19. Akt - Die Gewinner

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Nervös stand ich hinter der Bühne. Das ziemlich laute Gemurmel der Menge wurde langsam leiser und mein Herz fing immer schneller an zu schlagen. „Bereit?" Ich fuhr erschrocken herum und sah direkt in die eisblauen Augen von Riley. Nun setzte mein Herz einen Schlag aus, ehe es heftig weiter gegen meine Brust hämmerte. „Ja und du?", fragte ich. Riley nickte. „Immer doch."

„Hey, Leute." Lewis stieß zu uns. „Freut ihr euch auch so sehr wie ich?", wollte er freudestrahlend wissen. „Was denkst du denn?", fragte ich grinsend. Kaum hatte ich meinen Satz beendet, ertönten die einleitenden Worte von Frau Fischer. Das Stück fing an.

Für die nächsten zwei Stunden war ich vollkommen in meiner Rolle als Zack, der in einer Welt voller Vampire lebt und seinen besten Freund Jake alias Riley als Vampirjäger zur Seite stehen will. Auch den Kuss zwischen Julie und mir meisterten wir beide echt gut und vermutlich auch überzeugend. Als ich von der Bühne ging war ich mir fast sicher, dass niemand geahnt hatte, dass ich eigentlich ein Mädchen bin.

Bei der Feier nach dem Stück, stellte ich meinen Eltern, Sammy und Alice meine neuen Freunde Riley, Lewis und Julie vor. Meine Eltern wurden mittlerweile auch über meinen äußerst schlauen Plan bei dem Schauspielprojekt eingeweiht. Da sie ziemlich locker waren, fanden sie das nicht weiter schlimm, sondern ziemlich amüsant. Wir trafen später noch auf Lewis' Eltern, die mir auf Anhieb sympathisch waren. Und schließlich kam Sven noch vorbei und lobte meine überzeugenden Schauspielkünste, was mich ziemlich stolz machte.

Eine Stunde später war es dann soweit: Die drei Gewinner der Stipendien sollten verkündet werden. Frau Fischer trat auf die Bühne und brachte zunächst das Mikrofon - so wie am ersten Tag des Projektes - zum Quietschen. „Tut mir leid, dass ich das köstliche Essen noch einmal unterbrechen muss, aber ich wollte nun die Gewinner der Stipendien auf die Bühne holen." Sie lächelte, als es kurz Beifall gab. Dann sah sie auf ihren Moderationszettel und räusperte sich. „Ich habe am letzten Abend allen Teilnehmern bereits verkündet, dass jeder von ihnen eine gute Leistung abgeliefert hat, aber drei fanden wir besonders herausragend." Sie räusperte sie erneut, während ich vor Spannung beinah platzte. Alice drückte kurz quiekend meine Hand und meine Mutter strich mir über den Kopf. Ich schielte kurz zu Riley und Lewis herüber. Riley starrte ein wenig gelangweilt auf die Bühne, doch mir war klar, dass er innerlich genauso angespannt war wie ich. Lewis lächelte und blickte erwartungsvoll zu Frau Fischer.

„Der erste Gewinner ist ..." Sie hielt kurz inne. „... Julie Schubert. Herzlichen Glückwunsch!" Julie schlug die Hände vor ihr Gesicht und ging unter den begeisterten Rufen ihrer Familie und Freunden auf die Bühne. Ich stimmte in den Beifall mit ein. Sie hatte es wirklich verdient. Noch immer völlig aufgelöst, nahm sie das Stipendium entgegen und stellte sich hinter Frau Fischer auf der Bühne auf. „So, und der nächste Gewinner ist Lewis Schuster", verkündete sie fröhlich. Ich jubelte und winkte ihm lachend, als sein erstaunter Blick kurz auf mich fiel. Riley schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter dirigierte ihn Richtung Bühne.

Als Lewis seinen Preis auch entgegen genommen hatte und der Beifall sich gelegt hatte, gab Frau Fischer den letzten Gewinner bekannt. „Und der letzte Gewinner ist Robin Peters, die uns ganz schön überrascht hat", lachte Frau Fischer. Alice fing an zu kreischen und ich vergrub, genauso wie Julie, das Gesicht in den Händen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu grinsen, während ich mit wackligen Beinen auf die Bühne stieg und das Stipendium entgegen nahm. Damit hatte ich nicht gerechnet. Immerhin hatte ich gegen viele Regeln verstoßen. Doch offenbar kam mir das am Ende zu Gute. Ich stellte mich noch immer grinsend zwischen Lewis und Julie, die mir fröhlich gratulierten. Das einzige, was meiner guten Laune einen kleinen Dämpfer gab, war die Tatsache, dass Riley nicht gewonnen hatte. Wie sollte er sich nun eine Schauspielausbildung leisten?

Wir verließen gemeinsam die Bühne und gesellten uns wieder zu unseren Angehörigen. Meine Eltern wiederholten ständig, wie stolz sie doch auf mich sein und mein Grinsen war mittlerweile in mein Gesicht eingemeißelt. Ich unterhielt mich angeregt mit Julie und Lewis über den Unterricht an der Schule, die wir nun gemeinsam besuchen würden.

Irgendwann musste ich auf die Toilette und ließ meine Familie und Freunde erstmal allein. Ich war gerade dabei die Toilette wieder zu verlassen, als mich jemand zur Seite zog. Ich wurde in einer dunklen Ecke an die Wand gedrückt und geriet kurz in Panik. Erst als ich vor mir Riley erkannte, beruhigte ich mich wieder. „Ich dachte kurzzeitig, du seist Nick", sagte ich erleichtert. Riley verzog den Mund zu einem Grinsen, doch es erreichte nicht seine Augen. „Ich weiß nicht, wann wir uns das nächste Mal sehen werden", sagte er, nun wieder ernst. „Das hatten wir doch schon", meinte ich. „Wir treffen uns bald wieder zu dritt. Es ist zwar doof, dass du nicht auf die Schauspielschule gehen kannst, weil die ohne Stipendium ziemlich teuer ist, aber wir können uns trotzdem weiterhin sehen. Und du findest bestimmt eine andere Schule." „Ich werde nicht Schauspiel studieren. Das habe ich dir auch schon gesagt", erklärte Riley. „Aber wieso? Es gibt doch auch Nebenjobs." Ehe ich darüber nachdenken konnte, hatten die Worte meine Lippen verlassen. Es war ziemlich frech, Riley zu sagen, was er zu tun hatte, um sein Leben zu finanzieren. „Sorry", sagte ich schnell. „Ich meine es wirklich nicht böse. Ich weiß ja, dass du ein paar Probleme hast. Aber versuchen kannst du es doch vielleicht, oder?" fragte ich hoffnungsvoll. „Ich wollte jetzt eigentlich nicht über meine Zukunft reden", meinte Riley ein wenig genervt. Dann seufzte er. „Robin, du hast mir gerade die Stimmung verdorben." Ich kaute auf meiner Unterlippe und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Riley schüttelte den Kopf, als wolle er seine Gedanken klären. „Egal, ich wollte bloß, dass du weißt, dass ich echt mag und dich als Freund nicht verlieren will." Seine hellen Augen schimmerten in dem spärlichen Licht. „Das empfinde ich nicht vielen Menschen gegenüber. Bisher nur bei Lewis." Er lächelte leicht. Ich erwiderte es schüchtern. „Ich mag dich auch", sagte ich schließlich und hatte das Gefühl, wie ein Kind zu klingen. Riley senkte den Kopf und lachte leise. Seine Attraktivität in diesem Moment haute mich um. Außerdem war er mir ziemlich nah, was in meinem Magen ein angenehmes Kribbeln verursachte.

Riley sah wieder auf und fesselte mich mit seinem Blick. „Gut, dann lass uns wieder reingehen und feiern", meinte er und ging ein paar Schritte rückwärts. Ich überlegte fieberhaft, ob ich den Moment nutzen und ihm meine wahren Gefühle offenbaren sollte. Entschied mich jedoch dagegen, da wir uns nun länger nicht sehen würden und Riley erstmal sein Leben auf die Reihe kriegen musste. Es wäre einfach unpassend momentan. Vielleicht sollte ich zuerst mit meinen Freunden darüber reden.

Wir gingen gemeinsam zu unseren Plätzen. Lewis hielt mir sofort ein Heftchen über die Schule unter die Nase und fing an, mir den Inhalt eines Kurses begeistert zu schildern. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu. Mein Blick schweifte ständig zu Riley, dessen abwesender Blick durch den Raum glitt. Er will mich nicht verlieren, schoss es mir durch den Kopf. Ich bin nun ein wichtiger Teil seines Lebens. Hoffentlich überlegt er es sich nicht anders, wenn wir erstmal wieder in unseren Alltag zurückgekehrt sind.

If I Were A BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt