Ichiro legte seine Arme um seine Mutter. Über Hayamis Wangen liefen die Tränen.
Ich freute mich für Ichiro, doch ich konnte nicht anders als ein bisschen eifersüchtig zu sein. Meine Mutter hätte mich nie so in den Arm genommen.
Wir alle schwiegen.
Schließlich lösten sich Ichiro und seine Mutter voneinander und sie wischte ihre Tränen weg.
„Ich bin so glücklich dich endlich wieder zu sehen."
„Ich auch, Mama."
Er schaute zu mir, dann zurück zu seiner Mutter und nahm meine Hand.
„Mama, ich würde dir gerne jemanden vorstellen."
Er nickte mir zu und ich setzte meine Kapuze ab, während er sagte: „Das ist meine Freundin, Hina."Hayami blickte mich mit großen Augen an.
„Takumi hat uns von dir erzählt. Du warst seine Verlobte."
Ihr Blick wanderte zu ihrem Sohn.
„Und angeblich hast du sie umgebracht."Ich stieß ein genervtes Zischen aus.
„Takumi ist eine falsche Schlange."
Sie schien hin und hergerissen.
„Natürlich kann er manchmal schwierig und etwas zu stolz sein, aber er ist kein schlechter Mensch."Das konnte wirklich nur eine Mutter sagen.
„Es tut mir leid Ihnen das mitteilen zu müssen, aber er ist ein schlechter Mensch", teilte ich ihr mit.
Zur Bestätigung zeigte ich auf die Narbe über meinem linken Auge. Die Augen der Schwarzhaarigen weiteten sich noch mehr.
„Er hat dir das zugefügt?"
Ich nickte und Ichiro gab eine Art Knurren von sich.
„Diese und drei andere."
Die arme Frau stand erneut den Tränen nah.
„Ich hätte nie gedacht, dass er zu so etwas fähig ist."„Hayami!", rief ein Mann.
Ichiros Blick verdunkelte sich schlagartig und ich begriff, wer dieser Mann war.
„Das ist dein Vater, nicht wahr?"
Er nickte, doch dann schüttelte er den Kopf.
„Ich sehe diesen Mann nicht als Vater."
Hayami strich ihrem Sohn über den Arm und sagte: „Ich muss los. Es war wundervoll dich endlich wieder zu sehen."
Er nahm seine Mutter noch einmal in den Arm, bevor diese in Richtung des Lagers ging.Ich hörte wieder die Stimme des Mannes.
„Wo warst du?"
„Ich dachte, ich hätte etwas gehört, aber ich habe mich wohl geirrt."
„Hm. Du wirst ihn nicht finden. Er versteckt sich wahrscheinlich. Dieser ängstliche Bastard."
Meine Augen verengten sich. Bastard? Was dachte er, wer er war?
„Er ist kein Bastard."
„Natürlich ist er das! Und das weißt du!"
Seine Stimme wurde lauter.Hayato schien es zu reichen. Er trat hinter einem der Büsche hervor und der Mann verstummte.
„S-sir, was machen Sie denn hier?", fragte er kleinlaut.
„Ich warte auf seine Majestät. Er bespricht sich im Moment mit Ihren Zirkelältesten."
„Dürfte ich fragen worüber?"
„Das geht Sie nichts an."Ich lugte hinter dem Busch hervor und beobachtete belustigt, wie der Mann mit gesenktem Kopf vor Hayato stand. Seine schwarzen Haare waren an einigen Stellen schon grau und seine grünen Augen - die erschreckender Weise genauso aussahen wie Takumis - waren auf den Boden gerichtet. Hayato sah etwas genervt aus. Ich ging davon aus, dass die beiden sich schon begegnet waren.
„Haben Sie nichts zu tun?", fragte der Gestaltwandler.
„Doch, sir."
„Dann, zurück an die Arbeit."
Hayamis Mann nickte und ging zurück zum Lager. Seine Frau folgte ihm.Der Braunhaarige kam zurück zu uns und verdrehte die Augen.
„Er ist so nervig."
„Das ist noch nett ausgedrückt", stimmte der Magier, neben mir, zu.
„Woher kennst du ihn denn?", fragte ich.
„Ich habe ihn getroffen als wir seinen Zirkel besucht haben."
„Zirkel?"
„Jeder Magier - oder fast jeder - lebt in einer Gemeinschaft aus Magiern. Einem Zirkel. Diese Zirkel sind vor allem zur Selbstverteidigung da, aber auch für Rituale oder komplizierte Zauber, sowie um die Kinder ordentlich zu unterrichten", beantwortete Ichiro meine Frage.
„Ach so."„Wir sollten mal wieder vor und auf König Masahiro warten", meinte Hayato.
Ich nickte und setzte meine Kapuze wieder auf. Mein Freund tat es mir gleich und wir liefen zurück zum Lager.Nun standen wir erneut wie drei Deppen rum und warteten.
Nach einer Weile kam ein Magier angerannt, der ziemlich in Eile zu sein schien. Er rumpelte Ichiro an, dessen Kapuze dabei verrutschte. Der junge Mann entschuldigte sich sofort, doch er stockte, als er einen Blick auf Ichiros Gesicht erhaschte.
„S-sie sind Ichiro Akuyaku!"Ich hätten diesem Jungen am liebsten eine geknallt. Das brauchten wir jetzt wirklich nicht.
Die Augen aller umstehenden Magier lagen auf uns. Doch dann tat Ichiro etwas, das ich so überhaupt nicht erwartet hatte. Er setzte seine Kapuze ab. Viele schnappten nach Luft.
Daraufhin drängte sich jemand durch die Menge - wenn man diese kleine Ansammlung von Magiern überhaupt so nennen konnte. Es war Hayamis Mann. Ichiros Vater. Seine Frau war direkt hinter ihm und versuchte ihn aufzuhalten. Erfolglos.
Der Mann blieb vor uns stehen und baute sich vor seinem Sohn auf. Auch ihm hätte ich gerne eine gescheuert. Seine Ähnlichkeit mit Takumi war erschreckend.
Ichiro blieb ruhig stehen und beobachtete seinen Vater dabei, wie er seinen Kopf nach oben reckte, um größer zu wirken als sein Sohn. Dies sah recht lustig aus, da er circa einen halben Kopf kleiner war und wäre diese Situation nicht so angespannt gewesen, hätte ich beinahe gelacht.
„Du hast ganz schön Nerven, hier einfach so aufzutauchen", ergriff Ichiros Vater - ich konnte mich immer noch nicht an seinen Namen erinnern - das Wort.
„Keine Sorge, Takeshi. Ich bin nicht wegen dir hier."Richtig. Er hieß Takeshi.
„Deine Mutter möchte dich nicht sehen."
„Das sieht aber nicht so aus."
Takeshi drehte sich zu seiner Frau, welche etwas überfordert aussah, und dann zurück zu Ichiro.
„Tu nicht so als würde sie dich interessieren. Du bist einfach nur eine Missgeburt. Nach Takumi wäre Schluss gewesen, aber eine halbe Stunde später kamst du noch."Wen nannte er hier eine Missgeburt?! Ich wollte auf ihn zugehen und ihm ordentlich die Meinung sagen, doch Ichiro hielt mich zurück und sagte: „Ich wollte auch nie dein Sohn sein."
„Du bist so undankbar! Ich habe dir zu essen und ein Dach über dem Kopf gegeben!"
„Nein. Meine Mutter hat mir das gegeben. Ohne sie hättest du mich doch vor die Tür gesetzt!"
„Du undankbare Missgeburt!"
„Beleidige mich so viel du willst. Es ist mir egal."Ich merkte, dass Takeshis Augen kurz grün aufleuchteten. Doch dies war schnell vorbei.
„Du wirst es noch bereuen hier aufgetaucht zu sein", drohte er.
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Die falsche Wahrheit
Fantasy« Ich drehte mich um und schaute in lila Augen. » Die Prinzessin des Zauberwaldes und ein normales Mädchen. Werden sie die Welt vor der Dunkelheit retten und ihr eigenes Schicksal drehen können? Wird Prinzessin Aiko mehr über ihre Vergangenheit erf...