Kapitel 16

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"Wa-was? Wie kann... Das ist...", fragt Nick vollkommen verstört, als er die halbtote Hel sieht. Dann schaut er zu mir und anscheinend erinnert er sich jetzt daran was ich vorhin zu ihm gesagt habe. Ich blicke zu Hel und frage: "Warum kann er Sie jetzt auch so sehen?" "Das weiß ich nicht... Vielleicht-", sie will noch etwas sagen, da bricht sie plötzlich mitten im Satz ab und packt uns an den Armen. Nick blickt ungläubig auf sein Handgelenk, denn dort sitzt ihre knochige Hand. Ich bin heilfroh dass ich dieses Mal ihre nicht verweste Seite erwischt habe. Ohne noch etwas zu sagen zerrt sie uns durch eine kleine Tür, die halb hinter einem Schrank verborgen ist. "Los, los, los!", zischt sie und schubst uns hinein, "Da entlang!", mit einem Finger deutet sie auf den Gang, der nach ein paar Metern in tiefes Schwarz übergeht. "Lauft schnell. Ein Mann mit schwarzer Kutte kam gerade herein. Er scheint etwas ... Oder eher jemanden zu suchen!", dabei blickt sie mir eindringlich in die Augen. "Diese Kreaturen irren sich selten in den Orten, an denen sie das von ihnen Gesuchte vermuten... Also! Lauft um eurer Leben!", damit wendet sie sich von uns ab und schließt schnell die Tür.
Jetzt ist es hier drinnen fast stockfinster. Nur durch das Schlüsselloch kommt noch ein dünner Strahl Licht. Trotzdem kann ich Nicks Augen im Dunklen sehen. Sie sind groß und Angst schimmert in ihnen. Wir blicken uns einen Moment lang tief in die Augen und wie auf ein geheimes Zeichen hin, rennen wir zeitgleich los. Doch schon nach ein paar Metern werden wir langsamer, denn um uns in der Dunkelheit zu orientieren, müssen wir mit den Händen an den Wänden entlangstreichen. Doch plötzlich ist unter meiner Hand keine Wand mehr und ich stolpere nach rechts. Überrascht und nach etwas zum Festhalten suchend, fuchtele ich mit den Armen und bekomme im letzten Moment Nicks Jacke zu fassen. Ich lande hart auf dem Boden und ziehe durch den Schwung Nick mit mir.
Nach ein paar Augenblicken richten wir uns langsam auf und versuchen uns zu orientieren.
Anscheinend haben wir einen Seitengang gefunden, der, wie mir scheint, hinten etwas heller wird. Ich flüstere Nick zu: "Gehen wir da lang. Da hinten wird es heller. Dann kann uns wenigstens niemand so schnell überraschen." Als Zustimmung nimmt er meine Hand in seine und drückt sie fest. Gleich darauf rennen wir weiter und tatsächlich wird es nur kurze Zeit später etwas heller. Jetzt kann ich auch so langsam erkennen, warum. An der Wand hängt einige Meter vor uns eine Fackel. Wir laufen vorbei und es wird wieder etwas dunkler. Aber nach ein paar Schritten kann ich schon die nächste Fackel sehen. Wir rennen immer weiter. So lange, bis wir an einem Tor ankommen. Nick rüttelt am Griff und das Tor öffnet sich quietschend. Von draußen fällt Licht in den Gang.
Ich sehe eine Wiese mit vielen Blumen darauf und eine riesige alte Trauerweide steht in der Mitte. Ich gehe ohne darüber nachzudenken auf sie zu und fühle mich komischerweise wie zuhause. Die Rinde scheint unter meiner Haut zu pulsieren, als ich meine Hand an sie schmiege. Wenig später sehe ich Nick über die Wiese gehen. Er scheint mich zu suchen. Hat er denn nicht gesehen, dass ich zu dem Baum gelaufen bin? "Nick! Hier bin ich!", rufe ich und er dreht sich in meine Richtung und kommt auf den Baum zu. Als er nur noch wenige Schritte von mir weg steht, macht er eine Biegung und will um den Baum herumgehen. "Nick? Wo willst du denn hin?", will ich wissen. Er guckt verblüfft zu mir. Aber er guckt irgendwie durch mich hindurch. Also löse ich mich von der Weide und will einen Schritt auf ihn zu gehen. Da guckt er mich plötzlich erschrocken an und sagt: "Wo kommst du denn auf einmal her?" "Ich war doch die ganze Zeit hier!", gebe ich verwirrt zurück. "Du warst nicht da. Da war nur der Baum und dann plötzlich standest du vor mir! Wie hast du das gemacht?" Ich gucke ihn erschrockenen zugleich äußerst verwirrt an und murmele: "Das würde ich auch gern wissen ..."

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