24. Akt - Die Chance

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Riley

„Hey, meine Süße." Leise betrat ich Lias Zimmer. Sie saß auf ihrem Bett, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, und spielte mit ihren Barbies. Ich nahm neben ihr Platz und legte meine Hand auf ihre Stirn. Das Fieberthermometer hatte heute Morgen gezeigt, dass ihre Temperatur gesunken war. Der Arzt hatte ihr Medizin verschrieben, die wir zum Glück bezahlen konnten. Und nun war Lia endlich auf dem Weg der Besserung. Wenigstens eine positive Sache.

„Willst du mitspielen?", fragte sie und hielt mir eine Puppe hin. „Das würde ich wirklich gern, aber ich habe leider keine Zeit. Ich muss jetzt weg." Lia schien das nicht weiter zu stören. Sie war schon wieder in ihr Spiel vertieft. Ich küsste sie flüchtig auf den Kopf, stellte das Glas Wasser zu den Keksen, die ich ihr vorbeigebracht hatte, auf den Nachttisch und verließ das Zimmer.

Vor der Tür wäre ich beinah in Bella hineingerannt. Ich packte sie an den Schultern und verhinderte somit einen Zusammenprall. „Musst du schon weg?", fragte sie. Ich nickte und drückte mich an ihr vorbei, um meine Schuhe anzuziehen. „Und wo genau willst du hin?", hakte sie nach, während ich mir meine Jacke überschmiss. Ich betrachtete mich kurz im Spiegel, um meine Haare zurecht zu zupfen. „Ich habe vielleicht eine einmalige Chance, doch etwas zu tun, was mit Schauspielerei zu tun hat", verkündete ich. Eigentlich hatte ich vorgehabt, die Neuigkeit noch nicht preiszugeben. Zumindest nicht, bevor ich den Job wirklich bekommen habe. „Aber mehr sage ich nicht", sagte ich und drückte Bella einen Kuss auf die Wange. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Bis dann", rief ich und trat hinaus in den Flur. „Viel Glück", hörte ich Bella noch sagen.

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„Herr Föster? Sie können mitkommen." Ich folgte der freundlich aussehenden Frau in einen Raum, in dem zwei Männer und eine Frau saßen. Meine Hände fingen plötzlich an zu zittern. Ich merkte immer deutlicher, wie sehr ich diesen Job wollte. War mir jedoch fast sicher, dass meine Chancen nicht sehr groß waren. Andere Bewerber hatten wahrscheinlich einen besseren Lebenslauf und mehr Erfahrungen. Es war mir schon ein Rätsel, wieso sie mich überhaupt eingeladen hatten. Vielleicht lag es an der Bewerbung, bei der Lewis mir geholfen hatte. Der Einzige, den ich eingeweiht hatte. Vermutlich auch, weil es sich um einen Job ohne große Ansprüche handelte und es außerdem eher einem Nebenjob glich. Zumindest von den Arbeitszeiten. An sich war ich der Meinung, dass man nicht leichtfertig darüber urteilen sollte.

Nun nahm ich ein wenig nervös vor den drei Leuten Platz und versuchte, mich so professionell wie möglich zu geben. Sie stellten sich nacheinander vor und so erfuhr ich, dass der etwas ältere Mann, mit vereinzelnden, grauen Strähnen in den Haaren, der Chef war und die Frau seine Stellvertreterin. Der jüngere Mann, ungefähr Mitte Dreißig, war einer der Schauspiellehrer und würde auch für mich verantwortlich sein. Sein Name war Hendrik. Er bot mir als Einziger gleich den Vornamen an. Das war auch der einzige Namen, den ich mir merken konnte.

„Zufälligerweise war ich bei der Aufführung des Stückes dabei, wo du involviert warst", erklärte Hendrik, als ich mit meiner kurzen Vorstellung fertig war. „Wirklich? Das ist gut, schätze ich." Hendrik lachte. „Ja, das ist es. Du warst eine der Hauptrollen und dass du mir im Gedächtnis geblieben bist, spricht schonmal für dich." Ich nickte lächelnd, weil mir keine passendere Reaktion einfiel. „Und Sie haben zwei jüngere Geschwister?", erkundigte sich nun die Frau. Erneut nickte ich. „Meine Schwester ist acht Jahre alt und mein Bruder ist gerade elf geworden." „Und um sie kümmern Sie sich gerne?" Natürlich interessierte es sie, wie ich mit Kindern umgehen konnte. Immerhin müsste ich in diesem Job Kindern das Schauspielern beibringen. „Ja, sehr gerne sogar. Sie sind mir wirklich wichtig. Aber das kann ja jeder erzählen." Hendrik lachte erneut, doch der Chef hakte noch einmal nach. „Wie meinen Sie das?" „Na ja, Sie können nicht wissen, ob ich tatsächlich gut mit Kindern umgehen kann oder ob ich mir das bloß ausdenke." Warum um alles in der Welt gab ich so etwas von mir? Ich wollte diesen Job doch unbedingt. Ich hätte mich am liebsten geohrfeigt, aber jetzt war es schon zu spät.

If I Were A BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt