Kapitel Zweiunddreißig

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Ein angetrunkener Prinz, zwei abtrünnige Generäle und ein bewusstloser Minister, gefesselt und geknebelt. Das war es, was Hapi im Studierzimmer des ältesten der drei vorfand. Ein Trauerspiel. Wirklich.

„Bei Abryss, er ist nicht tot, oder?", begrüßte ihn Deimos mit weiten Augen und wand sich seinem Zwilling zu, "Ich habe doch gesagt, du sollst nicht zu fest zuschlagen!"

„Ich habe ihn nicht geschlagen. Er ist einfach ohnmächtig geworden", zischte Phobos und band den Mann an einen Stuhl.

Die unnachgiebige Brandung, schliff Felsen und Land nach ihrem Belieben in Harmonie mit einer lauen Sommernacht; idyllisch, ruhig, friedlich, doch das lodernde Feuer allgegenwärtig – hinter dem Horizont lungernd. Im Gegensatz zu Vina fand Hapi keine Herausforderung daran, die Zwillinge auseinanderzuhalten. Auch wenn sie nahezu identisch aussahen, sangen ihre Seele in zwei verschiedenen Tönen. Sie würde ihre Lieder bald wieder vernehmen können. Wenn sein Plan gelang.

„Wir können dich ihn nicht mitnehmen lassen", murmelte Luciel.

Schlaff lehnte er gegen den Kamin. Die Silben kamen ihm nur mit Mühe über die Lippen, die Wangen gerötet vom Alkohol und mit einem neugewonnenen Mut blickte er geradeaus – direkt auf Hapi. Das glaubte der Prinz zumindest, denn in Wirklichkeit stand der Tod direkt neben ihm.

„Vielleicht bin ich auch für einen von euch hier."

Nicht nur der Gestank des Todes hatte ihn gerufen, sondern auch der liebliche Duft einer Lüge, eines dunklen Geheimnisses. Jene Art, die Leben kostete, Reiche zu Fall brachte, Köpfe rollen ließ.

Deimos lachte gezwungen, "Eure Heiligkeit scherzt doch sicherlich...oder?"

„Ich bin zu alt für Scherze."

Die Farbe wich Deimos' Gesicht, zerrann und sammelte sich mit den Schatten auf dem Boden. Sie fürchteten ihn, verabscheuten ihn. Menschen sahen sein Antlitz in Albträumen und grauten sich vor dem Tag der letzten Begegnung mit ihm. Und wenn der Tag gekommen war, dann half weder Flehen noch Handeln. Sie versuchten es immer wieder.

Weltliche Schätze, lebenslange Dienerschaft, ja selbst Eltern hatten ihm das Leben ihrer Kinder angeboten im Gegenzug für ein paar weitere Jahre.

Hapi hatte nie nachgegeben, doch war sein Hass stetig gewachsen.

Gier war eine Krankheit, tödlich für das zarte Wesen der Menschen.

„Glaubt ihm kein Wort! Er verdreht Lügen und Wahrheiten mit jedem Atemzug", rief Luciel und packte sich an den Kopf, "Ah, der Tod atmet wohl nicht."

Nein, das tat Hapi nicht. Er nahm Leben. Und Luciel war es nie aufgefallen. Die kalten Hände, die leblosen Körper.

„Was ist mit ihm?", fragte der Todesgott.

Luciel hatte die Augen fest zugepresst, schwankte umher wie die Kerzenlichter um ihn herum. Der Geruch des Alkohols strömte durch jede seiner Poren und Hapi wunderte sich, ob die Zwillinge es nicht riechen konnten oder nur sagenhafte Schauspieler waren. Mit einem Mal schmiss er sich zu Boden und übergab sich in den Kamin.

Es war die erbärmlichste Entführung, die Hapi jemals bezeugt hatte.

Das Königreich der Zephyren war dem Untergang geweiht, sobald einer dieser Katastrophen von Prinzen den Thron erklomm.

„Luciel kennt seine Grenzen nicht."

„Wie überraschend", entgegnete Hapi und nickte zum Gefangenen, "Und was soll mit ihm geschehen?"

Mit schweren Schritten durchquerte er den Raum und hievte Luciel auf die Beine, bevor er seinen Magen ein weiteres Mal entleeren konnte. Grob schnippte er gegen die Stirn des Prinzen. Unelegant taumelte er gegen die Wand, hielt sich unbeholfen aufrecht. Er blinzelte einige Male verwirrt, augenblicklich löste sich der Nebel in seinem Kopf, sein Blick fokussierte sich wieder und ein normaler Farbton kehrte in seine Haut zurück.

Götterparabeln I: HimmelserklimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt