Kapitel 4

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Ice

Für einen Moment war ich davon überzeugt, sie würde versuchen, der Frau am Empfang einen Hinweis zu geben. Ihr zuflüstern, dass sie entführt wurde und Hilfe braucht. Ihr unsicherer Blick war immer wieder in meine Richtung gezuckt, als wollte sie sichergehen, dass ich nicht bemerken würde, wenn sie der Frau etwas zuraunt. Nur deswegen habe ich mich nahe an die Tür gestellt, damit sie gewarnt ist, denn ich hätte die Frau getötet. Ihr Leben hätte mir nichts bedeutet. Ich hätte nicht einmal darüber nachgedacht, wen sie hinterlassen hätte. Es wäre mir egal gewesen. Denn genau dafür wurde ich ausgebildet, zu tun, was nötig ist, um mich und meinen Auftrag zu schützen. Ich habe bisher nur ein einziges Mal nicht getan, was nötig war, als ich Raven am Leben gelassen habe.

»Es war gut, dass du es dir noch einmal überlegt hast«, sage ich und folge ihr zum Zimmer Nummer 14. Die Tür sieht so heruntergekommen und dreckig aus wie der Rest des Gebäudes. Wahrscheinlich sieht das Zimmer genauso aus, aber das macht mir nichts aus. Ich bin es gewohnt, im Dreck zu leben. Ich habe nie etwas anderes als das gehabt. Motels, Scheunen, den Waldboden. Je nach Auftrag musste ich mich manchmal mehrere Wochen an die Fährte eines Abtrünnigen hängen. Und viele von ihnen leben versteckt im Untergrund, in Höhlen, Zelten oder Abrisshäusern. Und wenn ich sie gejagt habe, war ich oft gezwungen, mich ihnen anzupassen, um herauszufinden, ob dort, wo sie herkommen, vielleicht noch mehr von ihnen leben.

Sie schaut über die Schulter zurück und zuckt nur mit den Achseln. »Soll ich dir danken, dass du sie nicht umgebracht hast?«, stößt sie düster aus und tritt zur Seite, damit ich die Tür aufschließen kann.

Ich lege grob eine Hand um ihren Nacken, drücke den Daumen gegen ihren Kiefer und sehe ihr fest in die traurigen Augen. »Du solltest mir danken, dass ich dich noch nicht umgebracht habe.« Langsam beuge ich mich zu ihr nach unten und vergrabe meine Nase in ihrem Haar. Es ist schwarz, aber nicht so schwarz wie meins. Eher eine Mischung aus Mitternachtsschwarz und dunkler Schokolade. Je nachdem, wie das Licht darauf scheint. Ich atme tief ein, laut genug, damit sie hört, was ich da tue, und kann ein Grinsen nicht unterdrücken, als sich ein Zittern durch ihren Körper arbeitet. Ich stelle mir vor, dieses Zittern wurde durch meine Nähe ausgelöst und nicht aufgrund ihrer Angst vor mir. Danach lasse ich sie so abrupt los, als hätte ich mich an ihr verbrannt, öffne die Tür und stoße sie grob in das Zimmer. Je mehr Zeit ich mit ihr verbringe, desto mehr spricht ihr Duft mich an. Es erregt mich, wie sie riecht. Es löst ein Zerren in mir aus, wie ich es noch bei keiner anderen Frau erlebt habe. Aber mit den meisten Frauen verbringe ich auch nicht so viel Zeit wie mit ihr. Weil es für jemanden wie mich keinen Grund dafür gibt. Ich nehme mir von einer Frau, was ich brauche, und vergesse sie danach. Mehr Zeit in eine Frau zu investieren macht für uns einfach keinen Sinn.

Noch bevor ich das Licht anschalte, verschließe ich die Tür wieder hinter mir. Das Zimmer ist definitiv so schäbig, wie ich gedacht habe. Im Raum stehen zwei einzelne Betten, auf denen hässliche kaffeebraune Tagesdecken liegen. Die moosgrüne Tapete an den Wänden war in den 70ern mal modern. Und so alt wie die Tapete ist auch der kleine Fernseher und die Kommode an der Wand.

»Nun mach schon«, dränge ich sie weiter in das Zimmer, als sie keine Anstalten macht, von der Tür wegzutreten.

Sie wendet sich abrupt zu mir um und sieht mich flehend an. »Wirklich, was auch immer mein Vater angestellt hat, ich kann nichts dafür. Lass mich gehen.«

Ich schüttle den Kopf und dränge sie mit meinem Körper so lange rückwärts, bis sie mit ihrem Hintern auf dem zweiten Bett landet. »Das geht nicht. Aber ich verspreche dir, wenn ich es könnte, dann würde ich es tun.« Ich lächle sie breit an und fühle mich erregt von der Hitze ihres Körpers, ihren weit aufgerissenen Augen und dem direkten Blick auf ihren Mund, den ich habe, wenn ich auf sie herabsehe. Sie spürt meinen Blick und leckt sich über die Lippen. Als sie bemerkt, was sie da tut, presst sie die Lippen fest aufeinander und wendet den Blick ab.

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