Kapitel 33

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Innerhalb weniger Minuten habe ich alles Wichtige in eine kleine Reisetasche gepackt. Einige T-Shirts, Hosen, Hemden, Unterwäsche und eine Jacke. Außerdem einen Block und Stifte. Mehr brauche ich nicht. Mehr Wichtiges habe ich auch nicht. Mein bisheriges Leben war ziemlich unpersönlich.

Einen Moment lang überlege ich meinen Computer mitzunehmen, doch dann lege ich ihn doch auf mein Bett. Dort wo ich hingehe werde ich ihn vermutlich nicht brauchen. 

"Hast du alles?" Sam sieht mich fragend an. Die ganze Zeit über saß er schweigend auf der  Fensterbank und hat mich beim Packen beobachtet. "Ich denke schon", meine ich und sehe mich kurz in meinem Zimmer um. "Dann komm", Sam nimmt meine Reisetasche und wirft sie aus dem Fenster. Vorsichtig trete ich zum Fenster und sehe hinunter. Der Boden scheint mir recht weit entfernt. Ich schlucke einmal, doch ich kann jetzt keinen Rückzieher machen. Also nehme ich all meinen Mut zusammen und schwinge meine Beine über das Fensterbrett. Dann lasse ich mich hinunterfallen.

Der Wind zerzaust meine Haare und wirbelt sie mir ins Gesicht, als ich plötzlich mit den Füßen zuerst auf dem Boden aufkomme. Ich sehe zu meinem Fenster auf. Meine Füße schmerzen ein wenig vom Aufprall, doch ansonsten geht es mir erstaunlicherweise recht gut. 

Sam folgt mir ohne zu zögern und grinst leicht. "Dann wollen wir mal", sagt er und nimmt meine Tasche wieder in eine Hand. "Dort hinten steht mein Auto", er deutet auf einen unauffälligen Wagen am Straßenrand und geht ohne zu zögern darauf zu. Ich folge ihm und beeile mich um mit ihm Schritt zu halten. 

"Also können sie jetzt nicht mehr herausfinden wo ich bin?" hake ich nach und drehe mich noch einmal zu dem dunklen Haus um, in dem ich die letzten 20 Jahre meines Lebens verbracht haben. Irgendwie kommt es mir unglaublich fremd vor. Jetzt, wo kein einziger Lichtschein ein Fenster verlässt. Selbst in Alecs Zimmer ist es dunkel. Also haben sie mein Verschwinden wohl noch nicht bemerkt. Waren wir so leise?

"Nein", antwortet Sam und öffnet den Kofferraum, um meine Tasche dort zu verfrachten. "Es sei denn, sie sehen dich zufällig auf der Straße." "Sehr beruhigend", bemerke ich und werfe ihm einen finsteren Blick zu. Sam schließt den Kofferraum und sieht mich einen Augenblick lang an. "Sie werden dich nicht finden", antwortet er. Wir steigen in das alte Auto. die Sitze sind erstaunlich bequem und weich. Sam dreht den Zündschlüssel um und der laute Motor geht an. 

"Es wird eine lange Fahrt, du solltest dich lieber ausruhen", empfiehlt er mir. Das sagt er so leicht, wie soll ich mit einer stechenden Nacken und mit Adrenalin im Blut schlafen gehen? Ich habe gerade eine Entscheidung getroffen, die ich vielleicht für immer bereuen werde. Aber was habe ich denn schon zu verlieren? Langsam schließe ich meine Augen und komme endlich zur Ruhe. Ich döse ein.


"Evelyn, du musst aufwachen" sagt eine männliche Stimme neben meinen Ohr. Ich öffne ruckartig meine Augen, es ist Sam, der mich geweckt hat. "Wir sind da", erklärt er, und deutet auf eine weite Wiese.


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