30. Die Macht des Schlafes - Hina

14 2 22
                                    

„Sie war eine Göttin?", fragte ich geschockt.
„Ja", bestätigte Taiyo.
„Das... habe ich nicht erwartet."
„Das ist verständlich."
„Aber warum bin ich so viel jünger als die anderen Enkel der Göttinnen? Euer Enkel hat eine Tochter in meinem Alter."
„Meine Schwester hatte große Schwierigkeiten, den richtigen Mann für sie zu finden. Sie hatte schon immer ziemlich große Schwierigkeiten, sich jemandem anzuvertrauen."
„Ich verstehe. Deshalb ist meine Mutter jünger und dadurch auch ich."
„Genau."

Ich schwieg in dem Versuch, das alles zu verarbeiten. Das war aber gar nicht so einfach.

„Ich wusste nicht, dass meine Mutter so viele Geheimnisse hat", murmelte ich schließlich. „Es fühlt sich an, als wäre die ganze Welt um mich herum auf den Kopf gestellt."

Taiyo nickte. „Das ist nur der Anfang. Es gibt noch viel mehr, was du über deine Familie und deine Herkunft lernen musst."

„Was meinst du damit?" fragte ich und sah ihn eindringlich an.

„Die Sterblichen finden immer mehr Möglichkeiten uns zu hintergehen. Die Macht der Göttinnen schwindet langsam und du bist ein Teil davon. Deine Rolle wird entscheidend sein."

„Meine Rolle? Was genau soll ich tun?"

„Das wirst du herausfinden müssen, aber du musst bereit sein, dich deinem Schicksal zu stellen."

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich hatte das Gefühl, dass sich mein Leben auf eine Weise ändern würde, die ich mir nie hätte vorstellen können.

„Liebes", ergriff Hikaru das Wort und flüsterte Taiyo etwas ins Ohr.
Diese nickte, schaute über ihre Schulter und sah mir anschließend tief in die Augen.
„Ihr müsst nun leider gehen."
„Werden wir uns wieder sehen?", fragte ich.
„Ja. Wenn du mich brauchst, wirst du die Tür zum Sonnenpalast finden können. Den Schlüssel hast du ja."
Ich betrachtete den Schlüssel in meiner Hand und nickte.
„Wie kommen wir zurück?"

Taiyo hob die Hand.
„Damit."
Ich drehte mich um und entdeckte eine Tür. Sie war aus dem Nichts aufgetaucht und schien nirgendwo hin zu führen.
„Viel Glück, Hina."
Das Ehepaar stand auf und entfernte sich.

Ichiro und ich standen ebenfalls auf und traten auf die Tür zu. Ich schaute zu ihm hinüber und er nickte.
Ich öffnete die Tür.

Dahinter kam unser Keller zum Vorschein. Genau die Stelle, an der die Tür zu diesem Gang gewesen war. Warum musste auf dem Hinweg ein Gang dazwischen gewesen sein, wenn es auch so ging? Ich verstand Magie wirklich nicht.

Wir betraten unseren Keller, woraufhin die Tür hinter uns verschwand und nichts, als eine Wand zurück ließ. Wirklich seltsam.

Wir begaben uns ins Wohnzimmer, wo Hayato auf uns wartete.
„Hat ja lange genug gedauert", sagte er.
„Entschuldige bitte", erwiderte ich.
Er zuckte mit den Schultern.

„Also", begann ich, „wir brauchen einen Plan."
„Ja", stimmte Hayato zu.
„Sammeln wir erstmal alle Informationen, die wir haben", schlug ich vor.
„Sie ist nicht im Schloss", sagte Ichiro.
„Und Ortungszauber funktionieren nicht", ergänzte Hayato.
„Sonst noch etwas?", fragte ich.
Wir überlegten angestrengt.
„Wissen wir überhaupt, ob sie entführt wurde oder nicht?", fragte Ichiro.
„Denkst du, sie wäre einfach grundlos und ohne etwas zu sagen abgehauen?"
Hayato klang angespannt.
„Was weiß ich? Ich kenne sie seit ein paar Tagen. Und vielleicht war es ja gar nicht grundlos."
„Aber dann hätte etwas gesagt!"
„Jungs!"
Die Augen der beiden richteten sich auf mich.
„Streiten bringt uns jetzt auch nicht weiter. Wir müssen Spuren oder so etwas in der Art suchen."
„Aber wenn man euch wieder im Schloss erwischt, haben wir noch ein Problem", warf der Gestaltwandler ein.
„Guter Punkt..."
Wir schwiegen eine Weile und überlegten.

„Was war eigentlich am Ende des Gangs?", fragte Hayato plötzlich.
Ichiro und ich wechselten einen Blick.
„Taiyos Palast", erklärte ich.
Hayatos Augen weiteten sich.
„Die Göttin der Sonne?"
„Ja", bestätigte ich.
„Was wollte die Göttin der Sonne von dir?"
Ich zögerte. Sollte ich es ihm erzählen? Schließlich kannte ich ihn kaum. Doch solche Sachen voreinander zu verstecken würde die Zusammenarbeit nur erschweren.

„Mir erzählen, wer meine Großmutter war", sagte ich schließlich.
„Eine Göttin holt dich zu ihr, um dir zu erzählen, wer deine Großmutter war?"
„Ja. Denn sie war kein normaler Mensch."
„Was dann? Bist du kein Mensch?"
„Anscheinend nicht."
„Wer war sie denn?"
„Taiyos Schwester. Kaguya."
Hayato fiel in ein geschocktes Schweigen.

Nach einigen Minuten fragte er: „Die Göttin des Mondes?"
Ich nickte.
„Du bist... Warum bist du nicht königlich?"
„Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß es nicht."
„Du wusstest das vorher nicht, richtig?"
„Ja."
„Warum haben deine Eltern es dir nicht erzählt?"
„Meinen Vater habe ich nie gekannt und meine Mutter wurde immer wütend, wenn ich nach meiner Großmutter gefragt habe."
„Oh..."
Ich zuckte mit den Schultern.
„Meine Mutter ist insgesamt eine sehr schwierige Person..."
Ichiro strich mir über den Rücken und ich lächelte ihn dankbar an.

„Zurück zum Plan", meinte ich.
Die anderen beiden stimmten zu und wir überlegten weiter.
„Hast du schon versucht ihrem Geruch zu folgen, wie du es bei uns gemacht hast?", fragte ich Hayato.
„Ja", erwiderte er. „Die Spur hat bei einer Wand aufgehört."
„Bei einer Wand?"
Er nickte.
„War da vielleicht ein Geheimgang oder so etwas in der Art?"
„Nein. Das habe ich kontrolliert. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt."
Das war äußerst seltsam. Sie konnte sich doch einfach in Luft aufgelöst haben.

Bevor wir weiter darüber nachdenken konnten, tauchte eine Wolke aus grünem Rauch auf und zum Vorschein kam Takumi.

Wir sprangen alarmiert auf. Wie hatte er unser Haus gefunden?
„Endlich. Endlich habe ich dein böses Geheimversteck gefunden."
Böses Geheimversteck? Auf so etwas konnte wirklich nur Takumi kommen. Es klang so absurd, dass ich fast gelacht hätte. Aber nur fast.

Ichiro stellte sich schützend vor mich und fixierte seinen Bruder - das klang meiner Meinung nach immer noch sehr komisch -.
Ich wollte aber nicht mehr beschützt werden. Die Göttin der Sonne hatte mir gerade erzählt, dass meine Großmutter ihre Schwester war. Ich war Hina Tsuki, Enkelin der Mondgöttin Kaguya, und ich war weder hilflos noch schwach. Ich besaß Magie und die würde ich einsetzen.
Ich schloss die Augen und fühlte in mich hinein. Da war etwas. Ich versuchte dieses etwas zu nutzen - was immer es war -.

Ich hörte einen dumpfen Aufprall und daraufhin zwei weitere. Als ich meine Augen öffnete lagen alle drei Männer - Ichiro, Hayato und Takumi - auf dem Boden und schliefen. War ich das gewesen? Ich wollte eigentlich nur gegen Takumi Magie einsetzen. Ups.

Ich hockte mich neben meinen Freund und versuchte ihn mit Magie wieder aufzuwecken. Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, wie ich die drei zum einschlafen gebracht hatte oder wie ich Ichiro und Hayato wieder aufwecken konnte.

Meine Versuche blieben erfolglos. Also tat ich das erste, was mir einfiel und verpasste Ichiro eine Backpfeife. Er schreckte hoch und schaute mich an.
„Au. Was sollte das denn?"
„Ich hab dich wohl aus Versehen zum einschlafen gebracht und musste dich irgendwie wieder aufwecken."
„Und deshalb musstest du mich schlagen?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Mir ist nichts anderes eingefallen. Komm. Wir müssen Hayato aufwecken."
„Ja. Und dann müssen wir hier weg."
„Warum?"
„Wenn der Idiot da uns gefunden hat, ist das Sonderkommando nicht weit, um mich zu verhaften."

____________________________________
Hab ich wirklich schon 30 Kapitel geschrieben?
Wow. Ich hätte nie gedacht, dass ich es so weit schaffen würde (und, dass ihr es so lange mit mir aushaltet 😅).
Danke nochmal vielmals für die Geduld und die Unterstützung 🤍
Ihr seid super!
Vielen lieben Dank 🫶🏻

PS: Tut mir leid, dass das Kapitel heute so spät kam. Ich hatte wieder eine Schreibblockade 🥲

Die falsche WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt