Kapitel Zwölf

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Paff, Paff, Paff...

Funken, orange und gleißend, regneten auf die Wasseroberfläche nieder und ertranken im Spiegelbild des Sonnenuntergangs. Lila, rot, blau – alle Farben zierten den leeren Horizont, der in der Ferne mit dem Meer verschmolz. Möwen kreisten über dem Wasser. Er schnipste seine Hand in die Luft und neue Funken lösten sich von seinen Fingern, rieselten ins klare Wasser.

Paff, Paff, Paff...

Die See, sanft und liebevoll, langte nach Luciels Beinen wieder und wieder mit ihren warmen Armen, wollte ihn zurück zu ihr locken. Sand klebte an seiner feuchten Haut, die nur schwer in der Abendsonne trocknete. Wenn er nach Süden schwamm, wie lange wohl würde es dauern, bis Land ihn begrüßte? Wäre es ein gänzlich neuer Kontinent oder doch nur das katenische Serin?

Paff, Paff, Paff...

Seine eigenen Haare, nass und kalt, fielen in die Augen, als er sich endlich aufrichtete. Er hatte das Abendessen verpasst, musste wohl langsam zurückkehren, wenn ihn keine Wachen abholen sollten. Der Wind nahm zu und Luciel stand auf. Grob klopfte er den Sand von sich und verließ die Bucht über einen steilen Steinpfad. Den Weg zu diesem Strand hatte er aus reinem Zufall im Garten hinter der Sternenhalle gefunden. Der Pfad war überwuchert gewesen, gewiss, voller Dornen und tiefhängender Äste, doch hatte die Neugierde Luciel vorangetrieben, nur um ihn mit diesem Goldstück zu belohnen. Seine innere Karte von Aurin füllte sich immer weiter.

Die Sternenhalle war in einem Quadrat angelegt. Vom Hintergarten aus erreichte er über die Küche den Innenhof. Die späte Stunde war bereits angebrochen, bis auf ein Windspiel konnte man nicht viel vernehmen. Lichter schienen durch geöffnete Fenster in Hapis Gemächer. Normalerweise wäre er weiter seines Weges gezogen, doch ließ ihn die Szene jenseits des Fensters innehalten.

„Ziehe ich zu fest?"

Vina saß auf dem Boden in ihrem Schlafgewand und beobachte im Spiegel, wie Hapi hinter ihr kniete. Sorgfältig kämmte er ihr langes Haar.

„Nicht doch", entgegnete sie.

„Verhält sich Luciel dir gegenüber angemessen?"

Sein schlechtes Gewissen verbiss sich in seiner Brust. Angemessen behandelte er sie sicherlich – für eine Fremde. Luciel wollte nicht lauschen, wirklich nicht! Doch kaum war sein Name gefallen, erwischte er sich dabei, wie er hinter einen Baum verschwand, um nicht von den Geschwistern entdeckt zu werden. Er musste einfach wissen, worüber sie hinter verschlossenen Türen sprachen!

„Du bist derjenige, der sich nicht angemessen verhält."

Hapis Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck, der wahrscheinlich Sorge ausdrücken sollte. Luciel konnte es nicht zuordnen. Er hatte den Inselmeister noch nie so hingabevoll und sanft erlebt. Als würde eine zu grobe Berührung ihr Haar zum Brechen bringen, kämmte er die Strähnen hingabevoll. Seine so unschuldig erscheinenden Züge stimmten nun auch endlich mit seinem Verhalten überein.

„Vina, wovon sprichst du?"

Sie drehte sich zu ihm, "Die Wachen? Es sind nur Illusionen! Yao hat mir davon berichte. Denkst du, es wäre amüsant den Prinzen mit einfachen Phantomen zu jagen?"

Illusionen? Die Wachen waren lediglich Hapis Kräften entsprungene Marionetten, mit denen er Luciel allmählich in den Wahnsinn treiben wollte? Eben die Wachen, die er überall auf Aurin gesehen hatte? Die ihm Stunden an Schlaf geraubt hatten? Diese Erkenntnis erreichte ihn nicht als Überraschung, sicherlich, doch schürte es seine Abscheu Hapi gegenüber nur noch mehr. Er holte tief Luft, lehnte sich ein Stück hinter dem Baum hervor, um die beiden besser zu erkennen.

Götterparabeln I: HimmelserklimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt