Epilog

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Ice

»Wie ich diese verdammte Höhle vermisst habe«, stößt Raven freudestrahlend aus und dreht sich mit ausgestreckten Armen im Kreis. »Ich wollte es nicht glauben, aber ihr hattet alle recht, die Winter sind echt scheiße im Reservat. Und ewig lang.« Sie läuft wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Höhle und lässt sich auf das Bett fallen, das noch unbezogen ist.

»Du versaust deinen Look«, keucht Nel erschrocken auf. Sie winkt ab und sieht zu Sam. »Warum rege ich mich eigentlich auf. Ich weiß doch, wie sie ist. Ich warte unten.« Nel deutet mit dem Zeigefinger auf Raven. »Wag es dir nicht, meine Arbeit zu zerstören.«

»Du warst ja gar nicht den ganzen Winter über hier«, wirft Sam ein und grinst mich dreckig an. »Die Hälfte der Zeit hast du dich mit Ice auf der Farm versteckt und dort ...«

Raven hebt einen Finger und deutet auf Sam. »Sag es nicht. Wehe du sprichst es aus. Du bist noch immer mein kleiner Bruder und ich will so was nicht aus deinem Mund hören.«

» ... die Laken zum Glühen gebracht«, helfe ich Sam aus und zwinkere Raven zu. Ich lehne im Eingang zur Höhle, die Hände in den Taschen vergraben und grinse zufrieden. Raven und ich haben es geschafft, die Farm und das Reservat zu unserem Zuhause zu machen. Wir verbringen unsere Zeit abwechselnd mal hier und mal da. Ich betrachte sie zufrieden und sie spürt sofort, als sich meine Stimmung ändert und Sehnsucht sich zwischen uns breitmacht. In ihren Blick tritt das gleiche Begehren, das auch ich empfinde.

»Ich hab dich lieber gemocht, als du noch zurückhaltender warst und zu allem und jedem Abstand gehalten hast. Du weißt schon, dieser mürrische Kerl, der mir eine Waffe an den Kopf gehalten hat.«

»Das ist nicht wahr«, sage ich. »Du liebst mich jetzt mehr, weil ich anschmiegsamer bin.« Ich löse mich von der Felswand, gehe zu ihr und ziehe sie in meine Arme um sie zu küssen. Seit unsere Seelen verschmolzen sind, fühle ich mich fast wieder so wie vor meiner Wandlung zum Alpha. Ravens innere Ruhe, ihre Liebe und ihr Vertrauen in mich helfen mir, die Kontrolle über meine eigenen Gefühle zu behalten. Ohne sie war jeder Tag meines Lebens ein Kampf. Aber mit ihr, bin ich mehr Ich als ich mir hätte je erträumen können.

Die gefühllose Kälte ist weg, die mich vor meiner Wandlung zum Alpha in ihrem Griff hatte. Aber auch das instinktgetriebene Chaos, das das Biest in mir hinterlassen hat, hat unsere Verschmelzung besiegt. Manchmal überwältigt mich noch immer Eifersucht, besonders, seit ich weiß, dass Eagle Raven einen Antrag gemacht hat. Aber dann suche ich Ravens Blick und sie fühlt sofort, dass ich sie brauche. Egal, was sie gerade tut, sie konzentriert sich auf unser Band und lässt Ruhe in mich hineintröpfeln wie warme Melasse. Sie erfüllt mich mit dem Wissen, wie sehr sie mich liebt und hilft mir, mich zu entspannen. Raven und unsere allgegenwärtige Verbindung sind meine Sicherheitsleine geworden. Sie hat den Alpha gebändigt und unterstützt mich und meine Entscheidungen. Sie hilft mir dabei, der Anführer zu sein, den die Grim Wolves brauchen. Und das, obwohl es ihr zu Beginn schwergefallen ist, auf die Farm zurückzukehren. Aber sie hat es für mich getan, wofür ich ihr dankbar bin. Und im Laufe der Monate, sind beide Welten zu einem Zuhause für uns geworden. Und beide Welten unterscheiden sich gar nicht mehr so sehr voneinander.

Sam schüttelt den Kopf. »Wartet wenigstens, bis ich die Höhle verlassen und meine eigene mit Nel bezogen habe.« Er verdreht die Augen und flüchtet regelrecht.

»Ich weiß gar nicht, wieso er wegläuft. Wir haben ohnehin keine Zeit für das, was dir eben durch den Kopf geht«, meint Raven und bewegt ihre Hüften gegen meine.

Ich ziehe sie noch fester gegen meinen Körper und drücke meine Erektion gegen ihren Bauch. »Dass du in mir lesen kannst wie in einem Buch, fühlt sich nicht immer gut an. Manchmal würde ich mir wünschen, du wüsstest nicht sofort, wenn ich daran denke, dich zu vernaschen.«

Raven wackelt mit den Augenbrauen. »Genau das liebe ich an dieser Seelenverbindung. Ich weiß jetzt genau, was in dir vorgeht und du weißt, was in mir vorgeht. Und mit dir zusammen zu sein, fühlt sich einfach ... es ist wie ein extrem heißer Trip.«

»Warum wollen wir diese Sache dann jetzt nicht gleich angehen?« Ich beiße ihr sanft in den Nacken und sie erschauert in meinen Armen, als ich ihr ein Bild von ihr auf den Knien vor mir sende. Ich zeige ihr, wie ich meine Zähne in ihren Nacken drücke, sie markiere, sie die Wunden durch ihre Wandlung heilt und ich sie gleich darauf noch einmal vernasche, nur um sie wieder markieren zu dürfen.

Raven stöhnt leise auf und drückt mir ihren Unterkörper entgegen. »Weil wir keine Zeit dafür haben. Dort unten warten zwei Rudel, die zusehen wollen, wie wir beide heiraten und aus beiden Rudeln eins machen.«

Ich verziehe missmutig das Gesicht. »Du hast wohl recht, diese Sache ist auch wichtig. Ich hätte doch fast vergessen, dass wir beide heute heiraten wollen.«

»Hast du nicht«, sagt sie und löst sich von mir. Sie fährt mit ihren Händen über die Federn und Perlen, die ihr Haar schmücken, das deutlich länger geworden ist als früher. Sie sieht aus wie eine Oglala. Ich kann kaum in Worte fassen, wie stolz ich auf diese Frau bin.

»Ich bin auch stolz auf dich«, gesteht sie mit einer Zärtlichkeit im Blick, die mir mein Herz bricht. »Jeder einzelne Wolf dort unten ist stolz auf das, was du geschaffen hast.«

»Ich habe nur geschafft, was mein Vater sich gewünscht hätte. Frieden. Nur so können wir überleben.«

»Nein, mein Sohn«, sagt White Horse, als er die Höhle betritt, auf dem Kopf den Schmuck eines Anführers der Oglalas. »Du hast dir ihren Respekt verdient. Du hast ihnen eine Zukunft geschenkt, Freiheit und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten möchten.«

Ich schüttle den Kopf. »Wir haben das alle zusammen geschafft.«

»Streiten wir uns nicht darüber, dort unten wartet so ziemlich jeder darauf, dass es endlich losgeht, bevor das halbe Bison am Drehspieß verbrannt ist.« White Horse wischt sich eine Träne aus den Augen und geht. »Wird es bald? Oder wollt ihr da noch ewig stehen? Bison!«

Ich sehe Raven an, ziehe sie an mich, hebe sie auf meine Arme und trage sie aus der Höhle. »Die Sommer in Pine Ridge, die Winter auf der Farm. Und mindestens fünf Welpen.«

»Nur fünf?«

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