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Calum:

Gestern waren Michael und ich im Kino. Ja, er konnte zwar nichts sehen, doch es war seine eigene Idee. Wir gingen in eine Filmversion von 'The Walking Dead', Michaels Lieblingsserie. Zuerst war auch alles in Ordnung. Als ich ihn zu unseren Plätzen brachte, holte ich Popcorn und Cola, Schokolade und Gummibärchen. Alles, was er wollte. Die Hälfte davon aßen wir schon auf, bevor der Film überhaupt anfing. Nachdem ich dann schließlich viele Male mit Michael auf die Toilette gehen musste, saßen wir am Anfang des Filmes dort und hielten unsere Hände. Ich freute mich schon so sehr, die Zukunft mit ihm zu verbringen. Er wird nicht sterben. Ich wollte dies unbedingt verhindern. Und wenn ich etwas wollte, dann klappte dies auch. Feste hielt ich seine Hand, während ich dann merkte, dass er immer wieder über meine lange Narbe strich, die sich über meiner ganzen Hand streckte. "Calum?", hörte ich es leise neben mir. Er sah zu mir auf. Seine schwarze Brille reflektierte den Film, weswegen ich kurz lächelte. "Ja?", hauchte ich sanft an seine Lippen und strich ihm über seine Handfläche. "Mir geht's nicht gut.", murmelte er und schluckte, wurde immer leiser und klang auf einmal ziemlich angeschlagen. "Mein Kitten, alles wird gut. Ist dir schlecht? Willst du raus?", fragte ich besorgt und legte eine Hand auf seinen Rücken. Michaels nun blauen Haare sahen im Licht schwarz aus, als er hektisch aufstand und raus rannte. Er knallte zwar hin und wieder gegen Sitze und Wände, doch er schaffte es tatsächlich alleine an die frische Luft zu kommen. Ohne zu zögern lief ich dem schwachen Blauhaarigen hinterher, den ich verwirrt in der Eingangshalle wiederfand. Er sank auf seine Knie und hustete, bis er sich schließlich mit den Armen am Boden abstützen musste und dann aufsah. "Michael, was ist los?", fragte ich besorgt und hockte mich neben ihn. "Komm, wir sollten lieber wieder zurück zur Klinik.", hauchte ich besorgt an sein Ohr, während ich beide Hände an seine Schultern legte. Er schüttelte sofort den Kopf und hustete weiter. "Nein, es geht schon.", verteidigte er sich mit schiefen Stimme. "Nein, wir gehen." Michael konnte kaum aufstehen, so schwach war er auf einmal. Da hob ich ihn einfach hoch und verließ so schnell wie möglich das Kino. 

"Wie lange dauert das?", fragte ich Luke leise, der Werte aufschrieb und mich dann ansah. "Die Untersuchung ist nur kurz. Halbe Stunde vielleicht.", sprach er ernst und tippte mit dem Kugelschreiber auf das Klemmbrett. "Dann sehen wir, ob deine Augen sich mit seinem Körper vertragen." Seine Angst und Unsicherheit in den Augen werde ich niemals vergessen. In Michaels Augen konnte ich sowas nie ablesen. "Er stirbt nicht.", versuchte ich meine Hoffnung zu bestätigen. Da heimste ich mir traurige Blicke von Luke ein. "Nein, er wird nicht sterben.", versuchte er mich schließlich zu beruhigen und zwang sich ein kleines Lächeln auf. "Cal?" Ashtons Stimme war viel sanfter und ruhiger geworden, seit dem Joyce weg ist. Sie war in Amerika. Alleine. Meldete sich nie. Ob ich ihr nicht wichtig genug war? Anscheinend nicht mehr. Schade. Der Lockenkopf stellte sich etwas nervös vor mich hin und tauschte Blicke mit Luke aus. "Willst du wissen, wie die Untersuchung ausgefallen ist?", fragte er mich leise. "Eigentlich will ich nur wissen, wie es Michael geht." Wieder sahen sich die beiden an. Sie verheimlichten mir etwas, doch sie rückten nicht mit der Sprache heraus. "Es geht ihm schlecht, und ich will wissen, was er hat.", sagte ich fast unter Tränen, doch ich konnte sie gerade noch so zurückhalten. "Es geht ihm gut. Er liegt in seinem Zimmer und schläft jetzt. Die Untersuchung war etwas schwer für ihn.", erzählte mir der große Lockenkopf, während Luke sich räusperte und weitermachte. "Wir müssen dir was sagen, bevor du erfährst, ob deine Augen okay sind, oder nicht." Wieder tauschten sie Blicke. Nicht sehr vielversprechend. "Was denn?", fragte ich unsicher nach. Kurzes Schweigen folgte, bis Luke sich endlich zu Wort meldete. "Falls du dafür geeignet wärst, bzw. deine Augen, dann.. besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass du eventuell.. dass dein Gehirn das alles nicht verkraftet und verarbeiten kann.. Einige Venen sind dann durchtrennt, die lebenswichtig sind.", versuchte mir der blonde Assistent zu erklären, und ich verstand sofort. Mit großen Augen sah ich zu Ashton auf, der sich ebenfalls die Tränen verdrückte. "Willst du das Ergebnis wissen?", fragte er mich vorsichtig. Ohne nachzudenken nickte ich einfach. Wenn Michael glücklich sein konnte und sein Leben endlich von neu anfangen konnte, dann sollte es so sein. Auch, wenn ich dann nicht mehr für ihn da sein kann. Schweigen. Die zwei sahen mich einfach nur traurig an. Dann war ich wohl der Letzte, der nicht nur meine Familie, sondern auch das Leben verließ. 


The blind accident {Malum ff} (Abgeschlossen) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt