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Michael:

Es fühlte sich so an, als hätte ich zwanzig Jahre geschlafen. Vielleicht auch mehr. Doch es war neu, dass ich mich besser fühlte denn je. Meine Augen flatterten und ich erschreckte mich, als mich das helle Licht von draußen blendete und kurz fast umhaute. "Scheiße.", grinste ich überwältigt von diesem Gefühl und fasste direkt die weiße Bettdecke vor mir an. Sie fühlte sich ganz anders an, wenn ich genau hinsehen konnte. "Scheiße!", rief ich glücklich und fing aus Freude an zu Lachen. "Clifford? Alles in Ordnung? Oh.", grinste mich Luke an. Er sah genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. "Dir geht's anscheinend gut.", lachte der Blondschopf mit seinen blauen Augen und kam zu meinem Bett. "Verdammt, das ist so toll.", murmelte ich total verwirrt und glücklich zugleich. "Das glaub ich dir.", grinste Luke etwas abwesend, als er meine Werte überprüfte und sich Notizen auf seinem Klemmbrett machte. Auf einmal sah mir dieser fest in die Augen und schluckte kurz. "Was?", fragte ich mit einem schwachen Lächeln im Gesicht. "Ehm.. du darfst die Augen noch nicht so belasten. Gleich bring ich dir Augentropfen und ein paar Medikamente." - "Nichts Neues." Mit einem etwas traurigem Lächeln verließ Luke den Raum. Ich hatte gar keine Zeit darüber nachzudenken, denn ich wollte gerade nur eins: raus in die Welt. Und meinen Spender kennen lernen. Nie war ich jemanden so dankbar, wie jetzt. Verdammt, das musste ich Calum erzählen! Voller Glückshormone sprang ich auf und hielt das erste Mal vor einem Spiegel in meinem Zimmer. Meine roten Haare strahlten und standen in alle Richtungen, als hätte ich in eine Steckdose gepackt. "Braune Augen.", murmelte ich leise und glücklich, als ich die Farbe endlich erkannte und mir dann durchs Haar fuhr. Auf dem Flur begegnete ich Ashton, den ich fest in den Arm nahm. Ich hoffte, dass es Ashton war, denn er fühlte sich genauso an wie er. "Michael.", grinste der Lockenkopf zufrieden und erwiderte die Umarmung. "Ich kann sehen.", grinste ich fröhlich, wie ein kleines Kind, als hätte ich den Weihnachtsmann gesehen. "Weiß ich.", grinste dieser und war dann doch etwas traurig. "Was ist denn los?", fragte ich etwas bedrückt. "Gönnt mir das keiner?" - "Sicherlich. Nur jetzt kannst du dich nicht mehr als blind vorstellen. Jetzt musst du dir was anderes ausdenken.", grinste der riesige Lockenkopf und legte seine großen Hände auf meine Schultern. "Michael, du solltest dich noch ausruhen.", sprach er sanft zu mir. "Ich will aber raus.", meinte ich ernst und musterte ihn aufgeregt. "Hab schon zwei Tage geschlafen, oder mehr. Das reicht.", versuchte ich es weiter. "Außerdem muss ich Calum sehen.", grinste ich dann. Nur auf Ashtons Lippen zeichnete sich Traurigkeit. "Wo ist er?", fragte ich und fuhr mir wieder durchs blutrote Haar. "Schau mal im.. Gebäude 7, Zimmer 56, dritte Etage nach.", sprach er leise. "Ist das nicht das Leichenschauhaus?", fragte ich verwirrt. Er nickte langsam. "Wurde er befördert?" Ashton grinste kurz, doch sah dann in meine Augen. "Aber lass dir Zeit.", sagte er noch schnell, als ich mich schon umdrehte und den Flur entlang rannte. Wie benutzte man das jetzt? Ich ging von meinen Sinnen und Gefühlen aus, drückte einfach den Knopf, den ich immer drückte und schon öffnete sich der Fahrstuhl. Die Zeit verging viel zu langsam, ich wollte jetzt schon dort sein. Ich war so verdammt aufgeregt, dass ich nicht mal bemerkte, dass ich auf Socken durchs Haus lief. Im Gebäude 7 angekommen, hielt mich eine Krankenschwester auf. Zumindest verhielt sie sich so wie eine. "Kann ich Ihnen helfen?", fragte sie mit einem Lächeln im Gesicht. Sah ich so verwirrt aus? "Ich will in die dritte Etage, Zimmer.. eh.." Verdammt. "Ah, ich glaube, sie wollen ihren Spender sehen.", lächelte sie etwas traurig und nickte dann. "Kommen Sie mit." Meinen Spender? "Eigentlich wollte ich zu Calum Thomas Hood. Er wurde befördert.", murmelte ich verwirrt, als mich die nette Krankenschwester an die Hand nahm und zum Zimmer führte. "Hier arbeitet kein Calum, tut mir leid.", dachte sie laut, doch ihre Stimme war so liebevoll, dass ich ihr nicht böse sein konnte. "Zimmer 56.", sprach sie behutsam. "Soll ich hier auf Sie warten?", fragte sie mich mit einem Lächeln im Gesicht. Ihre Zähne strahlten richtig. "Nein, nein." Ich wurde immer unsicherer und bekam auf einmal solche Angst. Wollte ich dort wirklich rein? Mit wackeligen Knien stand ich vor der Tür und öffnete diese, trat langsam hinein und schloss die schwere Tür sofort hinter mir. Die Fliesen waren kalt und das Licht war nur gedämmt. Mitten im Raum ohne Fenster stand ein langezogener, grauer Tisch, wo eine Person mit einer blauen Plane bedeckt war. Vorsichtig bewegten sich meine Beine immer einen Schritt weiter nach vorne, bis ich vor dem Leichnam stand und meine Hand auf den Saum der Plane legte. Ich betete, dass es nicht Calum war. Zögernd zog meine Hand die Plane vom Kopf weg, und ich wünschte, ich wäre wieder blind.


The blind accident {Malum ff} (Abgeschlossen) ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt