Ich breche innerlich zusammen. Langsam realisiere ich, was WIRKLICH passiert ist. Meine beste und einzige wahre Freundin ist Tod. Erst jetzt wird mir klar, dass es wirklich eine Person gibt, die ich aus vollem Herzen geliebt habe. Meine einzige Bezugsperson die ich habe ist gerade gestorben. In ihrem Lebenslauf steht zwar, dass sie sich selbst umgebracht hat, aber dies stimmt nicht. Sie wurde umgebracht. Umgebracht vom System.
Ich muss schwer schlucken, um nicht loszuweinen. Taumelnd torkle ich zurück. Kurz bevor ich den Rand erreiche, sinke ich auf den Boden. In diesem Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher, als ihr zu folgen. Auch einfach weg zu sein, und nicht mehr das Leid ertragen zu müssen, das Alec für mich vorbereitet. Aber das kann ich auf gar keinen Fall tun. Ansonsten gewinnt Alec, und was er auch tut: Erst dann habe ich alles verloren. Erst dann ist selbst mein letztes bisschen Würde fort. Verschwendet wegen meinem sogenannten Bruder. Und dem System. Ich hasse es.
Ich atme tief durch, ehe ich mich wieder zu meiner vollen Größe aufrichte. Jetzt bloß keine Schwäche zeigen. Diese Genugtuung kann ich ihm nicht gönnen. Ich werde nicht geknickt und gebrochen wieder nach unten gehen. Noch nicht.
Mit dem Zeigefinger wische ich mir unter meinen Augen her, die leicht feucht sind. Dann stolziere ich mit erhobenem Kopf die Treppen hinunter.
Unten sehe ich meine Eltern und Alec stehen. Dazu viele andere Menschen, die sich alle um einen leblosen, am Boden liegenden Körper scharren. Ich bemühe mich nicht hinzusehen, um nicht doch noch schwach zu wirken, und sehe stattdessen strickt zu meiner Familie. "Evelyn", die stimme meines Vaters klingt streng. "Wo bist du gewesen?" Ich zucke gespielt teilnahmslos mit den Achseln. "Ich war auf dem Klo", sage ich gleichgültig, doch innerlich würde ich am liebsten laut schreien. Meine Eltern anschreien, und vor allem Alec anschreien. Mein Vater wirft mir nur einen kurzen, strengen Blick zu, ehe er sich wieder von mir abwendet.
"Lasst uns reingehen", meint er. "Wir holen dein Zeugnis ab, und dann können wir feiern gehen." Alec grinst. "Das klingt doch fabelhaft", sagt er, doch man hört deutlich, dass diese freundliche Heiterkeit unecht ist. "Sicher", erwidere ich und folge ihnen in die Schule.
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Frag das System
Science FictionDas System sagt einem alles was man tun, denken und fühlen soll. Alles wird für zwanzig Jahre vorherbestimmt und alles läuft so ab, wie es geplant wurde. Niemand hat es bisher geschafft sich gegen das System zu stellen und es zu überleben. Doch ein...