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Calum:

"Das ist nicht dein Ernst.", sprach ich schmunzelnd und ließ mich auf den Holzstuhl in Ashtons Büro fallen. "Du verarschst mich." Luke kam gerade zur Tür herein und hatte drei Tassen Kaffee gleichzeitig in der Hand. "Danke.", murmelte ich dann deprimiert und nahm die heiße Tasse an mich. Der Blondschopf setzte sich lächelnd neben mich und wir beide sahen zu Ashton, der nachdenklich aus dem großen Panoramafenster schaut. Er schwieg. Er log mich also doch nicht an. Sollte ich das Thema wechseln? Sollte Luke das Wort übernehmen? Sollte ich weinen? Tränen stießen mir schon in die Augen. Ashton merkte es sofort und kam auf mich zu, nahm mich in die Arme und schluckte. "Es tut mir leid.", hauchte er in mein Ohr. "Und was, wenn er bald noch die Operation machen kann?", fragte ich leise und unterdrückte die Tränen ihr Nest zu verlassen. "Das geht nicht, niemand ist dafür geeignet.", sprachen Luke und Ashton fast gleichzeitig. "Keiner der freiwilligen Spender haben dieselbe DNA. Bzw, sie sind nicht geeignet, sie können sich nicht mit Michaels Körper anfreunden.", erklärte mir Luke mit seiner zarten Stimme, die mich einerseits beruhigte, aber andererseits auch zum weinen brachte. "Die Zeit rennt uns davon." Große Hände legten sich auf meine Schultern. "Calum, es tut mir leid.", sagte Ashton nochmal und schniefte. "Es gibt keine Hilfe mehr.", fügte er hinzu. "So ist das Leben.", hauchte er dann wieder an mein Ohr und drückte mich an sich. "Und was, wenn ich es mache?"

Müde schlenderte ich durch die Gänge der Klinik. Hier war ich schon lange nicht mehr. Die Intensivstation. Hier war es am aller freundlichsten in der ganzen Klinik. Die Wände waren mit Farben geschmückt, Pflanzen hielten die traurige Luft sauber. Was hieß bald? An der Rezeption stand Joyce. Der wunderschöne Engel sprach mit der Frau in weißen Klamotten, die ihr einen Zettel zum ausfüllen gab. Daraufhin setzte sich die dunkelblonde Schönheit in den Wartebereich und fing an das Papierzeug auf einem Klemmbrett auszufüllen. "Was machst du denn hier?", fragte ich etwas unsicher und lehnte mich gegen das Aquarium am Wartebereich. Etwas erschrocken sah sie auf, doch lächelte dann sanft. "Hey, Calum. Ich bin gerade dabei mich hier abzumelden. Weißt du, ich wollte sowieso mit dir reden..", sprach sie etwas nervös und legte das Klemmbrett mit dem Stift zur Seite. Sie klopfte auf den leeren Platz neben ihr und ich setzte mich brav. "Was hast du vor?", fragte ich leise. Joyce sah kurz auf den Boden, fing an an ihren Fingern zu spielen, bis sie mir in die Augen sah und nochmal tief durchatmete. "Ich will nach Amerika." Sie sprach so leise, dass ich Lippenlesen konnte. "Und.. was willst du da?", fragte ich etwas verblüfft. "New York sehen. Vielleicht werde ich dort Schauspielerin oder Model. Oder irgendwas. Aber hier bin ich nicht glücklich. Hier habe ich niemanden mehr, außer dich." Das tat weh. Sprachlosigkeit überkam mich. Gespannt sah mich das dunkelblonde Mädchen an. Ihr Make-Up saß heute perfekt. Nicht zu viel Wimperntusche, ein wenig Rouge, ein strahlendes Lächeln. Ihre Klamotten waren schlicht gehalten, das erste Mal. Sonst trug sie immer auffällige Sachen. Ich schluckte und sah auf meine Hände. "Das ist schön.", lächelte ich dann schwach und sah zu ihr auf. "Pass aber auf dich auf. Und du musst anrufen. Jeden Tag.", grinste ich, was sie erwiderte. "Du bist der Beste."

Meine Schicht begann in wenigen Minuten. An meinem Spind zog ich mir die weißen Klamotten an, wie jeden Tag. Auf einmal fiel mir der Affe von Melli in die Hände. Einen Moment hielt ich inne und schloss die Augen, bis ich den Affen dann in wieder in den Spind legte und gut verschloss. Einen Fuß nach anderen, so begab ich mich in das 8. Stockwerk, wo ich an Michaels Tür klopfte. "Cal.", grinste er, bevor ich die Tür überhaupt öffnen konnte. Das liebte ich an ihn. "Hey, Mikey.", lächelte ich sanft und ging die wenigen Schritte durch sein Zimmer zu seinem Bett. "Hast du noch Hunger?", fragte ich leise, als ich den leeren Frühstücksteller sah. Ein kurzer Blick auf die Werte, auf die Tabelle am Bett, dann widmete ich mich Michael, der noch eingekuschelt im Bett lag. Er sah putzmunter aus. Ich konnte nicht glauben, dass er- "Ein bisschen. Gehen wir raus?", fragte er mit einem Grinsen im Gesicht, welches ich zuletzt an meinem ersten Arbeitstag sah. "Zieh dich aber schick an.", erwiderte ich glücklich und kam zu meiner Hauptaufgabe: Gedanken verdrängen, Lächeln. Glücklich sein. Zumindest so tun, als ob. 


The blind accident {Malum ff} (Abgeschlossen) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt