~ Adrian ~
Es war kein gewöhnlicher nächtlicher Klageschrei unseresgleichen. Er war ganz anders. Lauter, schärfer und kraftvoller. Er übertönte meine Klage, die der anderen und die laut polternden Donnerschläge. Sogar meinen Verwandlungsschmerz ließ er mich einen Augenblick lang vergessen. Und was diesen Schrei am meisten von den normalen Klageschreien unterschied: Er fand ein schnelles und abruptes Ende. Dafür war er schmerzvoller gewesen als jeder andere Schrei, den ich bisher gehört hatte. Und das sollte was heißen, denn während meiner Zeit auf der Straße hatte ich so mache schlimme Dinge erlebt.
Als mein Verwandlungsprozess abgeschlossen war und ich wieder auf meinen menschlichen Beinen stand, nutzte ich sie sofort um in die Richtung zu rennen, aus der ich den Schrei zu hören geglaubt hatte. Meine Füße versanken im Matsch und der Regen peitschte mir unsanft auf meine Haut. Die Nacht wurde regelmäßig von hellen Blitzen erhellt, sodass ich mich gut im Wald orientieren konnte.
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, aber ich fürchtete, dass es nichts Gutes war.
Ein dumpfer Aufprall ließ mich zurücktaumeln und mit einem Satz landete ich mit meinem Allerwertesten auf dem durchnässten Waldboden. Wie ich dieses Wetter hasste. Und dann hatte man nicht einmal Klamotten um sich zu schützen.
"So ein Dreck! Im Schweinestall würde mich nun keiner mehr erkennen", fluchte mein Gegenüber, dem es nach unserem Zusammenstoß offensichtlich ähnlich ergangen war.
"Lukas?", fragte ich. Doch das hätte ich mir sparen können, denn als der nächste Blitz die Nacht erhellte, sah ich Lukas deutlich vor mir, wie er sich gerade aufraffte.
"Komm schon, steh auf", sagte er zu mir und hielt mir eine Hand hin, die ich bereitwillig ergriff. Irgendwie mochte ich Lukas. Er schien einer der Normalsten hier im Wald zu sein. Wir mussten also zusammenhalten.
Als ich wieder auf meinen nun gut gebräunten Beinen stand, wies mir Lukas mit seinem Finger vor meinem Gesicht fuchtelnd den Weg:
"Da lang. Ich glaube, der Schrei kam von Derek."
"Derek?", fragte ich verwirrt.
"Du hast es nicht so mit Namen, kann das sein?", schnaubte Lukas. "Ich meine den Derek, den wir aufgehalten haben, als er Matthias getreten hat." Sofort ging mir ein Licht auf. Dieses arrogante Arschloch. Der König der Intelligenz. Nicht. Wenn er seine Macke hatte, rannte er durch den Wald und stiftete überall Unfrieden. Aus Zorn, dass er hier festsaß, trat er gegen Bäume und riss ihnen Zweige aus, schmiss Steine durch die Gegend, warf reichlich mit Schimpfwörtern um sich und beleidigte alles und jeden. Einmal hatte er sich an dem wehrlosen Matthias ausgelassen, weil dieser zu Derek gesagt hatte, dass er auch mal so enden würde: Verschmolzen mit dem Baum und mit immer weiter verblassenden Erinnerungen. Derek hatte diese Wahrheit nicht hören wollen. Erbarmungslos hatte er getreten. Immer und immer wieder. Und Matthias hatte geschrien. Wir waren ihm zu Hilfe gekommen und mussten Derek mit all unserer vereinten Kraft von Matthias wegziehen. Dreckschwein.
"Denkst du, er hat so geschrien, weil sich jemand an ihm gerächt hat?" fragte ich Lukas, der aber abwinkte und sagte:
"Ich glaube nicht. Das hätte anders geklungen."
Ich rannte Lukas in meinem Vertrauen zu ihm hinterher und hatte Probleme nicht schon wieder gegen ihn zu rennen, als er unvermittelt stoppte. Er blieb wie angewurzelt und stocksteif stehen.
"Was ist?", fragte ich und als er nicht antwortete, ging ich an ihm vorbei um dasselbe erblicken zu können wie er. Ein heller Blitz ließ Dereks Baum vor uns aufleuchten und zeigte uns ein Bild, was ich so schnell nicht mehr vergessen würde. Er war schwarz. Zumindest das, was noch von ihm übrig war, denn vor uns stand eine leere Hülle des Baumes. Die schwarze Rinde stand noch hüfthoch da, aber sein Innerstes war nicht mehr. Ich traute meinen Augen kaum.
Wie in aller Welt konnte das denn sein?
Lukas stand noch immer versteinert da, als ich mit meinem Finger an der Rinde entlangstrich. Tatsächlich. Mein Finger war völlig verrußt. Es hatte gebrannt. Der Baum war vollständig ausgebrannt. Doch nur der Baum an sich. Das Moos, das spärlich wachsende Gras und die herumliegenden Blätter hatten scheinbar nicht einmal einen Funken abbekommen. Ich hielt Lukas meinen schwarzen Finger vor das entsetzte Gesicht und fragte ihn:
"Was ist mit Derek passiert?"
Sein ratloses Gesicht und ein kaum vernehmbares Schulterzucken verrieten mir, dass auch er nicht den leisesten Schimmer hatte, was hier vor sich ging. Ich dachte schon, er würde mir nicht mehr antworten, als er es schließlich doch tat:
"Ich weiß nur eins: Bei so einem Wetter brennt es nicht."
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Die flüsternden Bäume
Fantasy'Wo Liebe ist, wird das Unmögliche möglich. ' ~~~ "'Renn um dein Leben', schrie meine innere Stimme. Ich müsste nur über die Wiese laufen und würde dann zum Pfad in Richtung Wald gelangen. Dort kannte ich mich verdammt gut aus, wenn auch nicht im Du...