Kapitel Elf

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„Herzlichen Glückwunsch, Luciel. Aber ich hatte sowieso keine Zweifel bezüglich deiner Leistung." Hapis Blick war auf das Ziel gerichtet. Der Pfeil flog und brach durch die Mitte der hölzernen Zielscheibe am anderen Ende der Wiese. Ein Diener wedelte mit einer roten Fahne und verkündete den Treffer, "Sollen wir gegeneinander antreten? Mich hat soeben der Eifer gepackt."

Die leichte Stimmung der Jagdgesellschaft erreichte Luciels Ohren. Sie alle waren im Hauptzelt versammelt, genossen die Speisen und Getränke. Nur Hapi schoss allein für sich auf der Wiese hinter den Zelten. Ein Sieg über ihn würde Luciel wohl ausreichend Genugtuung liefern, um die nächsten Tage zu verkraften.

„Gerne", antwortete er nur halb gelogen und konnte sein schweres Schnauben nicht unterdrücken, als er den Köcher von seiner Schulter gleiten ließ und dabei versehentlich über seine Wunde streifte.

„Hapi, du wirst verlangt."

Vina kam auf die beiden zu. In der Hand hielt sie Blumen, die sie auf den Feldern gepflückt haben musste. Einige Gänseblümchen waren sorgsam in ihre Längen eingeflochten und auch in Hapis Haaren fand Luciel sie vereinzelt wieder. Anscheinend hatte sie die Zeit während der Jagd ebenfalls genutzt.

„Entschuldige mich für einen Moment."

Mit diesen Worten verschwand Hapi in Richtung der Zelte und ließ Luciel mit Vina zurück. Nicht vieles fürchtete er mehr. Sie waren oft zu zweit, sicherlich, aber das war nachts oder beim Essen. Entweder schliefen sie also oder sie aßen unter dem dichten Mantel der Stille. Luciel war noch nie der beste Konversationspartner gewesen, so viel musste er zugeben, doch in Vinas Gesellschaft traute sich selten von selbst etwas über seine Lippen. Sie behandelte ihn besser als er sich jemals hätte ausmalen können: Beim Essen beachtete sie stets seine Vorlieben, wärmte seine Seite des Bettes abends mit einem Ofen und Luciel durfte sogar so lange schlafen, wie ihm beliebte. Warum also fiel es ihm so schwer? War es, weil er Aurin sowieso bald verlassen würde?

„Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Jagd." Luciel zuckte zusammen, kaum hatte sie das Wort an ihn gerichtet, "Aber wenn man deinem Ruf Glauben schenken mag, dann braucht man auch nicht weniger zu erwarten."

Hatte Hapi gerade eben nicht genau das gleiche zu ihm gesagt? Unbehagen erschütterte ihn, doch lächelte er darüber hinweg. Wie sollte er sich auch auf Vina einlassen, wenn sie ihn stetig an Hapi erinnerte? Ironischerweise waren das exakt zwei Menschen, die er, sofern es seine eigenen Empfindungen betraf, ganz weit trennen wollte. Ihr Blick wich über ihn und blieb an seinem Arm hängen.

„Du bist verletzt."

Ihre Augen trafen ihm mit Sorge. Sie wollte nach dem improvisierten Verband greifen, die Wunde inspizieren, ihn wahrscheinlich ohne Umwege zur Heilerin bringen, doch zog Luciel seinen Arm weg. Etwas zu grob noch dazu. Mit der Hand schlug er versehentlich ihren mühsam zusammengestellten Blumenstrauß zu Boden.

„Mir geht es gut...", murmelte er und beobachtete mit Reue die bunten Blüten, die sich auf dem Boden verteilt hatten.

Er wollte sich bücken, doch war Vina schneller.

„Ich war etwas übereifrig, verzeih."

Sich hockte sich nach unten und sammelte die Blumen wieder auf. Luciel wusste, dass er derjenige war, der eine Entschuldigung schuldete, doch bevor er dazu kommen konnte, erschien Hapi wieder zwischen den Zelten und kehrte zurück zum provisorischen Schießplatz.

„Möchtest du mitmachen?", fragte er in Vinas Richtung, doch schüttelte diese nur mit dem Kopf.

„Ich werde heute nur zuschauen, denke ich."

Götterparabeln I: HimmelserklimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt