Kapitel 8 - Der Besuch

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"Mina, hör auf deinen Kopf mit dem Arm zu stützen am Essenstisch!", sagte meine Mutter. Nach der langen Nacht mit Isabella war ich etwas müde, aber immerhin hatte ich es pünktlich zum Mittagessen nach Hause geschafft. Ich grummelte:

"Mhm, wenn es sein muss!"

"Ja, muss es. Das ist kein schöner Anblick beim Essen. Wenn ich das sehe, bleibt mir vor Schreck der Mund offen stehen und das macht sich nicht so gut beim Essen!", sagte Mum.

"Vor allem bei Erbsensuppe!", entgegnete mein Vater.

Ich musste grinsen bei der Vorstellung.

Die aktuelle Zeitung mit der übergroßen Titelzeile: 'Verbrecher bei Diebstahl im Elektronikmarkt geschnappt', fiel mir ins Auge. Mein Vater schien es gemerkt zu haben, denn er flüsterte mir zu:

"Wir reden dann".

Rachel aß schnell ihre Suppe auf, während sie unter dem Tisch heimlich in ihr Smartphone tippte. Dann wollte sie aufstehen, bevor wir alle fertig waren.

"Rachel, bleib sitzen!", fuhr Mum sie an.

"Ich muss dringend Hausaufgaben machen! Weiß nicht, wie ich das sonst schaffen soll", nörgelte Rachel.

"Achso! Ich dachte du hast heute so viel Zeit um nachher zu deiner Freundin zu fahren. Wenn du es nicht schaffst, musst du halt Zuhause bleiben", sagte Mum.

Wir alle wussten, dass sie wahrscheinlich gar keine Hausaufgaben hatte und ich dachte mir, dass ihre Freundin in Wirklichkeit der gegelte Typ mit der Grabschhand war. Aber das wollte ich meinen Eltern nicht verpetzen.

Rachel setzte sich entnervt zurück auf ihren Platz, wobei ihre langen braunen Haare in die Reste ihrer Suppe fielen.

Ich sah wirklich nicht so aus, als würde ich von meiner Kernfamilie abstammen. Meine Eltern hatten, wie Rachel, braunes Haar und blaugraue Augen. Rachel hatte schulterlanges Haar, Mutter und Vater kurze Haare und Dad einen Bart. Rachel sah wie immer so aus, als wäre ihr Gesicht in einen Farbkasten gefallen. Ich hatte nichts gegen Schminke, aber man musste es ja nicht übertreiben.

Früher hatte ich mich auch sehr stark geschminkt, bis meine Mitschüler irgendwann anfingen darüber zu reden. Dann hörte ich abrupt auf und fragte mich nach dem Sinn. Ich entschied für mich selbst, dass ich keine Schminke brauchte und lernte mich zu akzeptieren. Zu besonderen Anlässen, legte ich auch mal ein hübsches Make-Up auf, aber an jedem Schultag musste das nicht sein. Isabella war mir früher in der Sache nachgelaufen. Noch ein Grund warum ich aufhörte mich zu schminken war, dass ich sie irgendwann nicht mehr erkannte. Wir hatten es wirklich übertrieben. Dagegen sah Rachel heute noch brav aus. Ich war einfach ein natürlicher Mensch und mochte auch zum Beispiel auch keine künstlichen Nägel. Isabella schminkte sich in letzter Zeit auch ab und zu in der Schule, aber nicht annähernd so stark wie früher. In beiden Varianten - mit und ohne Schminke - sah Isabella hübsch aus. In der Schule, war ich die Frisurenkünstlerin. Ich konnte jegliche Art von Zöpfen und Hochsteckfrisuren zaubern, sodass ich in den Pausen oft ausgebucht war.

Endlich hatten alle aufgegessen, doch bevor Rachel verschwinden durfte, musste sie noch die Geschirrspülmaschine mit mir einräumen.

"Seid froh, dass ihr nicht mehr von Hand aufwaschen müsst", sagte Mutter.

Sie war sehr Stolz darauf, seit dem letzten Jahr einen Geschirrspüler zu besitzen. Mum arrangierte noch die Tischdecke und die Dekoration auf dem Tisch und Vater ging in den Garten um seine Pfeife zu rauchen und zwinkerte mir auf dem Weg nach draußen zu.

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Als wir fertig mit dem Einräumen waren, ging Rachel in ihr Zimmer und ich in den Garten zu Dad. Er saß auf einem der Gartenstühle mit Blick zum Himmel. Ich setzte mich lautlos neben ihn und fragte ihn:

Die flüsternden BäumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt