador, sah schwanzwedelnd neben ihr und hoffte auf einen Happen.
„Hast du Crunchynut heute schon gefüttert?", fragte Ophi ihre Mutter.
Die Frau saß am anderen Ende des Küchentisches und drückte eine Zigarette in einen eh schon ziemlich vollen Aschenbechers.
„Neeee, mach du... ich hab zu tun." Sie nahm ihre Zigaretten und eine Zeitung und verzog sich in das ebenso schäbige Wohnzimmer, um sich auf das Sofa zu setzen. Ophi seufzte leise, streichelte den treuen Hund und gab ihm Futter.
„Hier, Crunch, lass es dir schmecken. Wenn ich wieder komme, gehen wir fett Gassi, ok?"
Der Hund wedelte freudig mit der Rute und verputzte das Futter.
Das Mädchen blickte in das dunkle Wohnzimmer und nagte an ihrer Lippe, wie immer, wenn sie sich unwohl fühlte.
Ihre Mutter würde nie wieder aus ihrem Trott herauskommen.
Seit ihr Vater vor einem Jahr einen Abgang gemacht hatte, ließ sie sich gehen, ging nicht mehr arbeiten, rauchte wie ein Schlot und trank jeden Tag mindestens eine Flasche Wein. Ophi hatte auch schon Schnapsflaschen weggeräumt.
Die Wohnung verkam immer mehr, denn das Mädchen schaffte es nicht, alles allein zu machen. Ihre Mutter schaffte es gerade mal, zweimal die Woche ein bisschen was einzukaufen.
Viel Geld hatten sie nicht, denn ihr, Ophis, Vater zahlte momentan nur unregelmäßig Unterhalt, ihre Mutter kassierte Stütze vom Staat und das Kindergeld.
Es reichte gerade so.
Das machte Ophi traurig. Ihre Mutter war mal eine stolze und schöne Frau, hatte einen guten Job und war sehr zufrieden damit.
Ok, eine sehr liebevolle Mutter war sie nie, hatte immer etwas an ihrer einzigen Tochter auszusetzen und wollte, dass sie eine Vorzeigetochter wurde. Deswegen ja auch der hochtrabende und schreckliche Name Ophelia. Man wollte zeigen, dass Bildung in dieser Familie zu finden und hoch geschätzt war.
Doch davon war nichts mehr übrig.
Ein halbes Jahr, nachdem ihr Vater ausgezogen war, mussten sie ihre schöne Wohnung aufgeben und in diese kleine Drei-Raum-Wohnung ziehen. Die Wände waren dünn, die Räume waren unordentlich und überall fehlte das Geld, um es wenigstens ein bisschen schön zu machen.
Deswegen war Ophi auch gern woanders als zuhause.
Sie verbrachte ihre Nachmittage mit Crunchynut im Park oder im Jugendzentrum.
Das JUZ war der einzige Ort, wo sie ihr meistgeliebtes Hobby ausüben konnte. Ihre Eltern hatten, als sie noch klein war, darauf bestanden, dass sie Klavierspielen lernte.
Sie liebte es, mit ihren Fingern über die weißen Tasten zu streicheln und sie liebte sowohl klassische Stücke als auch rockigere, moderne Sachen.
Als ihre Welt und ihre Familie noch heil waren, besaß sie ein eigenes Klavier und ihr einziger wirklicher Wertgegenstand, den sie besaß, war ihr teures Keyboard, das ihr Vater ihr zum 14. Geburtstag geschenkt hatte.
Zuhause spielen war jedoch nicht möglich.
Sie wohnten in einem hellhörigen Haus und hatten einen alten, spleenigen Nachbarn, der wegen jedem Bisschen die Bullen rief. Das hatten sie schnell mitbekommen.
Der Alte beschwerte sich sofort, wenn das Keyboard nur einen Ton von sich gab. So saß sie oft auf ihrem Bett und sah das Instrument sehnsüchtig an, wissend, dass sie es nicht benutzen konnte.
Und auch ihre Mutter störte sich daran, wenn sie spielte.
Nicht, weil sie es nicht konnte, aber ihre Mutter ertrug keine Musik. Es erinnerte sie zu sehr an ihr „altes, gutes Leben im Geld und Wohlstand".
Ophi verputzte die zweite Scheibe Toast und trank etwas Milch, bevor sie nach ihrem Rucksack griff und in ihre Jacke schlüpfte.
Es war März und noch ziemlich kühl draußen.
„Mum, ich bin dann in der Schule, ok?"
Ihre Mutter hob den Kopf und sah ihre Tochter mit müden Augen an.
„Musst du eigentlich so rumrennen, Kind? Es ist zu kalt für kurze Hosen und dann diese Nuttenstrümpfe..."
Ophi sah an sich runter.
Sie trug schwarze Jeans-Shorts, schwarze Overknees und ihre heißgeliebten Army-Boots. Sie hatte ein kurzes, bauchfreies Top unter ihrer Sweatjacke und hatte gerade ihre Jacke angezogen.
„Ich bin ganz normal angezogen, Mum."
Die Frau schüttelte leicht den Kopf.
„Dieses Volk in dieser Jugendeinrichtung ist nicht gut für dich... Daran ist nur dein Vater Schuld... wenn er nicht gegangen wäre, wäre aus dir nicht so ein Gossenkind geworden. Und dann diese Haare!"
Ophi verdrehte die Augen und warf einen Blick in den Spiegel.
Sie hatte sich vor vier Wochen das Haar blau gefärbt und gefiel sich damit. Ihr Leben war schon grau genug, da musste ein bisschen Farbe sein.
„Naja ich geh jetzt jedenfalls."
Ihre Mutter nickte nur desinteressiert und machte sich unter einer Wolldecke auf dem Sofa lang. Sie tappte auf der Fernbedienung herum und der Fernseher sprang an.
Ophi zog die Tür hinter sich ins Schloss und marschierte den Kilometer Fußweg zur Amoris High School. Viele Schüler begegneten ihr, doch die wenigsten schenkten ihr wirklich Aufmerksamkeit.
Warum auch?
Sie ging erst seit der Trennung ihrer Eltern auf diese Schule und hatte keine nennenswerten Freunde hier. Ohne groß auf ihre Mitschüler zu achten, betrat sie den Schulhof und setzte sich auf eine Bank unter einen Baum.
Obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte, war das der perfekte Ort, um den hübschen rothaarigen Rocker zu beobachten, der an der Turnhalle gelehnt stand und eine Zigarette rauchte. Neben ihm stand ein Junge, hübscher als alles, was sie je zuvor gesehen hatte, gekleidet in kostbare, altertümliche Kleidung und mit strahlenden silbernen Haaren. Seine Augen hatten verschiedene Farben und er trug den antiquierten Namen Lysander.
Doch so schön dieser Junge war, Ophis Interesse galt dem anderen, Castiel.
Seine grauen Augen erinnerten sie an den Mond, seine Haut war so rein und sauber, dass sie diese berühren wollte und sein Lächeln, wenn er denn mal lächelte, war so bezaubernd, dass sie davon träumte, wann immer sie die Augen schloss.
Doch meistens lachte er aus Schadenfreude. Denn er war ein Typ, der es liebte, sich über andere lustig zu machen.
Während Ophi so heimlich zu ihm herüber spähte, gesellte sich das dritte Mitglied der Clique, der braungebrannte Surfertyp Dakota, zu den Jungs und sie begrüßten sich mit denselben albernen Handschlägen, die fast alle Jungs verwendeten, um sich unheimlich cool vorzukommen.
Ophi wusste, wie alle anderen an der Schule, dass die Jungs eine Band hatten. Sie nannten sich „Temper Tantrum", was „Wutanfall" bedeutete und durchaus zu einigen ihrer Songs passte. Lysander war der Sänger und seine Stimme war glasklar und er hatte einen perfekten Tenor. Dakota spielte Schlagzeug und Castiel war der Gitarrist.
Wann immer eine Schulveranstaltung stattfand, hatten die Jungs einen Auftritt. Aber an den Proben ließen sie niemanden teilhaben. Überhaupt hielten sie sich ziemlich bedeckt, wenn es um ihre Musik ging.
Ophi seufzte.
Die drei Jungen waren der Inbegriff einer Rock-Boyband! Ein Junge war attraktiver als der andere und sie alle wussten es. Castiel sammelte Mädchen wie Briefmarken, Dakota wechselte seine Ladys öfter als Socken und Unterhosen und machte, im Gegensatz zu Cas, auch kein Geheimnis daraus und von Lysander wusste man nichts. Er hielt sich bedeckt über seine Abenteuer. Sofern es denn welche gab.
Das war alles so ungerecht!
Warum erschuf Mutter Natur solche Meisterwerke?
Damit sich alle Mädchen, die nicht wie Supermodels aussahen, schlecht fühlten? Depressiv wurden und in ihrer Verzweiflung versanken?
Es klingelte und Ophi setzte sich in Bewegung.
Sie ging extra langsam, um erst nach Castiel in das Gebäude zu gehen. Er zog nur wenige Schritte vor ihr die Tür auf und ein Hauch seines maskulinen Parfums streifte ihre Nase. Unwillkürlich atmete das Mädchen tief ein und schloss die Augen.
„Komm, beweg dich, Püppi. Schlaf nicht ein..."
Ophi hörte die Stimme des blonden Dakota hinter ihr, der sie antrieb und wandte den Blick zu ihm.
Seine Augen waren so türkisblau, dass diese sie an tropische Gewässer erinnerten und er grinste süffisant.
„Was willst du denn? Ich kann nicht schneller, wenn mein Vordermann so langsam ist." Das Mädchen versuchte, sich ihre Verunsicherung angesichts soviel geballter Attraktivität nicht anmerken zu lassen, spürte jedoch, dass ihre Wangen sich etwas verfärbten, als sich ihr Vordermann, Castiel eben, mit einem kühlen Blick zu ihr umdrehte und die Lippen schürzte.
„Halt' die Backen, Crime Dog."
Der Rothaarige trat durch die Tür und wandte sich ohne weiteren Blick von dem Mädchen ab und ging mit Dakota und Lysander davon.
Ophis Blick verfolgte ihn, bis sie ihn nicht mehr sah.
Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte, aber von ihrem ersten Tag an in dieser Schule nannte Castiel sie bei diesem seltsamen Spitznamen.
Ob das nun zeigen sollte, dass er sie verachtete oder eine gewisse Faszination ausdrückte, konnte sie nicht sagen.
Obwohl es sie interessieren würde.
Wieder seufzte sie und betrat die Pausenhalle.
Sie spürte die Blicke der Mädchen, an denen sie vorbeiging, sie hörte das Getuschel über ihre Klamotten und es gab eine Zeit, in der sie sich darüber Gedanken gemacht hätte, aber mittlerweile...
Was machte es schon, wenn die Leute schlecht von einem dachten?
Sie gehörte nicht mehr zu den „reichen" Kids, bei denen sie beliebt war. An ihrer alten Schule.
Sie war wie diese Mädchen hier. Sie lästerte über andere, beurteilte Menschen nach ihrer Kleidung und hasste alle, die nicht so gut angezogen waren wie sie.
Das war heute anders.
Es interessierte sie nicht mehr. Niemals hätte sie gedacht, dass ein Jahr reichen würde, um sich komplett zu ändern.
Heute wollte sie nur noch eins.
Castiel!
Aber das war ebenso leicht, wie zu Fuß zum Mond zu wandern.
Denn er verachtete sie. Sie war ihm zu... jungenhaft, ganz sicher.
Sie wusste, was für Mädchen Castiel mit nach Hause nahm.
Vollbusige, zarte Mädchen mit Kurven und langen Haaren, die rosa Lippen hatten und zu ihm aufhimmelten. Am liebsten nur keine, die ihm Paroli gaben. Er brauchte die Sorte Mädchen, die sein Ego streichelten anstatt es herauszufordern.
Und das war sie, Ophi, nun beim besten Willen nicht.
Sie hatte sich vor vielen Monaten von ihren langen Haaren verabschiedet, ihre Girlie-Klamotten in die Kleiderspende gegeben und begann, sich punkiger zu kleiden.
Nachdem ihr altes Leben geendet hatte, konnte sie nicht so tun, als wäre alles beim Alten. Sie musste sich verändern!
Doch hätte sie gewusst, dass sie nur kurze Zeit später auf der neuen Schule ihren absoluten Traummann treffen würde, hätte sie es gelassen.
Nun war es zu spät.
Sie mochte ihr neues Ich. Es war tough, stärker als das kleine Mädchen, das wegen dem Auszug ihres Vaters geweint hatte, die gehofft hatte, er würde sie mitnehmen nach Paris.
Doch das tat er nicht.
Er zahlte Unterhalt, aber der Kontakt war ansonsten eingeschlafen. Bis auf eine Karte zum Geburtstag und zu Weihnachten war noch nicht recht viel mehr bei ihnen eingegangen.
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Kleine Worte [AS]
FanfictionEine Sammlung von Oneshots zu diversen Charakteren aus Sweet Amoris (Vieles davon sind Auftragsarbeiten zu diversen Genres - Romantik, Drama, Science Fiction, School Life etc. - Wenn ihr auch einen Oneshot von mir wollt ---> SCHAUT INS ERSTE KAP...