Eine Zeit lang liefen sie schweigend neben einander. "Danke" sagte Sam irgendwann. Jonah nickte. Wieder Schweigen. "Ist es wahr?" fragte er plötzlich. Sie verspannte sich. "Was?" fragte sie, obwohl sie ganz genau wusste was er meinte. "Das was Maik gesagt hat." "Was hat er gesagt?" "Dass dein Bruder tot ist." Zitternd schloss sie die Augen und atmete tief aus und ein. "Ja" ihre Stimme zitterte. "Das tut mir Leid. Muss schwer für dich und deine Eltern sein" Schwankend lief Samara bis zur nächsten Mauer und ließ sich daran herabgleiten, bis sie zusammengekauert da saß. Dann ließ sie den Kopf auf die Arme fallen, wobei ein Ärmel hochrutschte und den Blick auf die frischen Narben freigab. Er schaute sie besorgt von der Seite an. "Was ist los? Hab ich was falsches gesagt? Du musst nicht antworten!" Er klang ein wenig verzweifelt. Sie schüttelte nur den Kopf. Ein zitternd ließ ihren Körper beben. "Sie.. Sie" sie musste schlucken. "Du musst wissen... Meine Eltern sie sind... Sie sind tot." Erschrocken blickte er sie an. Die Tränen rannten nun in Sturzbächen über ihre Wangen und hinterließen schwarze Spuren. "Fuck Sam" Jomah fuhr sich fahrig durch die Haare "ich wusste nicht... Ich hätte dich nie danach gefragt!" Er nahm sie etwas unbeholfen in den Arm. Sie vergrub ihren Kopf an seiner Schulter, währen sie von Krämpfen geschüttelt wurde. Vorsichtig strich er ihr mit der Flachen Hand über den Rücken. "Ssssssh" machte er leise. Sie mussten ein komisches Bild abgeben, wie sie da, mitten am Gehsteig, zusammemgekauert an eine Mauer gelehnt, dahockten. Ein weinendes Mädchen, und ein leicht überforderter Junge. Eine Zeit lang saßen sie einfach so da. Igendwann sah Sam auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. "Ich muss dir leicht verrückt vorkommen. Aber heute ist es genau drei Monate her. Vor genau drei Monaten, sind meinetwegen sechs Menschen gestorben. Mum, Dad, Jakin, Tizian und Amely." Abwesend starrte sie in die Ferne. "Du sagtest sechs?" bemerkte Jonah. Sam seufzte, aber sie wusste dass diese Frage kommen würde. "Also um etwas weiter auszuholen: Du weist ja jetzt das ich zwei Brüder habe.. äh ich meine hatte" sie musste schlucken und Jonah nickte "Jakin war 17 und Tamian 19, fast zwanzig. Jedenfalls war Ian, das war Tamians Spitzname, dass was man sich unter einem Frauenheld vorstellte. Gut Aussehend, klug und witzig. Er ließ sich auch nichts entgehen und machte keinen Hehl draus, dass er keine feste Beziehung wollte. Bis eines Tages eine verzweifelte junge Frau, Karina, vor unserer Tür stand, und ihm erzählte dass sie schwanger war. Von ihm. Tja und dann war er auf einmal ein anderer Mensch. Liebevoll, fürsorglich, er hat ihr sogar einen Antrag gemacht. Und auch sie saß in dem Auto, hat den Unfall aber überlebt. Allerdings hat sie das Baby verloren. Die kleine Johannah hat wegen mir nie die Chance gehabt, zu Leben." "Wieso redest du davon dass du Schuld bist? Soviel ich bis jetzt mitbekommen habe war es ein Unfall?" "Ja schon" sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. Erst jetzt wurde ihr bewusst dass sie immer noch in Jonahs Umarmung am Gesteig saß. Sie befreite sich aus seinen Armen. "Aber sie sind alle nur wegen mir in dieses Auto gestiegen." "Wie meinst du?" "Wir Kids durften und jeden Sonntag abwechselnd eine Aktion für die ganze Familie aussuchen. Ich wollte unbedingt in den neuen Freizeitpark, FrunWorld. Jedenfalls hat es an diesem Tag geschüttet wie aus Kübeln, und keiner wollte hinfahren. Ich habe aber so lang gebettelt bis wir gefahren sind. Auf der Autobahn kamen wir dan plötzlich ins trudeln und dann ist bei mir Schluss. Die Polizei hat den Unfall dann aus Karinas, etwas vollständigeren, Erinnerungen rekonstruiert. Die Bremsen dürften versagt haben und wir sind über die Leitplanken die Böschung runtergeschlittert und nach mehreren Überschlägen am Dach liegen geblieben. Ich und Karina hatten das Glück dass wir auf den zwei ausklappbaren Sitzen im Kofferraum saßen, so kamen wir mit Knochenbrüchen und Prellungen davon. Alle anderen hatten keine Chance." Wieder rannten ihr die Tränen über die Wangen und sie versteckte ihr Gesicht in Jonahs Pulli. Es tat so weh an sie zu denken! Er nahm sie in den Arm und wiegte sie wie ein Baby hin und her.
"Aber dass ist doch nicht deine Schuld. Es war ein verdammter Unfall. Wie du sagtest ein Bremsversagen. Das hättest auch du nicht verhindern können. Hörst du? Es war nicht deine Schuld" meinte Jonah bestimmt. Sam schniefte. "Ja eh." antwortete sie, aber nur weil sie schon aus den Therapiestunden bei Dr. Eder wusste dass andere Antworten bei keinem erwünscht waren. "Hast du Karina seit dem Unfall wieder gesehen?" Sam schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht" flüsterte sie. "Ich habe ihr Baby umgebracht. Sie wird mir nie wieder in die Augen sehen können. Ich verstehe nicht warum sie immer wieder anruft." "Sie hat versucht dich zu erreichen?" "Ja. Immer wieder mal. Mein Therapeuth meinte ich sollte mal abheben aber ich kann nicht. Ich glaube nicht dass ich ihre Stimme hören kann ohne daran zu denken dass ich ihr Kind, meine Nichte, umgebracht habe." "Ich glaube nicht dass sie dir Vorwürfe machen möchte. Ihr habt etwas gemeinsam. Es hilft oft zusammen um jemanden zu trauern. Villeicht wäre es für euch beide gut, mal miteinander zu reden. Ich versprich dir sie wird dir keine Vorwürfe machen." Ja klar! Innerlich verdrehte Sam die Augen. Er klang genauso wie Dr. Eder. "Du hast einen Therapeuten? Weiß der auch davon?" er deutete auf ihre Arme. Dass nannte sie mal einen Themenwechsel. "Ja klar schließlich war ich deswegen.." Sie stoppte aprupt. Verdammt sie hatte nicht vor gehabt ihre gesamte Lebengeschichte vor Jonah auszubreiten. Warum hatte sie ihm das alles erzählt? Wahrscheinlich wollte er jetzt nie wieder etwas mit ihr zu tun haben. Sie schüttelte den Kopf. "Deswegen warst du was?" fragte er. Sam seufzt. "Deswegen war ich in der Klinik" vollendete sie den Satz leise, und deutete auf die, inzwischen verheilten, etwas tieferen Narben an ihren Pulsadern.
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Samara
Teen FictionFrüher war Sams Leben scheiße. Jetzt ist es unerträglich. Seit dem schrecklichen Autounfall bei dem Samara ihre Familie verlor ist nichts mehr so wie es war. Vor Trauer und Wut vergisst sie, dass sie selbst noch lebt. Doch dann kommt Jonah. Langsam...