„Ich habe keine Flügel."
„Haben sie sich bei dir noch nicht entfaltet? Oh."
„Nicht entfaltet... Warum denkst du, dass ich Flügel habe?"
„Weil alle Engel Flügel haben."
„Ich habe bei keinem von euch Flügel gesehen."Shuka schmunzelte.
„Wir sind in der Lage unsere Flügel zu verstecken. So als würden sie gar nicht existieren."
„Wirklich?"
„Ja. Ich zeige es dir."Sie schloss die Augen, wahrscheinlich um sich zu konzentrieren.
Einige Sekunden lang passierte nichts. Doch dann lugten tatsächlich weiße Federn hinter ihrem Rücken hervor. Die Flügel wurden immer größer, bis sie eine Spannweite von etwa vier Metern erreicht hatten.Ich staunte nicht schlecht und starrte die riesigen weißen Flügel an. Meine Tante öffnete die Augen und lächelte als sie mein verdutztes Gesicht sah.
„Du hast auch Flügel, Aiko."
Ich schaute über meine Schulter und runzelte zweifelnd die Stirn.
„Das erste Mal muss von alleine passieren", erklärte Shuka.
„Von alleine?"
„Ja, aber wir könnten versuchen es etwas zu beschleunigen."
„Wie denn?"
„Wir kämpfen."
„Das haben wir doch gestern schon gemacht und da hatte ich nicht auf einmal Flügel."
„Diesmal kämpfe ich mit meinen Flügeln."
„Moment, was?"
„Du wirst schon sehen. Holen wir unsere Schwerter."Wir holten unsere Schwerter - auch wenn meines ja eigentlich gar nicht mir gehörte - aus dem Waffenschrank und stellten uns in Kampfposition auf den Platz.
Ich wurde immer nervöser. Schon am vorherigen Tag war es schwierig gewesen gegen Shuka anzukommen, doch nun würde sie auch noch ihre Flügel nutzen.
Sie streckte ihre Flügel leicht aus, die Federn schimmerten im Licht der Halle „Erinnere dich daran, dir selbst zu vertrauen", sagte sie ruhig.
Ich nickte und umfasste mein Schwert fester, das Metall fühlte sich kalt und schwer in meiner Hand an. Eine gefühlte Ewigkeit fixierten wir uns gegenseitig, jede Bewegung, jeder Atemzug wurde zur Anspannung.
Der erste Schlag kam unerwartet. Mit einem einzigen kräftigen Flügelschlag schwang sich meine Tante in die Luft und stürzte sich auf mich. Ich konnte gerade noch rechtzeitig meinen Schwertarm heben, um den Angriff zu blockieren. Das Klirren unserer aufeinander treffenden Klingen hallte durch die große Halle, ein Klang, der mir bis ins Mark fuhr. Die Wucht ihres Angriffs trieb mich mehrere Schritte zurück, mein Gleichgewicht schwankte.
Doch Shuka gab mir keine Zeit, mich zu erholen. Elegant glitt sie zur Seite, ihre Flügel streiften den Boden, bevor sie blitzschnell in die Luft abhob. Sie schoss über mich hinweg, ein Schatten, den ich kaum folgen konnte. Ich wirbelte herum, mein Herz schlug schneller, während ich versuchte, sie im Auge zu behalten.
Plötzlich landete sie hinter mir und ließ ihr Schwert auf mich herabsausen. Diesmal war ich vorbereitet. In letzter Sekunde drehte ich mich zu ihr, blockierte den Hieb mit einem lauten Krachen und nutzte den Schwung, um einen Gegenangriff zu starten.
Doch Shuka war schneller. Ihre Flügel entfalteten sich in einer mächtigen Bewegung, die sie mit Leichtigkeit aus meiner Reichweite brachte. Sie wirbelte in der Luft herum, und bevor ich reagieren konnte, kam sie mit einer Geschwindigkeit auf mich zu, die mir den Atem raubte. Reflexartig hob ich meine Klinge, um den Ansturm abzuwehren.
Unsere Schwerter prallten mit solcher Kraft aufeinander, dass Funken stoben. Die Vibrationen fuhren mir durch die Arme bis in die Knochen, doch ich biss die Zähne zusammen und stemmte mich gegen ihre Übermacht.
Mit einem letzten kraftvollen Stoß riss sie ihre Klinge von meiner. Ein Flügelschlag, und sie schoss in die Höhe, bevor sie mit unglaublicher Geschwindigkeit auf mich herabstieß. Alles, was ich sah, war ein verschwommener Schatten, dann spürte ich den kalten Stahl auf meiner Hand. Das Geräusch eines fallenden Schwertes hallte durch die Halle, als es auf den Boden aufschlug.
Sie hatte mich entwaffnet – schneller, als ich es je zuvor erlebt hatte.
Ich schaute sie an und dann ihre Flügel. Wie viel Kraft darin lag und gleichzeitig waren sie so schnell, wendig und würdevoll. Ich blickte über meine Schulter. Dort waren noch immer keine Flügel zu sehen. Ich seufzte. Das war ja ein toller Tag.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich zurück zu meiner Tante.
„Du hast dich besser geschlagen als die meisten. Vor allem für das erste Mal."
„Das erste Mal gegen jemanden mit Flügeln?"
„Ja. Mach dir keine Gedanken. Ich war schon immer die zweitbeste Schwertkämpferin von uns vier."
„Die zweitbeste?"
„Nach deiner Mutter."
„Dann bin ich ihr wohl doch nicht so ähnlich..."
„Du bist eine tolle Schwertkämpferin. Und ich bin ein paar tausend Jahre älter als du."
„Das stimmt wohl."
„Na komm, machen wir eine Pause."Nachdem wir umgezogen hatten führte Shuka mich zurück zu dem Garten, wo ich angekommen war. Ich trug ein dunkellila, knielanges Kleid, das meiner Mutter gehört hatte. Dazu ein paar schwarze Schuhe und eine silberne Kette mit einem Rosenanhänger. Meine Haare fielen offen über meine Schultern. Shuka trug eine dunkelblaue Tunika, eine schwarze Hose und ein Paar weiße Schuhe. Ihre Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten.
Sie führte mich zu einer großen Wiese und ließ sich ins Gras fallen. Ich setzte mich neben sie.
„Hier komme ich immer her, wenn ich mich entspannen will", erklärte sie.
„Es ist schön hier."
Sie nickte.
„Früher haben wir hier manchmal gepicknickt. Die ganze Familie saß beisammen und hatte Spaß."
Ihre Stimme nahm wieder einen traurigen Ton an.
„Auch eure Eltern?"
Ich wusste nicht, ob diese Frage unangebracht war, doch ich wollte wissen was sie von ihren Eltern hielt.
„Ja, auch unsere Eltern."
Sie seufzte.
„Manchmal vermisse ich sie noch. Aber natürlich war das, was sie getan haben, falsch."
„Dennoch waren sie deine Eltern und du hast sie geliebt, richtig?"
„Da hast du recht. Woher weißt du das?"
Mein Blick wanderte auf meine Hände.
„Obwohl ich mich kaum an meine Mutter erinnere und nie wirklich die Chance hatte, sie kennen zu lernen, liebe und vermisse ich sie."Eine Weile saßen wir schweigend da, bis ich ein Brüllen hörte.
Ich schaute nach oben und entdeckte etwas.
„Ein Drache?", fragte ich.
„Das habe ich nicht erwartet, aber gut."
„Was?"
„Jeder Engel hat ein Tier an seiner Seite. Einen Gefährten. Sozusagen einen Seelenverwandten."Bevor ich antworten konnte landete der Drache. Er war riesengroß und wunderschön. Seine Schuppen waren schneeweiß und die Hörner auf seinem Kopf pechschwarz. Er beugte sich zu mir herunter und schaute mich durch leuchtende lila Augen an.
Ich stand auf und streckte die Hand aus. Der Drache kam mir mit seiner Schnauze entgegen und ehe ich wirklich begreifen konnte, was passierte, spürte ich die glatten Schuppen unter meinen Fingern.
„Du bist aber eine hübsche", sagte ich zu dem Drachen.
Ich wusste nicht, woher ich wusste, dass es ein Weibchen war. Ich spürte es einfach.„Ich glaube ich nenne dich Ryuka."
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Wer hat erwartet, dass der Drache wiederkommt?Wie fandet ihr den Schwertkampf (ich bin eine Niete bei Kampfszenen 😅)?
Was denkt ihr? Wird Aiko ihre Flügel noch bekommen oder bleibt sie flügellos?
Tschüssi 🤍
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Die falsche Wahrheit
Fantasy« Ich drehte mich um und schaute in lila Augen. » Die Prinzessin des Zauberwaldes und ein normales Mädchen. Werden sie die Welt vor der Dunkelheit retten und ihr eigenes Schicksal drehen können? Wird Prinzessin Aiko mehr über ihre Vergangenheit erf...