Kapitel 5

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Ice 

Sie sitzt neben mir, den Blick stur aus dem Fenster gerichtet und spricht seit Stunden kein Wort. Wahrscheinlich würde ich mit mir auch kein Wort sprechen, wenn ich sie wäre. Oder ich würde mich ununterbrochen beleidigen, mir die Fresse polieren, um meine Freiheit kämpfen. Ich glaube, das Kämpfen hat sie schon aufgegeben. Und irgendwie stört mich das. Mich stört, dass sie nichts sagt. Mich stört, dass sie mich wahrscheinlich hasst. Und mich stört, dass sie sich so nah neben mir so gut anfühlt und ich das Verlangen nicht aus dem Kopf bekomme, meine Hand nach ihr auszustrecken und sie zu berühren. Aber was mich noch viel mehr stört, sind die lila Ringe, die die Fesseln um ihre Handgelenke herum hinterlassen haben. Das habe ich ihr angetan.

»Ich weiß, das klingt bestimmt hohl, aber es tut mir leid«, sage ich leise.

Sie atmet tief ein, leckt sich über ihre Unterlippe und sieht dann zu mir auf. »Dir tut es leid, dass du mit mir durch die Pampa fährst, mich fesselst, mich mit Gewalt gefangen hältst?«, will sie zynisch wissen. Sie zieht ihre volle rosa Unterlippe zwischen ihre Zähne und lässt sie wieder rausgleiten. Bei dem Anblick kann ich nur daran denken, dass ich es sein will, der auf diese Unterlippe beißt. Fuck, neben mir sitzt diese Frau und sie schafft es, mein inneres Monster zum Brüllen zu bringen. Für einen Augenblick bin ich so abgelenkt, dass ich das Lenkrad hart nach links reißen muss, um nicht gegen einen Baum zu fahren.

»Ja«, gebe ich zu. Meine Hand am Lenkrad zuckt, denn ich will sie zu gern berühren, über ihre verletzten Handgelenke streichen und ungeschehen machen, was ich angestellt habe. Aber ich habe keine Wahl.

Sie schnaubt. »Lass mich gehen«, fordert sie barsch.

»Das kann ich nicht.«

Sie dreht mir abrupt das Gesicht zu. »Warum? Ich verstehe es nicht.«

»Er lässt mir keine andere Wahl. Bei dieser Sache geht es nicht nur um dich und mich. Ich habe dich am Leben gelassen, reicht das nicht erstmal?«

Sie lacht dumpf auf und schüttelt den Kopf. »Ob das erstmal reicht? Ich weiß nicht, was reicht denn normalerweise, um eine Entführung zu entschuldigen?« Sie wirft mir wieder diesen trotzigen Blick zu, dem ich mich nicht entziehen kann, und der in mir das Verlangen wachruft, sie darüber zu belehren, dass sie sich mir und meinem Willen zu fügen hat. Ich will ihr sagen, dass ich hier bestimme, wo es langläuft. Will ihr deutlich klarmachen, wer hier die Macht hat. Und zugleich erregt es mich, ihren Trotz zu spüren. Zu fühlen, wie sie gegen mich ankämpft. Ich bin definitiv ein krankes Arschloch, aber das wusste ich schon vorher.

Ich fahre den Pick-up an den Straßenrand. Kilometer vor und hinter uns gibt es nichts weiter als Wälder und eine endlos lange gerade Straße. »Ich weiß es nicht, denn eigentlich entführe ich niemanden. Das Einzige, was ich je gelernt habe, ist zu jagen und zu töten. Und meine Familie zu beschützen. Bei dem Letzten habe ich versagt. Aber ich werde nicht dabei versagen, meinen Bruder zu retten.«

Ihre Augen weiten sich, dann senkt sie den Blick auf ihre Hände. Sie liegen in ihrem Schoß. Sie sitzt ungefesselt neben mir, weil ich zu geschockt von den Malen auf ihrer Haut war. »Ich bin nicht schuld an dem, was er dir angetan hat«, sagt sie kleinlaut und hebt mir ihre Hände entgegen. »Aber ich entschuldige mich für das, was mein Vater dir angetan hat. Es tut mir wirklich leid.«

»Ich weiß«, antworte ich und lenke das Auto wieder auf die Straße. Ich muss weiterfahren, denn länger in diese tieftraurigen, enttäuschten Augen zu sehen, würde mich dazu bringen, Dinge zu tun, die ich am Ende noch mehr bereuen würde.

Ich presse die Lippen aufeinander. »Erzähl mir was über dich.« Ich brauche es, dass sie mich von meinen Gedanken ablenkt, bevor ich dem Tier in mir nachgebe und einen Fehler begehe, der ihr am Ende doch noch das Leben kosten wird. Ich darf dem Begehren, sie ganz für mich zu behalten, nicht nachgeben. Ich will sie in meiner Nähe, solange es mir möglich ist. An dem Punkt, an dem es nur darum ging, sie für meine Rache oder als Köder zu benutzen, bin ich längst vorbei. Ich habe einen Punkt erreicht, an dem es um meinen eigenen Egoismus geht. Ich will sie nicht mehr gehen lassen. Aber ich muss, denn sie ist nur ein Mittel zum Zweck, das darf ich nicht vergessen.

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