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Michael:

Hätte ich die Möglichkeit irgendwie zum Grab von meiner kleinen Schwester zu kommen, würde ich es tun. Hätte ich die Möglichkeit mit Calum zu sprechen, würde ich es tun. Hätte ich die Möglichkeit wegzulaufen, würde ich es tun. Angst plagte mich, ich wollte nicht operiert werden. Ich wollte einfach ein glückliches Leben haben. Hätte ich doch bloß nie diesen Zusammenbruch gehabt. Müde saß ich alleine in meinem Zimmer, kuschelte mich etwas an das große Kissen, wo ich immer mehr Träume und Gedanken drin versteckte und stellte mir vor, es sei mein Calum. Ich hatte wirklich niemanden mehr. Das war das Schlimmste. Ob Melli Schmerzen hatte, als sie starb? Ob mich irgendjemand vermissen würde? Ich bezweifelte es sehr. Mit müden Knochen rappelte ich mich auf und verließ wortlos mein Zimmer. Ich kannte mich zwar nicht mehr so gut auf dem Flur aus, aber ich versuchte das aus meinen Gehirn rauszukramen, was noch übrig war. Zuerst lief ich gegen die neue Pflanze, die sie hier aufgestellt hatten. "Verdammte scheiße.", murmelte ich genervt und ging langsam weiter. "Michael?", hörte ich es einige Meter vor mir. "Luke?" Er nahm meine Hände und ich merkte, dass er mein Gesicht musterte. "Willst du raus?", fragte er mich besorgt. "Ja, ich wollte einen Spaziergang machen.", murmelte ich. "Gut, aber nur kurz. Ich komme mit, okay? Du warst schon lange nicht mehr draußen." Gut. Hand in Hand gingen wir in den kleinen Garten der Klinik. Dort saßen wir zusammen auf einer Bank, vor uns war ein kleiner Tisch, wo Luke uns Tee geholt hatte. Hauptsächlich hörte ich alte Menschen über das windige Wetter meckern. Ganz besonders die Stimme von Mrs. Parker stach heraus. Die Stimme der alten Dame, deren Aussehen ich leider nicht beschreiben kann, war hart, rau und ernst. Immer. Egal, was sie von sich gab, welche Feierlichkeit anstand, egal was. Cal erzählte mir einmal, dass sie graue Haare hätte, aber sie versuchte es sie sich zu färben. In blau. Mrs. Parker war verrückt wie eh und je, doch blieb sie immer ernst, dennoch liebevoll. Melli hatte oft mit ihr zutun. Sie war sowas wie eine neue Mutter für sie. Ich fühlte mich so verdammt schlecht, dass ich Melli nie so etwas bieten konnte. Sowas wie eine Familie. Ich spürte seine Hand auf meinem Arm, was mir versichern sollte, dass er nicht von meiner Seite wich. "Was bedrückt dich, Michael?", fragte der Blondschopf und streichelte meinen vernarbten Arm. Wortlos senkte ich meinen Kopf und schluckte. "Ich vermisse Calum.", sagte ich gerade raus. "Er hat sich heute extra wegen dir frei genommen.", meinte Luke etwas leise. "Ihr habt doch Streit.", dachte der Blondschopf laut und strich mir nun über meinen Oberschenkel. Ich nickte langsam und zog meine Ärmel tiefer nach unten, damit die Narben keinen Weg nach draußen fanden, damit sie niemand sah und mich niedermachen konnte. "Er kriegt sich bestimmt wieder ein.", tröstete Luke mich mit einem Lächeln in seinem Gesicht. "Ashton ist komischerweise auch weg.", murmelte er dann abwesend. "Vielleicht tröstet er gerade Cal.", schmunzelte ich und legte meinen Kopf auf Lukes Schulter. "Oder andersrum." Vorsichtig streckte ich eine Hand aus und griff nach der Tasse mit dem heißen Tee. Ich nippte kurz dran und nahm die Tasse in beide Hände. Ich mochte die Wärme. Es fühlte sich so an, als wäre Cal bei mir. "Kannst du Cal anrufen? Sag ihm, es ist ein Notfall.", murmelte ich und tippte mit meinen Fingern auf der warmen Tasse herum. "Also, nur wenn du willst.", fügte ich dann unsicher hinzu. "Er verändert dich.", sprach Luke sanft. Ich hörte, wie er sein Handy rausholte. "Soll ich ihn holen?", fragte er nochmal sicherheitshalber nach, woraufhin ich einfach nickte. Wenn er in zwei Stunden nicht hier ist, gehe ich, dachte ich und nippte wieder an meinem Tee. Für immer. "Cal? Ich bins, Luke. Es gibt ein Notfall in der Klinik. ... Ja, genau. ... Nein, das nicht. ... Kannst du bitte schnell kommen?" Seine Stimme klang so wie die eines mir bekannten Sängers. Nur ich kam nicht auf den Namen. Damals hörte ich oft Musik von ihm, doch heute beschränkte ich mich auf Green Day und Nirvana. "Er kommt so schnell er kann.", lächelte Luke mich an und wuschelte mir durch die Haare. Sollte ich jetzt beruhigt sein? 


The blind accident {Malum ff} (Abgeschlossen) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt