4. Akt - Die Begrüßung

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„Guten Tag! Ich bin Frau Fischer die Leiterin dieses Projektes. Ich freue mich, euch hier begrüßen zu dürfen." Frau Fischer lächelte in die große Gruppe. Das Mirko quietschte kurz, als sie sich wieder vorlehnte, um fortzufahren. „Oh, entschuldigt bitte. Ich werde jetzt verkünden, wie der Unterrichtsplan aussieht. Was für ein schlimmes Wort", meinte sie lachend. Dann erklärte sie, dass wir jeden Morgen, außer am Wochenende von neun Uhr bis um zwölf Uhr Theorie haben werden und nach der Mittagspause ab zwei Uhr bis um vier Uhr nachmittags Praxis. Am Wochenende haben wir Freizeit und dürfen sogar in die Stadt gehen. „Die Nachtruhe beginnt um 22 Uhr. Bitte haltet euch daran. Am Wochenende sind wir gnädiger. Dort seid ihr bitte ab 23:30 leise in euren Zimmern. Wenn sich irgendjemand nicht an die Hausregeln hält, muss er oder sie leider nach Hause fahren." Also im Allgemeinen hörte sich das alles echt gut an. „So, wenn ihr noch Fragen habt, dann wendet euch ruhig an mich. Da heute Sonntag ist, habt ihr heute keinen Unterricht. Erst ab morgen um neun. Jetzt wünsche ich euch noch einen schönen Tag. Danke für eure Aufmerksamkeit!" Das Mikro quietschte noch einmal kurz und Frau Fischer verließ die Bühne. „Hört sich doch cool an", sagte Lewis neben mir. „Ich freue mich auch schon." Grinsend drehte ich mich zu ihm um. „Robin?" Ich schaute nach rechts, wo Julie aufgetaucht war. Neben ihr stand ein Mädchen mit braunen Haaren, die etwas gelangweilt durch die Gegend schaute. „Oh hi", sagte ich. „Wie schön, dass wir beide eine Hauptrolle bekommen haben." „Ja, das finde ich auch", meinte Julie und lächelte etwas schüchtern. „Na ja, dann sehen wir uns morgen. Ich habe gehört die Hauptrollen kommen in einen Kurs", erklärte sie nach einer kurzen Pause. „Gut, dann bis dann", sagte ich. „Komm, Anna", sagte Julie zu dem Mädchen und die beiden verschwanden in der Menge. „Wer war das denn?", fragte Lewis grinsend. „Ach, das war Julie. Ich habe mit ihr beim Casting gespielt. Sie ist echt gut." „Und hübsch", ergänzte Lewis und zwinkerte mir zu. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Denkt er etwa, ich stehe auf sie? Oh Gott, ich hoffe, das wird nicht zu kompliziert.

„Hier gibt es echt viele heiße Mädels." Riley stand plötzlich neben Lewis und sah sich grinsend um. Ich verdrehte die Augen. „Ich hoffe, die sind nicht alle so wie du. Es geht hier ums Schauspielern, wie Lewis schon gesagt hat." Das war mal wieder einer dieser Momente, in denen ich meine große Klappe lieber nicht aufgemacht hätte. Riley warf mir einen wütenden Blick zu und ging einen Schritt auf mich zu. „Hast du mich gerade beleidigt? Du kennst mich doch gar nicht." Er hatte wirklich beeindruckende, blaue Augen, die einen tollen Kontrast zu seinem schwarzen Haaren darstellten. „Ich habe schon ein bisschen über dich erfahren. Aber ich wollte dich nicht beleidigen. Tut mir Leid." Riley funkelte mich weiterhin böse an. „Geh mir nicht auf die Nerven, verstanden?" Ich war kurz davor, zu sagen, dass er mich auch nicht nerven soll, doch ich ließ es lieber sein und nickte bloß. Ich war hier um meinen Traumberuf zu verwirklichen und nicht, um mich mit irgendwelchen Vollidioten anzulegen. Ich hätte im Übrigen keine Chance gegen einen der Jungen. Ich bin ja nun mal ein Mädchen.

Am Abend unterhielt ich mich mit Lewis, den ich inzwischen echt sympathisch fand. Riley stand währenddessen unter Dusche. „Ich bin echt gespannt, worum es in dem Stück gehen wird", meinte Lewis und lehnte sich an die Wand hinter seinem Bett, auf dem er saß. „Ich auch. Ich hoffe,..." Bevor ich meinen Satz beenden konnte, klopfte es an der Tür. Lewis sah mich kurz an und ich zuckte mit den Schultern. „Herein", sagte er und wir sahen zur Tür. Zwei Mädchen kamen herein. Die eine erkannte ich sofort wieder. Sie spielte auch eine der Hauptrollen. Es war das Mädchen mit den langen, schwarzen Haare und dem eingebildeten Gesichtsausdruck. Das andere Mädchen hatte ein sehr hübsches Gesicht und ebenso lange braune Haare. Sie kannte ich aber nicht. „Ist Riley da?", fragte die Schwarzhaarige, deren Name mir nicht mehr einfiel. „Ja, er duscht gerade", erklärte Lewis. Sie ging zur Badtür und klopfte. „Riley? Ich bin's, Tess. Lässt du mich rein?" Ich riss die Augen auf. „Könnt ihr nicht später wieder kommen?", fragte ich. Tess warf mir einen genervten Blick zu. Doch sie antwortete mir nicht. Die Badtür öffnete sich und Riley kam nur mit einem Handtuch um seine Hüfte heraus. „Hey, was macht ihr denn hier?", fragte er die beiden Mädchen. „Vermisst ihr mich schon?" Ich hätte mich am liebsten übergeben. Rileys toller Oberkörper machte sein Verhalten auch nicht wett. „Wir haben vorhin vergessen dir unsere Zimmernummer zu sagen. Es ist die Nummer 18. Aber wir haben leider noch diese komische Julie bei uns. Wenn du uns besuchen willst, müssen wir sie irgendwie loswerden." „Dann geht sie halt zu ihrer Freundin", warf das andere Mädchen ein. „Ja, es ist auf jeden Fall einfacher, wenn du zu uns kommst." Tess sah Lewis und mich angewidert an. Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. „Na ja, bis bald, Riley." Sie küsste ihn auf die Wange und ihre Freundin machte es ihr nach. Dann verließen sie das Zimmer. Lewis seufzte. „Kein Kommentar." „Interessant", fügte ich hinzu. Lewis fing leise an zu lachen. „Ihr seid neidisch, weil ich sogar zwei Frauen auf einmal haben kann", meinte Riley und wühlte in seiner Tasche, die immer noch voll auf dem Bett stand. Er hatte nicht mal die Bettwäsche bezogen. „Ja, das ist wirklich ein Lebenstraum von mir gewesen. Mein höchstes Ziel!", sagte ich sarkastisch, woraufhin Lewis noch mehr lachen musste. „Halt doch deine vorlaute Klappe! Ich kenne dich kaum und du nervst mich jetzt schon." Riley verschwand mit einem T-shirt und einer Boxershorts wieder im Bad. Ich sah Lewis mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Was hast du noch mal gesagt? Er kann auch nett sein?", fragte ich ihn leise. Lewis zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Könnt ihr euch mal umziehen. Ich will pennen." Riley stand umgezogen vor uns. „Ja, von mir aus. Ich bin im Bad", erklärte ich. Mit meinen Schlafklamotten verschwand ich Bad. Ich zog mich um und rückte mein Band um die Brust noch einmal zurecht. Am liebsten würde ich es ausziehen, doch das war zu gefährlich. Unter der Boxershorts, die ich zum Schlafen anzog, ließ ich meinen eigenen Slip an. Sonst wäre mir das zu ungemütlich. Auch meine Perücke richtete ich noch einmal, obwohl ich da auch den Drang hatte sie auszuziehen. Zum Glück habe ich nur schulterlange, blonde Locken. Die waren gut unter eine Perücke zu kriegen. Dann putze ich mir die Zähne und verließ das Bad wieder. Lewis lächelte mich entschuldigend an, als er das Bad betrat. Ich war nun alleine mit Riley.

Ohne ihn zu beachten stieg ich in mein Bett. Riley war gerade dabei, sein Bett zu beziehen. „Da kommst du ja früh drauf." Ich biss mir auf die Lippe. Schon wieder so ein blöder, unüberlegter Kommentar von mir. „Provozierst du mich mit Absicht?", fragte Riley und drehte sich kurz zu mir um. „Nein, ich habe nur eine große Klappe. Nimm es einfach nicht so ernst. Machen meine Freunde mittlerweile auch nicht mehr." Riley schnaubte und setzte sich auf das fertig bezogene Bett. „Ich bin nicht dein Freund. Also pass besser auf, was du sagst." „Du auch", gab ich zurück, woraufhin er mich wieder wütend anfunkelte. „Und nur zur Info: Ich will mit deinen Frauengeschichten nichts zu tun haben. Also triff dich mit denen nicht in unserem Zimmer." Zum einen wollte ich es nicht, weil es mich wirklich störte und zum anderen hatte ich Angst, dass eine von diesen Mädchen etwas von meinen unmännlichen Sachen findet. Je weniger Menschen sich in unserem Zimmer aufhielten, desto besser. „Darüber hast du nicht zu bestimmen." „Doch hat er und ich auch." Lewis kam aus dem Bad. „Ich bin auch gegen irgendwelche Mädels in unserem Zimmer." Riley blickte wütend in unsere Richtung, doch schließlich nickte er. „Na schön." Dann legte er sich hin und beachtete uns nicht mehr. Lewis und ich legten uns auch hin, nachdem Lewis das Licht ausgeschaltet hatte. „Gute Nacht", wünschte Lewis. „Nacht", sagte ich und Riley blieb wie erwartet stumm. „Sturkopf", murmelte ich leise und schloss die Augen.

If I Were A BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt