Mit zwei linken Füßen fällt sich's leichter - Taumel ins Glück?

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PoV Ethien

„Ethien, aus dem Bett jetzt!"
Die Stimme meines Vaters drang in mein schlaftrunkendes Gehirn und murrend setzte ich mich auf.
Mit einer Frisur wie ein zerwühltes Vogelnest stand ich auch und versuchte, den Wust zu ordnen.
„Verdammte Axt..."
Ich malträtierte meinen Schädel mit der Bürste und das trieb mir die Tränen in die Augen.
„Komm jetzt, Kind. Das Frühstück wird doch kalt."
„Ich komme, Paps."
Seit meine Mutter mit ihrem jungen Liebhaber abgehauen war, wohnte ich mit ihm allein und er war zwar lieb, aber auch ziemlich anhänglich. Allerdings hatte er dafür auch Gründe.
Denn ich war die Königin des Missgeschicks.
Ich hatte mir in meinem Leben schon so oft was gebrochen, zerkratzt oder verstaucht, dass die Ärzte in der Ambulanz mich schon beim Vornamen kannten. Ich war das gewöhnt.
„Ethien!"
„Paps, ich geh erst ins Bad. Bleib cool."
Energisch putzte ich mir die Zähne, warf mir Wasser ins Gesicht und entwirrte meine Haare in Ruhe, bevor ich mir einen Pferdeschwanz band. Beim Weg die Treppe runter hielt ich mich an dem Geländer fest, denn ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft ich schon abgerutscht war und die letzten Stufen nicht ging, sondern fiel.
„Jetzt ist das Ei kalt..." nörgelte mein Vater und trank einen Schluck Kaffee.
„Egal. Deine Spiegeleier sind immer lecker." Ich grinste und schob mir das Essen in den Mund. Als ich nach einem Brötchen greifen wollte, streifte mein Armband das Saftglas und wenn mein Vater nicht durch meine Ungeschicktheit schon solche Reflexe entwickelt hätte, wäre es umgefallen. Aber er fing es auf und so tropfte nur ein bisschen auf das Tischtuch.
„Sorry..." murmelte ich nur.
Ich war echt eine Gefährdung... als hätte ich das Pech an den Hacken hängen.
„Du bist wirklich eine... von wem hast du nur diese Ungeschicklichkeit?"
„Keine Ahnung... ich hätte es auch lieber anders."
Ich mümmelte weiter mein Frühstück und brach 15 Minuten später zur Schule auf.

Meine BF wartete schon am Schultor auf mich. Ich war wohl die Einzige, deren beste Freundin ein Junge war. Ein schwuler Junge, der jetzt aufquietschte, als er mich sah.
„Ethien... ich hab schon eeeewig gewartet."
Ich lachte und fiel ihm um den Hals.
„Erzähl doch nicht. Euer Bus kam gerade mal vor fünf Minuten an."
„Das kannst du doch gar nicht wissen..." lachte er und ich baute mich vor ihm auf.
„Klar... ich hab den Bus doch noch gesehen!"
Mein Freund kicherte noch immer und hüpfte wie ein zweibeiniger Regenbogen vor mir auf den Schulhof.
„Wo hast du denn deinen Bruder gelassen?"
Ich sah mich suchend nach dem anderen um und meine BF tat es auch.
„Alter... Armin!! Warte... der klebt an der PSP und checkt nix."
Tatsächlich stand der Junge noch immer an der Bushaltestelle vor der Schule und daddelte. Ich musste unwillkürlich grinsen.
Er war so süß. Seine blauen Augen waren die Schönsten, die ich kannte, nur leider waren sie oft gerötet vor Müdigkeit, weil er bis in die Nacht zockte.
Nein, ich war nicht in ihn verknallt. Ich war ja nicht bescheuert... und auch keine dieser dusseligen Tussis, die sich ständig in irgendwelche Jungs verguckten. Armin war der Bruder meines besten Freundes Alexy, sein Zwillingsbruder sogar. Doch unähnlicher konnten sich eineiige Zwillinge spätestens seit den Kaulitz-Zwillingen nicht sein.
Armin hatte glänzendes schwarzes Haar und ozeanblaue Augen. Alexys Haar war in einem dunklen Hellblau gefärbt und seine Augen schmückte er mit rosafarbenen Kontaktlinsen. Ohne das sah er exakt aus wie Armin.
Denn das Gesicht war hundertprozentig das Gleiche.
„Hey, Zockerkönig... die Schule ist hier hinten. Willst du nicht langsam reinkommen?"
„Hm?" machte Armin nur und ließ sich mitziehen.
Ich stand zwischen ihnen und war immer wieder überrascht, wie klein ich war. Die Zwillinge waren gerade mal irgendwas um die 1,76 m groß und ich musste zu beiden hochgucken.
Ich Zwerg.
„Hey Ethien, hast du gestern Abend Shopping Queen geguckt? Also ich hätte mit der Auswahl ein besseres Outfit zusammengebracht..."
Mein bester Freund liebte Mode, auch wenn er selbst wie ein Knallbonbon herumlief. Aber auf sein Auge konnte man sich verlassen.
„Nein, habe ich nicht, das war mir zu doof. Ich meine, die haben sich ja schon wie die Furien aufge-AUTSCH!"
Das konnte doch nicht wahr sein!
Es stand nur eine einzige Laterne auf dem Schulhof und ich musste dieses Ding immer, aber wirklich IMMER mitnehmen, wenn ich an ihm vorbeiging. Ich rieb mir die Stirn und blickte beschämt um mich.
Ich war voll mit dem Kopf gegen den Laternenpfahl gerannt. Der wackelte sogar noch!
Alexy sah besorgt aus, aber ich bemerkte, dass er sich das Lachen verkneifen musste. Er kannte es nicht anders und wusste, wann ich mir wehgetan hatte und wann nicht. Armin blickte perplex von der PSP hoch, überblickte die Situation und fing an, zu lachen.
„Hahaha... du bist so verstrahlt, Ethien!"
Ich sah zu ihm hoch und merkte, das meine Wangen glühten.
„Was denn? Ich habe den Laternenpfahl umarmt! Das war Absicht."
„Klar... und das Pipi in den Augen?"
„Es war ein emotionaler Moment." murrte ich eingeschnappt.
Die Zwillinge lachten und Armin packte seine PSP in den Rucksack.
„Du bist schon süß, du Dumpfbacke."
Alexy und ich sahen erst uns an und dann ihn. Was war das denn?
Armin guckte plötzlich erschrocken, wandte sich ab und machte schneller als üblich einen Abgang.
„Dieser Knaller." Alexy lachte und ich glotzte seinem Zwilling hinterher.
Mein Herz klopfte schneller. Ok, vielleicht war ich nicht sehr ehrlich. Ich mochte Armin schon ziemlich, aber wie sollte ich ihm das sagen? Ich war die Königin des Ungeschicks und er der König der PSP.
Zwei Welten prallten aufeinander. Wie sollten wir beide denn zusammenpassen? Armin bemerkte sowieso keine Mädchen. Das konnte von Vorteil sein, dass sich keine andere an ihn ranschmeißen konnte, aber er bemerkte eben auch mich nicht... Umso überraschter, geschockter, freudig erregter war ich nun, dass er gesagt hatte, ich wäre süß.
„Mach den Mund zu, Ethien, sonst kommen Fliegen rein. Lass uns reingehen, bevor es zu regnen anfängt."
Alexy zog mich hinterher in das Schulgebäude und als wir im Klassenzimmer saßen, rieb ich mir den Oberarm.
Ich war auch noch gegen die Tür gerammelt.
„Dich sollte man in Watte packen, Mädchen. Du bist ja eine Gefährdung für dich selbst."
Mein bester Freund strich mir über den Kopf und kicherte. Ich lehnte mich an seine Schulter und seufzte.
„Au... ich kann doch nichts dafür..."
„Ich weiß. Aber benutz doch mal deine Augen."
Gelangweilt durchlitten wir den Unterricht und irgendwann pennte ich wirklich ein.
„Hallo, Fräulein?"
Ich zuckte zusammen und mein Kopf fiel von meinem Handgelenk wie ein Stein mit der Stirn vorneweg auf den Tisch.
„Au..."
Die ganze Klasse lachte und ich wurde mal wieder rot.
„Ethien, vielleicht sollten Sie nachts länger schlafen, dann würde das im Unterricht nicht passieren..."
„Hm... ja, Entschuldigung, Herr Hauser."

Kleine Worte [AS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt