Kapitel Neunzehn

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Das Meer, ruhig und warm, plätscherte gegen das schwimmende Holz. Mit jedem Schwung, geboren aus kräftigen Schultern, preschte das Ruderboot voran durch den Abend. Sie kamen mit dem Sonnenuntergang – geschützt von der einbrechenden Dunkelheit. Dea wachte über die beiden Männer. Die Nacht war nicht umsonst Schutzpatronin von Dieben und Liebenden gleichermaßen. Zu welcher Kategorie sie zählten... Er hielt inne, wischte sich den Schweiß von der Stirn und die blasphemischen Gedanken aus dem Kopf, ließ die gleißenden Arme kreisen, während das Boot von den Wellen gehalten wurde. Wie eine Mutter ihr Kind wog...Oder Kinder in ihrem Fall.

„Gedenkst du mir nicht zu helfen?"

Prinz Deimos Malakai von Zephyr musterte sein Gegenüber. Die Augen geschlossen, den Oberkörper in die Meerbrise gelehnt und den Eindruck versprühend, dass nicht eine Sorge dieser Welt seine Ruhe stören konnte. Wie sehr er dieses Gesicht verabscheute. Deimos trat gegen sein Knie und wiederholte die Frage mit mehr Biss in der Stimme.

„Womit?"

Phobos öffnete die Augen. In den letzten Sonnenstrahlen des Tages funkelte seine Haut beinahe golden. Ungestört von der Bemerkung (und dem Angriff) seines Bruders, langte er mit den Fingern ins klare Meerwasser und genoss die Wärme. Silberne Fische neckten seine Hand in Begrüßung. Aurin hatte er sich wohl anders vorgestellt. Kälter. Lebensfeindlicher. Die warmen Gewässer waren gewiss etwas, was er den kalten Bergen Zephyrs vorzog.

„Mit dem Rudern", entgegnete Deimos und setzte das Paddeln dennoch fort. Auch ihm war bewusst, dass diese Diskussion (wie so viele andere) ins Nicht auslaufen würde. Lieber weiterpaddeln, damit sie Aurin nicht erst bei Sonnenaufgang erreichten.

Phobos ließ sich über die Spitze des Bootes hängen, seine dunklen Strähnen trafen auf die Wasseroberfläche. Er blinzelte sein Spiegelbild schelmisch an und Deimos wusste bereits, was als nächstes kam.

„Du bist der jüngere von uns beiden. Diese Erfahrung wird deinen Lebensweg prägen, Soldat."

Der Strand kam immer näher. Bald hatten sie Aurin erreicht. Deimos sah an sich hinunter, vergewisserte sich, sein Schwert auch wirklich mitgenommen zu haben.

„Zwei Minuten. Du bist nur zwei Minuten älter als ich."

Phobos schnaubte amüsiert und bewunderte die Wolken; rosa und flauschig, "Ich rudere auf dem Rückweg."

Es war still. Weder patrouillierende Wachen waren ihnen begegnet noch andere Boote. Entweder hatte ihr Plan funktioniert und die Aurinen verfolgten das Boot mit den Lockvögeln, welches zeitgleich mit ihnen aufgebrochen war oder man hatte sie noch nicht entdeckt. Die falschen Eindringlinge sollten ihnen Zeit verschaffen und davon ablenken, dass die Zwillinge die Insel von Süden aus infiltrierten.

Nicht die eleganteste Lösung, das mussten sie zugeben, aber Aurin war nicht dafür bekannt, besonders einfach betretbar zu sein. Da kamen selbst zephyrische Generäle wie sie es waren ins Straucheln.

Ein Feuerball zischte durch die Luft.

„Lass die armen Tiere leben, du Monster", keifte Deimos.

Phobos starrte nach oben. Eine Gruppe von Vögeln kreiste über ihren Köpfen. Sie verpufften, als der älteste Prinz Flammen auf sie schoss. Asche schneite auf das Schiffchen hinunter.

„Krähen sind die Augen des Todesgottes. Wir brauchen keine bösen Omen auf unserer Mission...", sprach Phobos und pustete Ascheflocken von seinem Hemd, "Außerdem gefiel mir nicht, wie sie uns beobachteten."

Sein Bruder prustete, "Seit wann bist du derart abergläubisch?"

-

Noch nie hatten ihn seine Beine so schnell zum Strand getragen wie an diesem Abend. Durch Wald und Dreck, über Stöcker und Kiesel war er über die Insel gehastet. Eine Staubwolke schien ihm zu folgen, derart eilig hatte er es. Hätte jemand seinen Weg gekreuzt, wäre nicht mehr als ein Schatten an ihnen vorbeigehuscht, so preschte er voran. Wind und Wetter, ja nicht einmal die Götter hätten ihn noch aufhalten können. Er wäre einfach durch sie hindurchgerannt. Sein Puls jagte ihm hinterher, die Anstrengung hatte ein Loch in seine Brust gerissen und doch war alles wieder vergessen, als er in die feste Umarmung seiner Brüder gerissen wurde. Erst dort, in der Geborgenheit seiner engsten Familie, kam sein Atem wieder zu ihm zurück. Er hatte sie so sehr vermisst, sich nach ihnen gesehnt!

Götterparabeln I: HimmelserklimmerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt