21. Akt - Die Eltern

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Riley

Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. Sofort wurde ich von einem Dunst eingenebelt, der mich zum Husten brachte. Nicht Neues für mich. „Hey", rief ich durch die Wohnung. Ich kickte leere Bierdosen und Pizzaverpackungen aus dem Weg und kämpfte mich so ins Wohnzimmer vor. Auf einem alten Sessel saß er. Mein Erzeuger. Als er meine Anwesenheit bemerkte, unterbrach er seinen Versuch, eine Zigarette anzuzünden. „Was machst du denn schon wieder hier?", blaffte er. Der Stängel fiel ihm aus dem Mund und landete in seinem Schoss. Mit zitternden Händen nahm er ihn zwischen die dreckigen Finger und legte ihn neben sich auf einen kleinen Tisch. Dort befanden sich schon Verpackungen diverser Drogen, die ich bei weitem nicht alle zuordnen konnte und auch nicht wollte. „Wo ist Mum?", fragte ich. Mein Vater runzelte angestrengt die Stirn und sah sich im Zimmer um, als dachte er, die Antwort auf meine Frage dort zu finden. „Na, sie ist weg", sagte er überflüssigerweise. Ich verzog genervt das Gesicht und schnappte mir die selbstgedrehte Zigarette von dem kleinen Tisch. „Ey", schimpfte mein Vater mit rauer, brüchiger Stimme und richtete sich schwerfällig auf. Ein übler Geruch drang in meine Nase. Eine Mischung aus Schweiß und Alkohol. Er trug bloß ein weißes Unterhemd und eine graue, alte Jogginghose. Ein Dreitagebart zierte sein rundes, faltiges Gesicht.

„Junge, mach hier nicht so einen Stress", sagte er wütend und machte Anstalten, mir die Zigarette wieder abzunehmen. Ich hob meinen Arm und brachte sie so aus seiner Reichweite. „Hör mal, Papa", sagte ich energisch. „Lia ist krank. Sie hat eine starke Erkältung und braucht Medikamente. Außerdem benötigt Noah ein paar Sachen für die Schule. Wir können nicht erwarten, dass Bella all den Kram für uns bezahlt." Mein Vater sah mich zunächst irritiert an, als würde sein zugedröhntes Gehirn langsamer arbeiten. Was mit ziemlicher Sicherheit auch so war. Dann öffnete er seinen Mund ein wenig und nickte nachdenklich. „Ja, ja. Deine Mutter besorgt gerade Kohle." Plötzlich riss er die Augen auf. „Aber die brauchen wir auch." „Für Drogen und Alkohol", meinte ich trocken. Er machte eine Handbewegung in meine Richtung. „Was ist denn mit dir? Du musst doch auch was ins Haus bringen, jetzt wo du nicht mehr zur Schule gehst. Dann kannst du den beiden ihr Zeug kaufen." Ich versuchte meine Wut zu zügeln. „Ich bin dabei mir einen Job zu suchen. Aber das sind eure Kinder. Du kannst froh sein, dass das Jugendamt noch nichts von den Zuständen mitbekommen hat." Zum größten Teil lag das wohl daran, dass meine beiden jüngeren Geschwister Noah und Lia mit mir zu Bella gezogen waren. Bella war eine gute Freundin von mir, die ich schon seit acht Jahren kannte. Damals war ich elf, als meine Eltern mich erfolgreich von der Wohnung aussperrten und mich einfach draußen vergaßen. So etwas passiert schonmal, wenn man betrunken, bekifft und außerdem noch schwanger ist und einen dreijährigen Sohn hat, der die ganze Zeit nur Lärm macht. Vielleicht wollten sich mich auch einfach nicht hereinlassen, um zu sehen, ob man Kinder so loswerden konnte oder ob es da effektivere Methoden gab. Bei minus zehn Grad hätte das bestimmt funktioniert. Vor allem weil ich bloß einen dünnen Pullover und keine Jacke trug.

In dieser Nacht fand mich Bella, die gerade mit ihren Freundinnen von einer Party heimkam. Ohne zu zögern nahm sie mich mit zu sich nach Hause und versorgte mich dort mit Essen, warmer Kleidung und einem Bett. Bella engagierte sich schon damals freiwillig bei Organisationen für Obdachlose, weshalb mein Schicksal sie offenbar berührte. Ich war zwar nicht obdachlos, aber das Kind von zwei total verkorksten Eltern. Sie brachte mich am nächsten Tag wieder nach Hause und stellte meine Eltern zur Rede. Vermutlich hatte ich das schauspielerische Talent von meiner Mutter gelernt, die plötzlich in Tränen ausbrach und sich mehrfach für den Vorfall entschuldigte. Trotzdem machte Bella es sich von diesem Tag an zur Aufgabe, ab und zu nach dem Rechten zu sehen. Sie war damals ein sechszehnjähriges Mädchen, das eigentlich anderen Tätigkeiten hätte nachgehen sollen. Da wir uns aber immer auf meinem und ihrem Schulweg begegneten, war es für sie kein großer Aufwand, nach mir zu sehen. Ich vertraute ihr immer mehr und wusste ihre Hilfe zu schätzen. Wenn ich Angst um meine Geschwister hatte, konnte ich immer zur ihr kommen und sie um Hilfe bitten. Ich musste meine Geschwister dann bloß aus dem Haus schmuggeln, wenn Mum und Dad wieder einmal im Rausch waren.

If I Were A BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt