der Junge

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Einige Monate nach ihrer Operation und den letzten schwierigen Tagen begann Toni sich immer mehr in den Alltag einzuleben. Die Schule lief wieder gut, sie hatte sich mit einigen Mitschülerinnen angefreundet, und die Familie in der WG brachte ihr ein Gefühl von Geborgenheit und Zusammenhalt, das sie nie zuvor erlebt hatte. An einem warmen Frühlingsmorgen traf Toni zufällig auf einen Jungen, der ihr Leben bald mehr verändern würde, als sie sich vorstellen konnte.

Es war Pause, und Toni saß mit ein paar Freundinnen draußen auf einer Bank, als sie ihn das erste Mal bemerkte. Ein Junge aus der Parallelklasse, groß, mit einem frechen Grinsen und einem verstrubbelten Haarschopf. Er spielte Fußball mit ein paar Freunden auf dem Schulhof und bemerkte irgendwann, dass Toni ihn ansah. Sie erwischte sich dabei, wie sie ihm immer wieder verstohlene Blicke zuwarf. Irgendwie schaffte es dieser Junge, dass sie lächeln musste, wenn sie ihn sah.

Ein paar Tage später passierte es dann – ganz ohne, dass sie es plante. Toni lief gerade durch die Flure der Schule, als jemand von hinten ihren Namen rief.

„Hey, Toni!“ Sie drehte sich um und sah ihn, diesen Jungen, der ihr Herz immer schneller schlagen ließ. Sein Lächeln war warm und offen, als er ihr näher kam.

„Hey…“ erwiderte sie unsicher und etwas verlegen.

„Ich bin Marc,“ stellte er sich vor und hielt ihr die Hand hin. „Ich hab dich in letzter Zeit öfter gesehen und dachte, ich sag einfach mal hallo.“

Toni lächelte und nahm seine Hand. „Hi Marc… freut mich,“ sagte sie, obwohl sie innerlich die Worte fast überstolperten. Die beiden unterhielten sich eine Weile über die Schule, ihre Hobbys und alles Mögliche. Schon nach wenigen Minuten fühlte Toni sich, als würden sie sich schon lange kennen.

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Die Wochen vergingen, und Marc und Toni trafen sich immer öfter. Sie gingen zusammen nach der Schule in den Park, unternahmen kleine Spaziergänge oder trafen sich einfach zum Reden. Marc erzählte Toni von seiner Leidenschaft fürs Zeichnen, und Toni wiederum ließ ihn in kleine Teile ihres Lebens blicken, von denen sie kaum je jemandem erzählt hatte. Auch wenn sie ihm nicht alles sagte – wie die Zeit im Heim und den Tumor – war das Vertrauen zwischen ihnen echt und wuchs von Tag zu Tag.

Eines Abends, als sie gerade zusammen im Park saßen und die ersten Sterne am Himmel aufleuchteten, wurde Toni ganz still. Sie zögerte kurz, bevor sie die Worte herausbrachte: „Marc… ich muss dir was sagen.“

Marc sah sie besorgt an. „Klar, was ist los?“

Toni holte tief Luft und erzählte ihm von ihrem Schielen, vom Tumor, und davon, dass sie sich immer noch oft unsicher fühlte, weil sie Angst hatte, andere würden sie deshalb anders sehen.

Marc nahm ihre Hand und sah sie ernst an. „Toni, jeder hat etwas, das ihn beschäftigt. Aber du bist so viel mehr als das, was dir passiert ist. Du bist stark, und ich bewundere dich dafür.“

Toni spürte, wie ihr Herz einen kleinen Sprung machte. Sie fühlte sich verstanden, gesehen und akzeptiert – genau so, wie sie war.

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Einige Monate nach diesem Gespräch, als ihre Freundschaft sich immer weiter vertiefte, fragte Marc sie schließlich, ob sie seine Freundin sein wolle. Toni, die inzwischen sicher wusste, wie viel sie für ihn empfand, sagte überglücklich ja.

Die WG-Mitglieder bekamen natürlich bald mit, dass Toni jemanden ganz Besonderen gefunden hatte. Alex und Oli neckten sie gern, und Franco und Stephan machten freundschaftliche Sprüche über den „Neuen“, den sie natürlich schon bald kennenlernen wollten. Phil hingegen beobachtete die Situation in erster Linie mit einer leichten Sorge. Er wollte, dass Toni glücklich war, und genau das schien sie zu sein. Dennoch war er als ihre „Vaterfigur“ unweigerlich etwas beschützend.

„Also, wann bringst du ihn mal mit nach Hause?“ fragte Oli schließlich eines Abends grinsend.

Toni errötete ein wenig, lachte aber. „Bald. Versprochen!“

Mut im Schatten (ASDS FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt