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"Come as you are, as you were, as I know you to be.", dröhnte es aus meinem Laptop. Schade, dass es Nirvana nicht mehr gab. Sie waren meine Lieblingskünstler. Heute war so ein Tag, an dem ich nur im Bett liegen und nichts tun wollte. Die ganze Nacht saß ich vor meinem Laptop und überwachte meine Lieblingsseite auf Twitter, doch sie blieb still. Meine Gedanken raubten mir den Schlaf, ganz besonders wegen meinem Kitten Michael. Ging es ihm gut? Ich machte mir große Sorgen. Zum Glück war er wach. Hoffentlich hatten sie seinen Magen erfolgreich ausgepumpt und die stumpfen Klingen entfernt. Wieso tat er das? War seine Vergangenheit so schlimm? War ich so ein schlechter Mensch? Er schien mir wohl noch nicht so zu vertrauen, sonst hätte er mir das erzählt. Auch, wenn ich mich nicht bewegen wollte, humpelte ich müde aus dem Bett und schloss meinen Laptop. Immer noch keine Antwort von meiner Lieblingsseite, seit drei Tagen. Nun verstummte auch die Musik von Nirvana, die mich noch von der Realität ablenkte. Ich zog mir meinen grauen Hoodie aus, dafür mein weißes Shirt und eine Jeans an. Die Haare ließ ich so verwuschelt, wie sie waren. Ich ging mit einem schlechten Gefühl in die Küche. Als ich den kleinen Schreibtisch im Wohnzimmer erblickte, kam mir sofort die Szene von gestern Abend in den Kopf. Niemals hätte ich gedacht, dass Ashton schwul wäre. Und es mit Luke treiben würde. In der Klinik. Hinter dem Rücken seiner Verlobten. Wie konnte er nur? Doch ich wollte mich nicht überall einmischen, auch, wenn ich anderen Menschen gerne half, insbesondere, wenn die Person fast wie ein Bruder für mich war. Für heute wollte ich mir eine Auszeit von Ashton gönnen, auch wenn es mir schwer fallen wird. Das alles wurde mir gerade viel zu viel. Müde erschien ich auf der Arbeit. Ich legte meine Sachen in den Spind und zog mir meine weißen Arbeitsklamotten an. Ich hatte kaum geschlafen, wäre in der Bahn fast im stehen eingeschlafen und auf den Weg hier hin fast zwei mal angefahren worden. "Guten Morgen, Calum.", begrüßte mich Joyce nichts ahnend mit ihrem wunderschönen Lächeln im Gesicht, welches mich nur kurz auf andere Gedanken brachte. "Guten Morgen, Joyce." Das Lächeln musste ich mir aufsetzen, wie immer, ich hatte schon Übung darin. Bevor ich zu Michael ging, und es glücklicherweise auch durfte, wollte ich noch bei Melli vorbeischauen. Ihr soll es angeblich gar nicht gut gehen. "Calum, ist alles in Ordnung?", fragte mich Ashs Verlobte besorgt. Sollte ich ihr die Wahrheit sagen? "Michael.", murmelte ich. Dabei war es gar nicht gelogen. "Ihm geht es einigermaßen wieder okay. Ich war gerade bei ihm, doch er meinte nur, dass er dich sehen möchte.", sprach Joyce etwas beschämt. "Wollte auch gerade zu ihm." - "Und weißt du wo Ashton gestern Abend so lange war? Er kam spät nachhause und ist direkt ins Bett gegangen.", kam es nachdenklich von ihr. "K-keine Ahnung. Aber.. ich wollte noch schnell bei Melli vorbeischauen. Bis später.", lächelte ich schwach und verschwand schnell im Aufzug. 

"Du hast den Affen ja gar nicht dabei.", waren die ersten Worte, mit denen Melli mich heute begrüßte. "Doch, er ist in meinem Spind. Ich hab Angst ihn mitzunehmen, er geht schnell verloren, die Taschen sind zu klein.", sagte ich sanft und lächelte schwach. "Wie geht's dir, Kleines? Hat Niall was neues gesagt?" Ihr Blick senkte sich, bis sich ihre Augen kurz schlossen und erschöpft wieder öffneten. "Nein, leider nicht. Mir geht's gut.", meinte sie dann und klang auf einmal noch erschöpfter. "Mit deinen Prothesen alles okay?" Sie schüttelte den Kopf. Langsam hob sie einen Teil der Decke hoch, bis ein kleiner Teil ihrer Oberschenkel anfingen. Meine Augen weiteten sich, bis ich zu dem süßen, kleinen Mädchen sah, die mit den Tränen kämpfte. Ich wusste genau, dass ihre Werte dadurch niedriger wurden. Und ich wusste genau, dass sie aber jetzt keine Schmerzen mehr hatte. Bald würde sie vollkommen schmerzfrei sein. "Aber es tut nicht mehr weh, oder? Das ist das wichtigste.", lächelte ich sanft und streichelte ihr über den Kopf. "Du siehst wunderschön aus.", sagte ich, woraufhin sie kurz lächelte. Bei dem Wort 'wunderschön' dachte ich komischerweise an Michael. Wieso?

Ihre Eltern waren bestimmt auch informiert. Sollte ich sie fragen, was sie sich von der Feen-Stiftung wünschte? Noch nicht. Ich fragte sie anders. "Was ist dein größter Wunsch?"

Ihr Blick war einmalig. Sie wusste Bescheid, das merkte man ihr an. "Die von der Feen-Stiftung sagten, dass der Wunsch nicht zu erfüllen sei.", schmollte sie etwas. "Was ist denn dein Wunsch? Vielleicht kann ich ihn erfüllen." - "Ich möchte gerne Niall Horan treffen."

Wieder stand ich vor dem Zimmer im achten Stock. Die Tür war irgendwie dunkler als alle anderen. Ich holte tief Luft und öffnete diese leise. Vorsichtig schaute ich hinein und sah Michael im Bett liegen, er schien zu schlafen, aber als ich den ersten Schritt in das Zimmer setzte, öffnete er kurz die Augen. Als er mich sah, fing er schwach an zu lächeln. "Cal.", sagte er zerbrechlich und versuchte sich aufzusetzen. "Bleib liegen, ich komme." - "Meinst du kommen oder besuchen?", grinste er. Ja, es ging ihm gut. Behutsam setzte ich mich zu Michaels ans Bett, betrachtete kurz seine Werte und wand mich zu ihm. "Du willst wissen, warum, oder?", fing Michael das Gespräch an. "Wäre schon eine gute Information, oder?" Er grinste schwach und sah auf seine Hände. Seine bunten Haare strahlten nicht mehr so hell, dafür aber seine grünen Augen, als sie mich ansahen. "Wenn du mir sagst, warum." - "Warum was?" - "Warum du dich so für mich interessierst.", ließ er die Bombe platzen. "Weil ich dein Pfleger bin und-" - "Nein, nicht so." Er setzte sich weiter auf, man sah ihm die Schmerzen an, doch es schien ihm nichts auszumachen. Plötzlich berührten sich unsere Hände und wir saßen Nase an Nase, bis sie sich berührten. "So.", hauchte Michael sanft an meine Lippen. Ich war wie eingefroren. Seine Augen ließen mich nicht die Worte aussprechen, die ich ihm sagen wollte, seine Hand ließ mich nicht fort gehen, obwohl es doch so einfach war. Seine Wärme, die von seinem Körper ausging, ließen mich besser fühlen als heute Morgen, als die restlichen Wochen, als jeder andere. Seine Stimme ließ mich erstarren, ich war nicht mehr ich selbst. Er war atemberaubend, nicht? "Das könnte ich dich auch fragen.", packte ich es endlich etwas von mir zu geben, woraufhin Michael lächelte und seine Hände an meine roten Wangen legte. Sein Verhalten könnte auch eine Nebenwirkung der Medikamente sein, aber so liebevoll und süß er mit mir sprach, vergaß ich die Aussage sofort und legte meine Lippen auf seine sanften, vollen Lippen. 

The blind accident {Malum ff} (Abgeschlossen) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt