Kapitel 34 - Der Wald - Leere Versprechen? (Lukas)

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~ Lukas ~

Sie saß wieder auf der Lichtung, doch diesmal kauerte sie nicht verstört da, wie beim letzten Mal, sondern sah furchtloser und entschlossener aus. Kurz entflammte die Hoffnung in mir, dass sie sich an mich erinnern konnte und so nannte ich sie unüberlegt beim Namen.

"Was willst du von mir? Mir meine Erinnerung rauben?", stellte sie sich mir entgegen. "Und was hast du mit Adrian und den anderen gemacht?", warf sie mir weiterhin vor und musterte mich mit hartem Blick, der sich aber ganz plötzlich in Verwirrtheit und dann in Sanftheit wandelte.

Sie kam näher an mich heran, streckte ihre Hand verträumt nach meinem Arm aus und streifte ihn sanft mit ihren Fingern, was ein kurzes Kribbeln in mir auslöste, wie ich es schon einmal gespürt hatte. Sie war es also gewesen, damals auf der Lichtung, die mich berührt hatte. Sie schien wieder zur Besinnung zu kommen, denn plötzlich schüttelte sie ihren Kopf und wich hastig zurück. Sie schaute zwischen mir und dem aufgerissenen Ahornbaum am Rande der Lichtung hin und her.

"Was...Wie...?", stotterte sie und rannte zu dem Baum.

"Ich hätte schwören können...", setzte sie an, doch schien eher mit sich selbst zu reden.

"Was hättest du schwören können?", versuchte ich zu ergründen, doch Mina antwortete nicht direkt auf meine Frage, sondern stellte mir eine Gegenfrage:

"Deine Narbe! Wo hast du die her?"

"Sieht nicht sehr männlich aus, was? Das wurde mir in meine Haut geritzt, aber ich weiß nicht, wer das war", antwortete ich wahrheitsgemäß.

Wieder wanderten ihre Blicke hin und her, bis sie ihre Augen schloss und einmal tief durchatmete.

"Wie in aller Welt ist diese Narbe von dem Baum dort zu dir auf den Arm gewandert und was ist mit dem Baum dort passiert?", fragte sie auf den Ahornbaum zeigend. Mina faszinierte mich wirklich!

"Das glaubst du mir sowieso nicht!", behauptete ich.

"Wenn du es mir ordentlich erklärst vielleicht schon!", versuchte sie auszuhandeln. Ich hatte im Gefühl, dass sie so schnell nicht nachgeben würde und so sagte ich es ihr ganz direkt:

"Ich bin der Baum!"

Sie prustete laut los:

"Ja klar und ich bin ein Kürbis!" Sie lachte weiter, bis sie merkte, dass ich nicht mitzog.

"Das ist nicht witzig! Ich habe mir das weder ausgedacht noch ausgesucht!", sagte ich bitter.

"Was? Das ist dein Ernst?", fragte sie verwirrt.

"Mein voller Ernst!", antwortete ich.

"Du hattest recht! Die Geschichte mit dem Baum nehme ich dir wirklich nicht ab! Das kann ich gar nicht glauben, nicht mal wenn ich wöllte!", sagte sie.

"Oh doch! Du könntest es glauben, wenn du es wirklich wolltest und zulassen würdest. Weißt du, es gibt Dinge im Leben, von denen du nichts ahnst, doch sie sind da!"

"Wirklich toller Kalenderspruch, den du da auswendig gelernt hast, aber damit landest du sicher nicht bei mir! Dafür musst du dir schon mehr Mühe geben! Und deine unrealistischen Geschichten kannst du dir sparen! Darauf falle ich nicht herein!", sagte Mina schnippisch.

Langsam hatte ich den Rand gestrichen voll und so ging ich einen Schritt auf sie zu, atmete tief ein und baute mich in all meiner Größe vor ihr auf:

"Hör mal! Du wolltest es doch so genau wissen! Ich kann auch nichts dafür, wenn du Angst vor einer anderen Wirklichkeit hast und dich fürchtest deine alten, ach so bequemen Denkmuster zu verlassen! Also viel Spaß in deiner behüteten rosa- Zuckerwatte-Welt", sagte ich in rauem Ton und machte kehrt von ihr. Ich stapfte wütend davon, setzte mich ans Bachufer und warf frustriert Steine ins Wasser, welches aufgrund des hellen Mondes in dieser Nacht leuchtete. Außer dem dumpfen plätschernden Geräusch, hörte ich die zwei lieblichen Stimmen aus der Ferne, die zu den Zwillingsmädchen gehörten. Sie sangen ihr Leid in den Wind hinaus, doch niemand würde sie erhören, egal, wie sehr sie es sich wünschten.

Die flüsternden BäumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt