Tag der Offenen Tür

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Es ist ein trüber Herbstmorgen, als Toni, eine zierliche 13-jährige Schülerin mit schulterlangem, dünnem blonden Haar, vorsichtig über das Gelände der Rettungswache Köln Mülheim läuft. Ihre blaue Baggy Jeans raschelt leise im Wind, und ihr bauchfreies enges Oberteil gibt den Blick auf ihre schmale Taille frei. Toni fühlt sich unbehaglich, doch sie zwingt sich dazu, den Tag der offenen Tür zu besuchen. Sie hat eine leichte Abneigung gegen alles, was mit Medizin zu tun hat – vor allem, weil sie es seit ihrer Kindheit mit schmerzhaften Erinnerungen verbindet. Heute ist das nicht anders. Ihr linkes Auge ist noch immer von einem frischen, blauen Hämatom umrahmt.

"Rettungswache Köln Mülheim" steht in großen Buchstaben über dem Eingang der Wache. Rundherum herrscht reges Treiben. Menschen in rot-neon-gelber Einsatzkleidung, die teilweise den Schriftzug „Notarzt“ oder „Rettungssanitäter“ auf ihren Jacken tragen, bewegen sich zwischen den Besuchern, die fasziniert die ausgestellten Einsatzfahrzeuge bestaunen.

Toni bleibt stehen und beobachtet die Szenerie. Ein leises Unbehagen kriecht ihren Rücken hinauf, als sie das Treiben vor sich sieht. Sie drückt ihre schmale Silberkette zwischen den Fingern und versucht, ihre Nervosität zu unterdrücken.

Gerade als sie sich entscheidet, umzukehren, nähert sich ihr ein junger Mann mit braunen Locken. Er trägt die typische Notarzt-Jacke und ein freundliches Lächeln auf den Lippen. „Hey, alles in Ordnung bei dir?“ fragt er mit einer warmen Stimme. Toni schaut auf und versucht, nicht den Augenkontakt zu verlieren. Ihr Herz klopft schneller.

„Ich… ja, es geht schon“, murmelt sie und drückt nervös ihre Hände zusammen. Phil Funke, der Notarzt, bemerkt sofort ihre Unsicherheit und das blaue Auge.

„Ich bin Phil. Keine Sorge, wir beißen nicht“, sagt er sanft. „Wie heißt du?“

„Toni“, antwortet sie leise und weicht seinem Blick aus. Es fällt ihr schwer, mit Fremden zu sprechen, aber irgendetwas an Phils sanfter Art gibt ihr das Gefühl, dass sie hier sicher ist.

Phil wirft einen kurzen, unauffälligen Blick auf ihr Hämatom, versucht jedoch, das Thema nicht direkt anzusprechen. „Weißt du, wir haben hier heute ziemlich coole Sachen zu zeigen. Willst du dir vielleicht die Fahrzeuge ansehen? Oder vielleicht die Rettungshunde?“, fragt er vorsichtig und versucht, ihr die Nervosität zu nehmen.

„Vielleicht… vielleicht die Fahrzeuge“, murmelt Toni.

Phil lächelt und zeigt auf die Rettungswagen und Notarztfahrzeuge, die in der Nähe des offenen Tores aufgereiht stehen. „Komm, ich zeig dir mal, wie so ein Rettungswagen von innen aussieht. Die meisten Leute haben so was noch nie gesehen.“

Während Phil Toni durch das Tor führt, kommen sie an weiteren Notärzten und Sanitätern vorbei. Alex Hetkamp steht an einem der Fahrzeuge und erklärt einer Gruppe interessierter Besucher, wie die medizinische Ausrüstung im Wagen funktioniert. „Und hier, das ist unser EKG-Gerät. Damit können wir das Herz überwachen und bei Bedarf sogar einen Schock auslösen“, erklärt er gerade, als Phil und Toni vorbeigehen. Alex bemerkt das junge Mädchen, nickt ihr freundlich zu, bevor er sich wieder den anderen zuwendet.

In der Nähe des nächsten Fahrzeugs stehen Paula Martinson und Oliver Dreier, beide ebenfalls Notärzte, im Gespräch mit einigen Sanitätern. Toni beobachtet sie, während sie näherkommen. Paula hat ein aufmerksames Lächeln auf den Lippen und bemerkt ebenfalls Tonis Nervosität. „Alles okay?“ fragt sie besorgt, aber freundlich.

Phil schüttelt den Kopf. „Toni schaut sich gerade ein wenig um. Ich zeige ihr den Rettungswagen.“

„Gute Idee“, sagt Oliver, „wenn du Fragen hast, nur raus damit.“ Er lächelt aufmunternd, bevor er sich wieder den anderen Kollegen zuwendet.

Im Inneren des Rettungswagens erklärt Phil ihr die verschiedenen Geräte und wie sie eingesetzt werden. Er spricht ruhig und lässt Toni genug Raum, um sich umzusehen, ohne dass sie sich bedrängt fühlt. „Das hier ist der Defibrillator, falls jemand einen Herzstillstand hat“, erklärt er sanft. Toni nickt nur, während sie die Geräte skeptisch betrachtet. Ihr Unbehagen lässt sie nicht los.

In diesem Moment klopft es von außen an die Fahrzeugtür. Florian Wehr, ein Rettungssanitäter, öffnet die Tür und grinst. „Ich hab gehört, du gibst hier eine private Führung?“

Phil lacht. „Ja, das ist Toni. Sie macht sich mit unserer Ausrüstung vertraut.“ Florian nickt Toni freundlich zu, bevor er sich weiter seinen Aufgaben widmet.

Gerade als Toni das Gefühl hat, sich etwas wohler zu fühlen, bemerkt Phil, dass sie immer wieder unruhig auf ihr Hämatom fasst. Er tritt einen Schritt näher und spricht leiser. „Toni, du kannst mir vertrauen. Ist dir das vor Kurzem passiert?“ fragt er behutsam und zeigt auf ihr Auge.

Toni blickt auf den Boden, unsicher, ob sie darüber reden will. „Es… es war nur ein Unfall“, flüstert sie schließlich, aber Phil erkennt, dass mehr dahintersteckt.

„Weißt du, es ist okay, wenn du darüber nicht sprechen willst. Aber wenn du Hilfe brauchst, sind wir hier, um dir zu helfen“, sagt Phil ruhig und warm. „Keiner hier will dir etwas Böses.“

In diesem Moment fühlt Toni, wie sich ein Knoten in ihrem Inneren etwas löst. Sie nickt stumm, obwohl sie nicht sicher ist, was sie als Nächstes tun soll. Aber für einen Moment fühlt sie sich zumindest sicher – etwas, das in letzter Zeit selten vorkam.

Der Tag vergeht, und Toni bleibt länger als geplant. Die Menschen hier, insbesondere Phil, haben ihr gezeigt, dass es Orte gibt, an denen sie willkommen ist, selbst wenn sie sich verloren fühlt.

Mut im Schatten (ASDS FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt