19. Engel - Aiko

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Ich drehte mich um. Vor mir stand die brünette Frau mit goldenen Hörnern.

„Wer seid Ihr?", fragte ich verunsichert.
„Hab keine Angst, Aiko. Ich bin hier um dir zu helfen."
Sie sprach mit einer sanften, melodischen Stimme, die definitiv dieselbe Stimme war, wie die aus meinem Traum.
„Das beantwortet meine Frage nicht. Und woher kennt Ihr meinen Namen?"
„Gut. Mein Name ist Sayuri und ich beobachte dich schon eine Weile."
„Ihr habt mich gestalkt?"
Sie schmunzelte.
„Nein. Ich würde eher sagen, erwartet, dass du endlich herfindest."
„Dass ich endlich herfinde? Wo sind wir hier?"
Ich war wirklich verwirrt und skeptisch.
„Komm mit", forderte Sayuri mich auf.
Sie drehte sich um und ging los. Ich zögerte, folgte ihr aber schließlich.

Wir durchquerten den Garten, wo ich immer wieder neue Blumenarten oder Blumen in Farben, in denen es sie eigentlich nicht gab, entdeckte.

Nach einer Weile erreichten wir ein goldenes Tor und ich sah etwas weiter einen goldenen Palast mit vier Türmen. Einer war genauso golden wie der Rest des Palastes. Der nächste war schneeweiß und der darauf war silbern. Der letzte war pechschwarz. Sie erinnerten mich an die vier Blumen im Pavillon.

„Was ist das für ein Ort?", fragte ich staunend.
„Das ist der Palast der Engel."
Ich blickte Sayuri überrascht an.
„Der Palast der Engel? DIE Engel? Die Töchter von Yin und Yang?"
Sie nickte.
„Ja, die Engel."
„Wollt Ihr damit sagen, dass Ihr ein Engel seid?"
„Oh, es tut mir leid. Ich dachte das wüsstest du schon. Ich bin Sayuri, Engel des Lebens."
Ich war beinahe sprachlos. Beinahe.
„Der...Oberengel?"
„So könnte man es auch ausdrücken. Ich bin die älteste Schwester."
„Ich...weiß nicht was ich sagen soll..."
„Du brauchst nichts zu sagen. Du bist hier, damit ich dir alles erklären kann."
„Mir was erklären?"
„Was mit deiner Mutter geschehen ist."

Ich war geschockt. Meine Mutter? Mein Traum hatte gestimmt und sie hatte meine Mutter gekannt?

„M-meine Mutter?", stammelte ich.
„Ja, deine Mutter. Du musst wissen, dass an diesem schicksalshaften Tag nicht nur du eine Mutter verlorst. Ich verlor eine Schwester."

Meine Gedanken wirbelten. Was? Eine Schwester? War sie meine Tante?

„M-meine Mutter war Eu-eure Schwester?", stotterte ich.
„Ja", lächelte sie traurig.
„Aiko, ich bin deine Tante."

Ich starrte sie einfach nur an. Es hatte mir nun endgültig die Sprache verschlagen. Meine Mutter war ein Engel?

„Das muss ziemlich überfordernd für dich sein", stellte meine Tante fest.
Ich nickte perplex.
„Komm mit."
Ich folgte ihr zu dem goldenen Palast.

Unterwegs glaubte ich ab und zu einen großen Vogel zu sehen, der uns folgte. Dieser verschwand allerdings jedes Mal wieder und ich beschloss es auf die aktuelle Situation zu schieben. Möglicherweise litt ich schon unter Verfolgungswahn.

Am Palast angekommen staunte ich noch mehr als zuvor.
Von nahem war er noch beeindruckender und schöner.

„Das ist mein Zuhause", erklärte Sayuri.
„Hier ist auch deine Mutter aufgewachsen."
„Meine Mutter ist in so einem riesigen Palast aufgewachsen...", staunte ich.

Auf einmal fiel mir der Boden auf, auf dem wir standen.
„Sind das Wolken?!"
Sayuri lächelte.
„In der tat. Du dachtest doch nicht wirklich, dass der Palast der Engel sich unentdeckt auf der Erde befindet oder?"
„Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht..."
Ich spielte verlegen mit einer Strähne meines Haares herum.
„Das ist okay. Du hast viel zu verarbeiten. Und jetzt komm, lass uns rein gehen."

Wir betraten die Eingangshalle und ich wäre fast gegen eine der goldenen Säulen gelaufen vor lauter umschauen.
Wie der ganze Palast war die Eingangshalle golden und ich fragte mich ob das alles echtes Gold war. Es standen einige, mit grünem Samt überzogene, Bänke herum. An den Wänden hingen Gemälde von Leuten, die ich nicht kannte, und es gab große Fenster, durch die der Raum viel heller und einladender wurde.

„Wer sind diese Leute?", fragte ich.
„Vor allem unsere Familie."
Ich entdeckte ein Gemälde von Sayuri.
„Vor allem?"
„Hier hängen nur Gemälde unserer Familie, doch in der Galerie hängen auch Gemälde der Göttinnen von Arkantos, der Götter von Asylos, der Herrscher von den fünf Reichen und noch viele andere."
„Ihr habt ein Gemälde meines Vaters?"
„Gewiss doch."
„Woher?"
„Aiko, wir sind die Engel der Geburt, des Schicksals und des Lebens. Ich sage dir, wir haben Informationen über einige Menschen, die sie selbst nicht haben."

„Gibt es keinen Engel des Todes? Der Tod ist doch auch ein Teil des Lebens."
Sayuri hatte wieder dieses traurige Lächeln auf den Lippen.
„Deine Mutter, Aiko..."
Meine Augen weiteten sich, als mir ein Licht aufging.
„Meine Mutter war der Engel des Todes? Aber...es sterben jeden Tag Menschen! Wie soll das gehen ohne Engel des Todes?"
„Solange du am Leben bist können die Boten des Todes die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits führen."
„Solange ich am Leben bin? Was soll das bedeuten?"
„Solange du lebst können die Boten des Todes existieren und ihre Arbeit verrichten."
„Das heißt..."

Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag.
„Ja, du bist der neue Engel des Todes."
Ich was sprachlos. Diesmal wirklich. Alles, was ich ich tun konnte, war die Brünette, vor mir, anzustarren.

„Na komm. Ich zeige dir die Galerie."

Immer noch ziemlich überfordert, folgte ich meiner Tante durch eine große Doppeltür in den nächsten Raum.

Die Galerie war riesig. Überall hingen Gemälde von vielen verschiedenen Leuten, sowie Bilder von Landschaften.
Der Engel des Lebens führte mich an vielen wunderschönen Bildern vorbei, wovon mir einige sogar bekannt waren.

Schließlich hielten wir vor einem Gemälde an und ich erschrak. Es war ein Bild von mir! Nein, nicht ganz. Das Gesicht sah etwas anders aus als meines. Unter dem Bild stand Ayame Kurayami, 403 - 2005.
Ich war geschockt.

„So sah meine Mutter doch gar nicht aus."
„Doch. Das tat sie."
„Aber auf allen Bildern, die ich von ihr gesehen habe, hatte sie hellblonde Haare und keine Hörner. Das einzige, was überein stimmt sind die lila Augen."

„Das war ihre Tarnung."
„Tarnung?"
„Alle Engel können sich tarnen, um auf der Erde nicht zu sehr aufzufallen."
„Das heißt...sie hat sich getarnt?"
„Ja."
„Warum wusste ich nichts davon?"
„Es war, um dich zu schützen. Die Anhänger meiner Eltern sind hinter unserer Familie her, weil wir uns im Krieg gegen sie gestellt haben."
„Eure Eltern?"
„Yin und Yang. Und du darfst mich duzen, Liebes."

Sie seufzte.
„Ich bin nur froh, dass Ayame in ihrer wahren Gestalt starb. Ansonsten wäre sie, im Jenseits, auf alle Zeit in ihrer Tarnung gefangen gewesen."

„Sie starb in ihrer wahren Gestalt? Aber in meinem Traum hatte sie das Aussehen, das ich kannte."
„Du warst noch nicht bereit, es zu erfahren."
„Also habe ich mein ganzes Leben lang gedacht ich sei mit einem Fluch belegt worden, obwohl ich dieses Aussehen von meiner Mutter geerbt habe?"
„Das stimmt wohl."

„Und was ist mit meiner dunklen Magie?"

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I'm back!
Ja, diese „kleine Auszeit" wurde etwas länger als ich eigentlich geplant hatte.
Es tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet. Ich weiß wie nervig das sein kann.
Aber ab jetzt kommt wieder jede Woche ein Kapitel (hoffe ich zumindest)!
Ich kann nicht sagen ob jeden Samstag eins kommt oder ob auch an anderen Tagen eins kommen könnte.
Ich gebe mir Mühe, versprochen!

Die falsche WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt