Befragung

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Toni sitzt immer noch auf dem Sofa im Aufenthaltsraum, während Phil beruhigend an ihrer Seite bleibt. Alex hat sich ein Stück entfernt, sein Blick voller Entschlossenheit. Er weiß, dass sie jetzt handeln müssen, um Toni aus dieser Situation zu befreien. Mit einem schnellen Handgriff zieht er sein Handy heraus und wählt die Nummer von Tom Mayer — ein guter Freund von ihm, welcher bei der Polizei arbeitet. Es dauert nicht lange, bis am anderen Ende die vertraute Stimme antwortet.

„Mayer“, meldet sich Tom, was Alex leicht zum Schmunzeln bringt. Tom nimmt Anrufe meistens einfach an, ohne vorher einen Blick auf sein Handy zu werfen und nachzuschauen, wer überhaupt anruft.

„Hetkamp. Tom... wir brauchen eure Hilfe.“, beginnt Alex ruhig, doch in seiner Stimme schwingt die Ernsthaftigkeit der Situation mit. „Wir haben hier ein junges Mädchen, Toni, 13 Jahre alt. Sie wurde im Heim geschlagen und misshandelt. Zuletzt, weil sie krank war und nicht zur Schule konnte. Jetzt hat sie Angst, dass die Betreuer etwas herausfinden. Wir brauchen dringend Unterstützung.“

„Scheiße. Ja hör mal: Ich schreib kurz Klaus, damit er Bescheid weiß.. Stephan und ich sind gleich unterwegs, gib uns ein paar Minuten.“

Nachdem Alex das Gespräch beendet hat, kehrt er zu Phil und Toni zurück. „Die Polizei ist unterwegs“, sagt er leise und schaut dabei direkt zu Toni. „Dir werden dann einige Fragen gestellt, aber wir bleiben bei dir, okay? Du musst das nicht alleine machen.“

Toni nickt schwach, ihre Hände zittern immer noch leicht. Sie hat Angst vor dem, was gleich passieren wird. Die Polizei, Fragen, eventuell noch mehr Konsequenzen. Aber sie weiß auch, dass sie das nicht länger alleine tragen kann. Phil legt eine Hand beruhigen auf ihre, als er bemerkt, dass sie leicht an ihrer Hand kratzt.

Weniger Minuten später betritt Tom, zusammen mit Stephan, den Aufenthaltsraum. Beide tragen ihre übliche blaue Polizeiuniform und einen entschlossenen Ausdruck im Gesicht, der zeigt, dass sie den Ernst der Lage verstehen. Als sie Toni sehen, wird ihr Blick weicher. Sie wissen beide, dass dieses Mädchen gerade etwas durchmacht, was niemand durchmachen sollte.

„Hallo Toni“, sagt Tom mit einer sanften Stimme, als er sich zu ihr setzt. „Ich bin Tom Mayer und das da ist mein Kollege Stephan Sindera. Wir sind von der Polizei und hier, um dir zu helfen. Es ist sehr mutig von dir, dass du heute mit uns sprichst.“

Stephan nickt zustimmend und stellt sich an die Seite, bereit die Details aufzunehmen.

Toni sieht zu Boden, ihre Hände zittern nach wie vor. „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll“, murmelt sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

„Das ist in Ordnung“, sagt Tom geduldig. „Du musst nichts überstürzen. Fang einfach da an, wo es für dich am einfachsten ist. Wir sind hier, um dir zuzuhören.

Toni atmet tief durch und kämpft mit den Worten, die sich wie ein Knoten in ihrem Hals anfühlen. Schließlich beginnt sie stockend zu erzählen: „Ich.. ich wohne in einem Heim. Es ist schon lange nicht einfach dort. Die Betreuer.. sie sind streng. Wenn man sich nicht an die Regeln hält, dann wird man bestraft.“

Tom nickt ruhig. „Was für Regeln meinst du?“

„Es gibt viele... Die größte ist, dass man zur Schule gehen muss, egal wie es einem geht“, erklärt Toni mit gesenktem Blick. „Ich war krank, hatte Fieber... aber sie haben gesagt, dass das keine Entschuldigung ist. Man darf nicht fehlen. Als ich dann doch gefehlt habe... haben sie mich bestraft.“

„Was bedeutet 'bestraft'?“, fragt Stephan vorsichtig.

Toni zögert, ihre Finger umklammern das Glas, was sie wieder in den Händen hält. Ihr Blick schweift zu Phil, der ihr ermutigend zu nickt. „Sie.. sie haben mich geschlagen“, gibt sie schließlich zu, ihre Stimme bricht fast ab. „Jedes mal, wenn man krank ist oder sich halt nicht an die Regeln hält. Sie sagten, es wäre meine Schuld, weil ich nicht stark genug wäre. Ich hätte mich einfach mehr anstrengen müssen.“

Tom atmet tief durch. Er will nicht zeigen, wie sehr ihn Tonis Geschichte innerlich wütend macht, um sie nicht weiter zu beunruhigen. „Toni, das, was sie dir angetan haben, ist nicht richtig. Niemand darf so etwas tun, egal was passiert. Wir werden uns darum kümmern, okay?“

Toni sieht zu ihm auf, ihre Augen voller Tränen. „Aber... was, wenn sie es herausfinden? Ich hab so Angst, dass es nur schlimmer wird.“

„Wir werden dafür sorgen, dass du in Sicherheit bist.“, sagt Stephan fest. „Du musst keine Angst haben, zurückzugehen. Sobald wir mehr wissen, werden wir die richtigen Schritte einleiten, damit das Heim überprüft wird. Wir werden niemanden über deine Aussage informieren, bis wir sicher sind, dass du geschützt bist.“

Phil legt beruhigend seine Hand auf Tonis Schulter. „Toni, du hast den wichtigsten Schritt getan, indem du uns alles erzählt hast. Jetzt ist es unsere Aufgabe dir zu helfen.“

Tom und Stephan tauschen einen Blick und beginnen alle notwendigen Informationen aufzunehmen, um den Fall offiziell zu machen. „Toni, wir müssen ein paar Details für unseren Bericht festhalten. Es wird nicht lange dauern, aber es ist wichtig, damit wir handeln können. Können wir dich noch ein paar Dinge fragen?“

Toni nickt, noch immer unsicher, aber etwas beruhigt durch die freundlichen Worte der Polizisten. Sie erklärt die Situation so gut sie kann, beschreibt die Vorfälle im Heim und die Personen, die für die Misshandlungen verantwortlich sind. Mit jedem Wort fällt es ihr ein wenig schwerer, aber sie weiß, dass es kein Zurück mehr gibt.

Als Tom und Stephan fertig sind, verspricht Tom: „Wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass dir das nie wieder passiert, Toni. Du bist sehr tapfer, dass alles zu erzählen.“

„Wir bringen das jetzt in die Wege“, sagt Stephan, „und wir halten dich auf dem Laufenden. Du wirst nicht alleine gelassen.“

Nachdem die Polizisten alle wichtigen Informationen aufgenommen haben, wenden sie sich an Phil, Alex und Florian, um sicherzustellen, dass Toni vorerst in Sicherheit ist. Mit einem "bis nachher" verabschieden sich die beiden vom den drei Rettungsdienstlern.

Toni fühlt sich zwar noch immer erschöpft und verletzlich, doch ein kleiner Teil von ihr beginnt zu glauben, dass sich jetzt vielleicht doch etwas ändern könnte.
Phil setzt neben Toni auf das Sofa und erklärt ihr erneut, dass sie nicht alleine ist und dieses Mal spürt Toni, dass es mehr als nur Worte sind.

Mut im Schatten (ASDS FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt