Kapitel 36

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Ich drehe mich in meinem Zimmer um, was soll ich hier machen? Wie geht es bald weiter? Kann ich irgendjemanden helfen, aus diesen System herauszufinden oder gar abzuschaffen? Aber was soll ich tun? Was sollen wir tun?

Ich gehe einige Schritte durch mein Zimmer. Schließlich drehe ich mich doch wieder um und verlasse den Raum. Allerdings gehe ich nicht sehr weit, da ich befürchte, mein Zimmer sonst nicht wiederzufinden.

Plötzlich läuft jemand direkt in mich hinein. Überrascht sehe ich auf und blicke in die blauen Augen eines jungen Mädchens. "Oh, das tut mir leid", sagt das Mädchen und blickt mich entschuldigend an. "Alles okay?" "Ja", antworte ich eilig. "Ja, klar." "Ich bin übrigens Hanna", stellt sie sich vor und hält mir ihre Hand hin. Ich ergreife sie und lächle gezwungen. "Ich bin Evelyn", bekenne ich. "Neu hier?" Hanna grinst leicht. "Jap", antworte ich. "So ziemlich. Und du?" "Ich nicht", meint sie und nickt im Rhythmus einer Musik, die wohl nur in ihrem Kopf existiert. "Ich bin schon seit ich denken kann hier." "Oh", mache ich und betrachte ihr Kopfnicken nachdenklich. "Dann konntest du wohl nicht selbst entscheiden, ob du hier her willst oder nicht." "Nein", stimmt sie mir zu. "Welches Zimmer hast du?" fügt sie hinzu und lenkt somit von unserem vorherigen Thema ab. "Eins da hinten", meine ich fast fragend und deute in besagte Richtung. "Oh, cool", sie lächelt wieder. "Ich bin da auch in der Nähe." "Cool", erwidere ich. Einen Moment lang schweigen wir. Dann fängt sie an mich auszufragen: "Was ist deine Lieblingsfarbe? Und welche sind deine Lieblingstiere?" "Eh... weinrot und ... Pelikane?" antworte ich ein wenig verwirrt. "Und deine?" "Meine Lieblingsfarbe ist gelb und meine Lieblingstiere sind Lamas", bekennt sie wie aus der Pistole geschossen. "Ach, deswegen das Lama auf deinem T-Shirt?" hake ich nach und deute auf ihr weißes T-Shirt mit dem grauenhaft aussehendem Lama. Es hat schiefe Zähne, einen Wuschelkopf und schwarze Augen. "Ja", Hanna strahlt förmlich. "Gefällt es dir?" "Eh..." einen Moment überlege ich, ob ich ihr sagen soll, dass ich es grauenhaft finde, doch dann antworte ich: "Ja, wirklich wundervoll." Hanna grinst. "Komm, lass uns ein wenig reden", meint sie und greift nach meiner Hand. Sie zieht mich durch den Flur zu einem der Zimmer - welches anscheinend ihres ist - und öffnet die Tür.

Hannas Zimmer sieht ganz anders aus als meins. Die Wände sind gelb gestrichen und der Raum ist generell viel kleiner. Sie hat ein Hochbett und einen breiten Kleiderschrank. Außerdem ein pinkes Sofa mit rosa Streifen, einen kleinen Tisch und ein Regal, dessen Oberfläche wie die eines Altars eingerichtet ist.

"Setz dich!" bittet Hanna und lässt sich auf einen knallgelben Gymnastikball nieder. Vorsichtig setze ich mich auf das harte Sofa und betrachte den Raum noch einmal. "Schön hier", bringe ich mühsam hervor, obwohl gelb eigentlich überhaupt nicht meine Farbe ist, und das Zimmer größtenteils aus gelb besteht. Mal abgesehen von dem pinken Sofa, das mitten im Raum steht. Und pink mag ich auch nicht sonderlich.

"Wie ist es hier aufzuwachsen?, frage ich vorsichtig. Sie zögert einen Moment. "Äh... ich kenne es nicht anders. An manchen Tagen bin ich gerne hier, aber an anderen Tagen halte ich es hier nicht mehr aus. Ich bin noch nie außerhalb des Hauptquartier gewesen. Ich würde gerne mal die Sonne auf mein Gesicht kitzeln lassen oder durch nasse Gras gehen oder einfach nur spazieren gehen. Ich weiß, dass es nicht geht, aber ich würde es trotzdem liebend gerne tun. Du siehst es als verständlich solche Dinge zu tun. Ich aber nicht." Wenn ich jetzt über Ihre Worte nachdenke tut es mir leid, dass ich gefragt habe. Würde ich all das auch wollen, wenn ich nicht wüsste, wie es wirklich ist, auch mich gegen das System stellen?

Ich verabschiede mich und gehe durch den Flur, der für mich immer noch fremd ist. Ich trete vor die Tür und will sie gerade aufmachen, als sie von innen geöffnet wird. Ich blicke die Person überrascht an. Es ist Sam. Was will er hier? Ist es schon Zeit etwas zu Essen? Ich sehe ihn fragend an. "Gibt es schon essen?" hake ich nach. Er schüttelt leicht den Kopf.


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Diese Kapitel widme ich der lieben JackySunshine, weil sie mich für Hanna inspiriert hat.


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