Robin
Eine halbe Stunde war vergangen, ohne das Riley - wie eigentlich angekündigt - durch die Tür des Cafés getreten war. Meine Nervosität wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer. Ich fummelte an der kleinen, mit Spitze verzierten Tischdecke herum. Neben mir seufzte Lewis schon zum schätzungsweise sechsundvierzigsten Mal. Ständig schielte er auf sein Handy, das neben meinem auf dem Tisch lag. Aber Riley hatte sich nicht gemeldet.
„Es ist ja typisch für ihn, dass er zu spät kommt. Aber normalerweise sind es höchstens zehn Minuten und er meldete sich auch sonst immer." Ich brachte nur ein zustimmendes Geräusch heraus. Meine Laune war schon drastisch gesunken. Ich hatte keine Lust darüber zu diskutieren, warum Riley nicht mal dreißig Sekunden sein Handy in die Hand nehmen konnte, um uns mitzuteilen, dass er später kommt. Als ich meinen ersten, übertriebenen Seufzer von mir geben wollte, schwang die Tür auf und Riley kam lässig herein. Nun musste ich den Seufzer doch loswerden. Erstens vor Erleichterung, zweitens vor Wut. „Wo warst du denn?", fragte ich sofort, noch bevor Riley den Mund aufmachen konnte. „Ich finde es auch schön, dich zu sehen", sagte er grinsend. Erwartungsvoll blieb er vor unserem Tisch stehen und erwartete offenbar, dass wir aufstehen und uns ihm an den Hals schmeißen würden. Da er nicht von einer Bande Krimineller entführt oder von einem Auto überfahren wurde. Ich musste zugeben, dass es ziemlich hart war, dem Drang, ihm in die Arme zu fallen, zu wiederstehen. Wie immer sah er umwerfend aus - mit seinen schwarzen, verstrubbelten Haaren und den stechend blauen Augen. Er trug eine sportliche Jacke und darunter einen grauen Pullover. In seiner Hand baumelte eine weiße Plastiktüte.
Neben mir stand Lewis auf, um Riley freundschaftlich zu umarmen. Ich blieb auf dem Stuhl sitzen, als wäre mein Hintern daran festgeklebt. Riley zog sein Jacke aus und hing sie über die Lehne. Die Tüte legte er vor sich auf den Tisch, ehe er dort Platz nahm. Ich spürte Lewis' Blick auf mir ruhen, ignorierte ihn aber. „Ich musste noch Besorgungen für meinen Bruder machen", erklärte Riley und klopfte auf die Tüte. „Und zuhause gab es wieder ein wenig Stress. Aber egal." Er winkte ab. „Wie geht es euch?" Sein Blick wanderte zwischen uns hin und her und blieb schließlich an Lewis hängen, der fleißig zu erzählen begann. Als er geendet hatte, gab es beinah nichts mehr, was ich hätte hinzufügen können. Lewis hatte unsere bisherigen Erfahrungen an der Schauspielschule gut zusammengefasst. Leider auch meine Erfahrungen im Ballett.
„Das hört sich wirklich toll an", meinte Riley. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er ein wenig neben der Spur war. Er schien mit den Gedanken woanders zu sein. Er zog mich nicht einmal damit auf, dass ich in Ballett eine Niete war. „Wenn ich dieses blöde Stipendium gewonnen hätte, wäre alles einfacher gewesen", sagte er und stützte seinen Kopf auf dem Tisch ab. „Jetzt muss ich mir erstmal einen Job besorgen, um überhaupt Geld zu verdienen. Das hätte ich mit Stipendium auch machen müssen, aber dann hätte ich wenigstens schon mal eine gesicherte Zukunft." Lewis und ich schwiegen. Es kam selten vor, dass Riley von seinen Sorgen erzählte. Das wollten wir nicht unterbrechen. Doch Riley war offenbar fertig mit seinem kurzzeitigen Selbstmitleid und sah sich nun nach der Bedienung um. „Es ist schön, dich wiederzusehen", hörte ich mich sagen. Ein bisschen zu spät vielleicht, Robin.
Riley wandte sich ein wenig verwirrt an mich. „Das sah eben aber nicht so aus", meinte er und seine Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Tut mir Leid. Ich war wütend, weil du zu spät warst. Aber es ging ja um die Familie." Ich lächelte zaghaft. Riley nickte und wirkte schon wieder abwesend. Er bestellte sich einen Kaffee und legte anschließend seinen Kopf erneut in seine Handfläche. „Vielleicht frag ich mal, ob sie hier gerade Personal suchen." „Riley, was genau ist momentan los bei dir?", fragte Lewis unverwandt. „Wenn du unsere Hilfe willst, musst ..." „Die will ich doch gar nicht", unterbrach Riley ihn grimmig. „Warum nicht?", fragte Lewis. „Weil das zu kompliziert ist. Du kennst meine Eltern. Es ist sowieso immer dasselbe." Er warf mir einen flüchtigen Blick zu und seine Miene verfinstert sich, während er mit der Hand durch seine Haare fuhr. Und da verstand ich.
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If I Were A Boy
Teen Fiction*Meine Schreibanfänge und nur zum Spaß geschrieben - nicht zu ernst nehmen* Für ihre Schauspielkarriere würde die 18-jährige Robin alles tun. Aus diesem Grund gibt sie sich als Junge aus, um an einem Schauspielprojekt teilzunehmen. Niemand ahnt, das...