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Gino
Ich kam mit meinem Jeep als letztes am Haus an. Gibby und Brix hatten ihre Autos bereits an der Straße geparkt. Leo fuhr mit Seren direkt Lucy und Freya nachhause, weshalb sie als einzige nicht hier waren. Alle anderen standen an den Autos oder irgendwo auf dem Weg Richtung Haustür, wo Macy sie scheinbar aufgehalten hat. Gibby hatte sie auf dem Arm und ließ sie schnell runter, als ich ausstieg.
„Daddy!" kreischte Macy und rannte auf mich zu.
„Hallo mein Kleine." ich hob sie hoch und drückte sie fest. Dafür dass ich sie die ersten zwei Jahre ihres Lebens fast gar nicht gesehen habe, fühl es mir umso schwerer sie jetzt für längere Zeit abzugeben. Auch wenn die Zeit allein auch gut tut, geht es mir besser, wenn ich weiß dass ich jeder Zeit bei ihr sein kann.
„Wo ist Onkel Sandro?"
„Der redet mit Grandma."
„Grandma ist hier?" alarmiert sah ich mich um, ob sie irgendwo zwischen meinen Freunden herum stand.
„Nein! Am Telefon." Macy lachte.
„Achso. Hast du heute noch gut geschlafen?"
„Ja. Onkel Sandro hat mir noch ein ganzes Buch vorgelesen."
„Oh wow." sagte ich und nahm Ajax eine der Taschen ab, die er auslud. Auch die anderen begannen damit ihr Zeug auszupacken und ins Wohnzimmer zu bringen, wo wir alles sortieren konnten. In jedem Auto lag etwas von jedem, weil wir nicht unbedingt Lust hatten alles vor Ort noch aufzuteilen. Außerdem bleibt einiges von den anderen auch hier, weil Ajax und ich Staudamm hatten im Gegensatz zu beispielsweise Romeo, der in einem winzigen Wohnheimzimmer wohnte. Gerade als Kenji die letzte Tasche drinnen ablegte, tauchte auch Sandro wieder auf und begrüßte die Runde.
„Wer ist das da in unserem Garten?" Ajax deutete durch die Fenster nach draußen. Quer durch den Garten lief eine Gestalt, die man von hier oben nicht gut sehen konnte.
„Mary. Meine Verlobte..." erklärte Sandro in einem Tonfall, als hätten wir alle vergessen dass es sie gab. „Sie telefoniert mit unserer Mutter."
„Warum?" fragte ich. Meine Mutter und Mary kamen zwar ganz gut miteinander aus, waren aber nicht in so engen Kontakt, dass sie einfach mal am Sonntag miteinander telefonierten. Vor allem weil sie sich eh fast täglich sahen.
„Irgendwas wegen dem Jubiläum. Mary kennt da diese Dekorationsfirma. Fragt mich nicht. Wie war euer Wochenende?"
„Für die einen sehr entspannt. Für die anderen vielleicht etwas... interessanter." Brix grinste mich an.
„Es war schön." sagte ich knapp, um dieses dämliche Grinsen zu beenden. Warum musste es auch unbedingt Brix gewesen sein, der mich und Nova gesehen hat. Warum nicht Romeo oder Kenji... jemand der ruhig war und nicht ständig irgendwelche dummen Anspielungen machen musste. „Ich habe Hunger. Du auch?" wandte ich mich an Macy, die ich immer noch im Arm trug. Sie nickte und ich ging mit ihr in die Küche, nicht nur um Brix Anspielungen aus dem Weg zu gehen, sondern auch Abstand zwischen mich und Nova zu bringen. Sobald mein Blick auf sie treffen würde, und das würde er innerhalb der nächsten Minuten, würde Brix wieder dumm grinsen. Ich setzte Macy auf der Kücheninsel ab und öffnete den Kühlschrank.
„Was hältst du von Saft?" fragte ich, weil nicht wirklich viel drin war.
„Das ist doch nichts zu Essen Daddy." Macy schaute mich vorwurfsvoll an.
„Dann könnte ich dir Brokkoli, Tomaten oder... Käse anbieten."
„Daddy!" quietschte Macy belustigt. „Ich habe eine Idee." flüsterte sie und winkte mich zu sich heran. „Ajax geheime Keksdose." ihre Augen wurden groß. Ich lächelte sie an und öffnete den oberen Schrank ganz Links. Darin stand eine rote Dose, die vielversprechend rumpelte, als ich sie neben Macy auf die Arbeitsplatte stellte. Ich öffnete sie und wir fanden einige Kekse vor. Macy stibitzte sich gleich einen. Ich holte und noch zwei weitere heraus und stellte die Dose schnell wieder an ihren Platz. Ajax war, wie die anderen auch, mit Sandro beschäftigt. Die Jungs laberten ihn immer mit sämtlichen Kram voll, wenn er hier war und er tat, höflich wie er nun mal war, so als würde es ihn interessieren. Nur Nova schien an dem ganzen nicht so viel Spaß zu haben und stand etwas abseits und beobachte die Gruppe nur. Ich erlaubte mir einen kleinen Blick auf sie zu werfen. Sie trug eine blaue Jeans und ein rot gelb gestreiftes Langarmshirt, was ihre Figur perfekt betonte. Ihre langen orangefarbenen Haare fielen in Wellen über ihren Rücken. Sie wandte ihren Kopf in meine Richtung und ich sah schnell weg. Tat so als würde ich mich mit Macy beschäftigen, die an ihrem Keks herum knabberte. Ich habe sie in der Nacht geküsst. Und ich wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Es war nicht das was ich erwartet habe. Und gleichzeitig genau das. Es war schön und ich würde es sofort wiederholen, nur wusste ich einfach nicht was das zwischen uns jetzt war. Sollte ich sie ansprechen, es ignorieren, was zur Hölle wollte sie?
„Willst du auch einen Keks?" fragte Macy und holte mich ins hier und jetzt zurück. Nur hatte sie nicht mich gefragt... sondern Nova, die plötzlich vor uns an der anderen Seite der Kücheninsel stand. „Die sind aus Ajax geheimen Vorrat." Macy legte einen Finger auf ihren Mund.
„Du kannst die Kekse ruhig essen." Nova lächelte sie an. „Gino..."
„Mhm..." machte ich leise und sah sie an.
„Wir sollten reden oder nicht?"
„Sollten wir." raunte ich. Ich konnte ihr ansehen, dass sie genauso hin und her gerissen war wie ich. Super. Erwartungsvoll sah ich sie an. Bitte fang an... ich kann sowas nicht.
„Jetzt?" sie sah auf Macy, sah hinter sich auf die Jungs.
„Heute werden wir keinen besseren Zeitpunkt finden. In einer Stunde tanzen hier die Leuchte an zum... Grillabend."
„Heute?"
„Ajax hat zugesagt, ohne auf das Datum zu achten." erklärte ich. Mir gefiel die Vorstellung auch noch nicht ganz, dass wir gerade erst zurück waren und mein Haus den ganzen Abend voller Sport Studenten sein würde...
„Oh..." flüsterte sie und sah auf ihre Finger hinunter, die wieder gewonnen, die Haut um ihre Nägel herum zu beschädigen. Intuitiv griff ich danach, um sie zu stoppen. Im nächsten Moment landeten Macys kleine Hände auf meinen und sie grinste Nova und mich an. Schmunzelt zog ich sie von der Kücheninsel und setzte sie auf dem Boden ab. Als ich wieder aufsah und Novas Blick begegnete lächelte sie angespannt.
„Können wir... raus gehen?" sie deutete auf die Jungs, die wenige Meter hinter ihr laut lachten.
„Jap." ich öffnete die Tür zur Veranda und entdeckte Mary, die immer noch im Garten auf und ab lief. Nova lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer und atmete tief durch.
„Der Kuss gestern... heute Nacht." korrigierte sie sich selbst. Ich hatte gehofft, dass noch mehr kommt, aber das tat es nicht. Sie blieb still. Es sah so aus, als würde sie fieberhaft überlegen, was sie sagen könnte, doch fand nichts. Die Stille breitete sich aus, wurde länger und länger. Bis ich es nicht mehr aushielt.
„Tut mir leid. Ich wollte nicht dass es so weird zwischen uns ist. Wenn du willst vergessen wir das. Oder ich tue zumindest so, als hätte ich es vergessen und..."
„Gino."
„...wir gehen einfach zurück zum vorher und lassen dieses Dumme rum gestotterte mit dem wir uns beide dumm fühlen."
„Gino."
„Es ist nur... irgendwie dachte ich du würdest auch... also... dass du das auch wolltest... und... keine Ahnung... es kommt nicht nochmal vor und..."
Nova zog mich an sie heran und küsste mich. Zwar nur kurz, aber das reichte schon um meinen Kopf leer zu fegen.
„Kannst du für 1 Minute mal kurz deine Klappe halten?" sie sah mich an. Ihr Gesicht war mir immer noch viel zu nah. Ich sah die kleinen grauen Sprenkel in ihren grünen Augen. Konnte die Sommersprossen auf ihrer Nase zählen. „Gino?"
„Ja." ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Augen.
„Ich wollte dich küssen." ihre Worte gaben mir einer Seite ein gutes Gefühl, weil ich mich nicht geirrt hatte, anderer Seite gab mir die Vergangenheitsform auch einen Stoß vor die Brust. „Ich will dich küssen!" sagte sie und gab mir ein blendendes Gefühl. „Aber?"
„Es hat einen Grund, weshalb ich mich die letzten Jahre nicht nach so etwas umgesehen habe. Ich will keine..." sie stockte und wandte den Blick ab. „Die Sache mit meinem Dad und meiner Mum... mit Danny... das ist alles immer noch sehr präsent, wie du vielleicht mitbekommen hast... neben dem ganzen und dem Studium... ich würde gerne... aber..."
„Ich verstehe es." sagte ich und schob mich wieder in ihre Blickfeld. „Was hältst du davon, wenn wir es einfach so weiter laufen lassen? Ich bin sowieso nicht gut in Beziehungskram... die letzte ist darin geendet, dass ich jetzt alleinerziehender Vater bin."
Nova lächelte schwach.
„Wir müssen das hier nicht labeln." sagte ich. „Ich bin gerne in deiner Nähe und wäre das auch gerne weiterhin." ich stich vorsichtig eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und wartete auf eine Reaktion von ihr.
„Keine Verpflichtungen?"
Ich schüttelte grinsend den Kopf.
„Okay." sie legte vorsichtig ihre Hände an mein Gesicht und lächelte, bevor sie ihre Lippen auf meine senkte. Ich griff um ihre Taille und zog mich enger an sie. Ihre Lippen waren weich und ergänzten sich perfekt mit meinen.
Ich vernahm ein räuspern irgendwo hinter mir, ignorierte es aber. Wer auch immer es war, konnte warten. Das Geräusch der sich zu öffnenden Tür ertönte und es wurden mehr stimmen.
„Oh!"
„Ehm Leute."
„Ich wusste es."
Ich löste mich von Nova. Sie sah an mir vorbei und biss sich auf die Lippen.
„Sie sehen uns alle an oder?"
„Ja!" bestätigte sie meine Vermutung.
„Dann bleiben wir einfach noch etwas hier." ich stützte meine Hände rechts und links von ihr am Geländer ab. Ich genoss es ihr so nah sein zu können und dabei ein Lächeln auf ihren Lippen zu sehen. Es ist lange her, dass jemand dieses Gefühl in mir geweckt hat. Vielleicht auch, weil ich es einfach nicht zugelassen habe. Ich habe gar nicht erst eine Frau so nah an mich heran gelassen, die mich so fühlen lassen könnte. Ich habe immer nur mit den Frauen geschlafen, bei denen ich wusste, dass es nur für eine Nacht sein würde. Das Studium und Macy gleichzeitig zu Stämmen war anstrengend genug. Ich bräuchte keine Beziehung, bei der ich mich in den freien Stunden dazwischen zu irgendwelchen Dates schleppen müsste und am Ende an den Kopf geworfen bekomme, dass ich zu wenig Zeit hätte. Macy hatte meine Aufmerksamkeit verdient und würde immer an erster Stelle stehen.
„Wann kommen denn die anderen Leute?"
„Bald."
„Dann sollte ich vielleicht langsam mein Zeug zusammen suchen und fahren."
„Du kannst auch hier bleiben." raunte ich.
„Nein. Bayda telefoniert fast jeden Sonntag Abend mit ihrer Familie in Brasilien und muss nachhause."
„Du kannst auch ohne Bayda hier bleiben."
„Ich weiß. Aber wenn Bayda fährt, fahre ich gleich mit. Außerdem muss ich noch einige Sachen für meine Kurse morgen vorbereiten und aufräumen. Außerdem wäre Torry nicht sehr froh darüber, wenn ich Sonntagnacht mit meinen Taschen ins Zimmer stolpere und sie wecke."
„Kommst du morgen wieder in die Mensa?"
„Was... willst du mir etwa einen Platz frei halten?" sie grinste.
„Ich will vor allem deinen Milchreis."
„Daddy?"
Ich fuhr herum. Macy stand in der Tür und sah mich mit ihren großen braunen Augen an.
„Ja?"
„Kann ich heute ein Käsebrot zum Abendessen haben?"
„Du willst Brot essen?" fragte Ich perplex und sie nickte heftig. „Natürlich kriegst du ein Käsebrot." ich hatte gedacht, sie würde wieder rein gehen, weil es eigentlich noch etwas zu früh war für ihr Abendessen, aber sie blieb stehen und sah mich auffordernd an. „Jetzt?"
„Ja!"
Ich warf Nova einen entschuldigenden Blick zu, doch sie lächelte nur und folgte Macy und mir hinein. Ich gab zwei kleine Scheiben Brot auf einen Teller, belegte es mit Käse und schnitt noch etwas Gemüse, was für noch im Kühlschrank liegen hatten und brachte es Macy, die bereits auf der Couch saß und irgendeine Kinderserie ansah.
„Hier." ich stellte den Teller neben sie auf die Couch und gab ihr ihre nachgefüllte Wasserflasche.
„Seit wann ist sie wieder Brot?" fragte ich meinen Bruder, als ich mich zu der Gruppe dazu stellte. Sandro stand mit Mary, Gibby, Romeo und Nathan zusammen, während die anderen ihr Zeug sortierten.
„Seitdem unsere Mum ihr als Alternative Gemüsebrühe gegeben hat." erklärte Sandro stolz, weil er innerhalb eines Wochenendes das Problem lösen konnte, welches ich schon deutlich länger mit mir rum schleppte.
„Und seit wann hast du eine Frau an deiner Seite?"
„Sag es nicht Mum. Sie würde durch drehen und mir einen Vortrag halten."
„Was den Vortrag über Verhütung? Zu spät würde ich sagen."
Ich boxte Sandro in die Seite. „Nein du Idiot. Weil ich ihre ganzen Angebote abgelehnt habe, bei denen sie mir Dates mit tollen erfolgreichen Frauen andrehen wollte und ich ihr jedes Mal gesagt habe das interessiert mich nicht."
„Ich werde schweigen wie ein Grab. Zumindest solange ich merke, dass es nicht so ein kompletter Reinfall wird wie Nilla..."

That goddamn smile Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt