Kapitel 7 - Diener

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Es blieb mir nichts anderes übrig, als einen Tag nach meinem Geburtstag zuhause zu bleiben. Eigentlich wäre es schon lange an der Zeit gewesen, mal wieder die Schule zu besuchen, doch heute war wirklich ein Tag gewesen, an dem ich lieber in meinem Haus bleiben wollte. Hier fühlte ich mich wenigstens sicher und geborgen. Nach dem Aufstehen hatte ich noch einmal eine Dusche genommen und versucht das Zeichen von meiner Hand zu rubbeln. Je mehr ich aber daran rieb, desto mehr schienen die kleinen Bisswunden zu schmerzen. Ich verstand weder woher das Zeichen kam, noch was genau es bedeutete. Dennoch würde meine Mutter wahrscheinlich ein großes Theater vorspielen, wenn sie ihre sonst so liebe Tochter mit einem Tattoo sah. Es würde meinen gesamten, lieben Ruf zerstören. Gut, ich hatte eine sehr große Klappe, doch ich tat nie wirklich etwas böses. Wenn man mich mit einem Tattoo sehen würde, so würde das Gesamte Bild von mir zerstört werden. Wer wusste schon, was die anderen dann von mir denken würden. Vielleicht, dass ich doch nicht so war wie ich mich gab. Das ich mein verbleibendes Leben mit Feiern und Drogen genoss. Vielleicht sogar, dass ich ein Flittchen war.

Wo blieb mein Optimismus?

Ich seufzte innig und verließ in Jogginghose, sowie warmen, dunkelroten Pullover das Badezimmer. Ich sollte mir eher um das Gesamtbild sorgen machen. Irgendwas war hier einfach falsch und irgendwie glaubte ich, dieser Verrückte wollte mir allen Ernstes Angst einjagen. Er war vielleicht sogar so weit gegangen, dass ich ihn Anzeigen sollte. Ich traue ihm sogar zu, dass er mir in der Nacht irgendwas gespritzt hatte, damit ich nicht wach wurde und er mir somit das Tattoo stehen konnte. Also...hatte ich einen persönlichen Stalker. Na super.
Grummelnd verließ ich mein Zimmer und lief die Treppen hinab, um in unsere Altmodische Küche zu kommen. Obwohl meine Mutter einigermaßen gut verdiente, lebten wir trotzdem noch hier auf dem Lande und benutzten eine ziemlich alte Küche. Man konnte sie auf Mitte zwanzig Jahre schätzen, was wohl oder übel schon viel zu Alt für eine Küche gewesen war. Mein Ziel war der Kühlschrank gewesen, in den ich normalerweise jede halbe Stunde rein schaute, als würde ich erwarten, dass sich irgendwas geändert hatte. Lächerlich, aber leider war. Ich vermutete sogar, dass ich nicht die Einzige war, die immer wieder rein blickte und auf der Suche nach etwas Essbarem war. In unserem Kühlschrank befand sich wie immer viel zu wenig Süßkram. Ich mochte viel lieber Marmelade zum Frühstück, statt irgendwelchen Käse, der mir sowieso nicht schmeckte. Allerdings bekam ich von meiner Mutter nichts anderes, da diese das totale Gegenteil von mir war. Sie mochte rein gar nichts süßes und da sie eher Egoistisch war, war es ihr egal, was ich wollte. Nur wenn ich mal das Glück hatte einkaufen zu gehen, konnte ich meine eigenen Sachen für ihr Geld kaufen. Leider war ich schon lange nicht mehr einkaufen.
Somit fiel für jemand sturen wie ich, das Frühstück aus.
Ich ließ es nur aus, weil ich nicht das bekommen konnte, was ich eigentlich wollte. So war es nun mal. So eine Person war ich gewesen, auch wenn es ziemlich nervtötend war. Mit einem gähnen schloss ich den Kühlschrank und tapte leise aus der Küche heraus. Unser Flur war viel zu breit gewesen, dass fiel jedem auf, der durch die Eingangstür herein gekommen war. Rechts neben der Tür befand sich sofort die Treppe nach oben. Dort erwarteten einen zwei leerstehende Zimmer und das eine von mir. Alle drei waren nicht speziell groß, aber es reichte für jemanden wie mich. Ein Badezimmer mussten sich alle drei Zimmer teilen. Unten gab es noch ein weiteres großes Badezimmer, ein Wohnzimmer, Küche und das Schlafzimmer meiner Mutter. Auch einen Keller hatten wir, doch in diesen wagte ich es nicht, rein zu gehen - natürlich weil wir da unten kein Licht mehr hatten.

Ich trottete in unser Wohnzimmer herüber und ließ mich auf das Kamin rote Sofa sinken.
und nun?
Die Fernbedienung lag direkt vor dem Fernseher, welcher in etwa sechs Meter weiter weg stand. Ich starrte wie ein Kaninchen auf die Fernbedienung, als würde ich mir erhoffen, dass sie gleich zu mir kommen würde. Einige weitere Sekunden verweilte ich so und stellte mir tatsächlich vor, ich wäre so ein Jedi von Star wars. Dann hätte ich bloß meine Hand heben müssen und die Fernbediegung wäre wie von selbst in meine Hand geflogen - oder so.

Nachdem ich dann doch nachgab, erhob ich mich und steuerte den Fernseher an. Die Fernbedienung nahm ich an mich und stürzte mich wie eine Raubkatze wieder auf das Sofa, um eine gemütliche Stellung einzunehmen und den TV einzuschalten.
Er ging nicht an.
Entweder wurde ich wirklich vom Pech verfolgt, oder ich hatte nach einer Woche keine Ahnung, wie genau man einen Fernseher bediente. Es war schon schlimm, dass mir an meinem Geburtstag nur die Krankenschwester gratuliert hatte. Aber heute, heute nahm das Unglück ein weiteres Mal seinen Lauf. So, als hätte ich nun wirklich nichts anderes verdient. Ich grummelte erzürnt, erhob mich aber nicht mehr. Stattdessen schloss ich die Augen und ging in Gedanken noch einmal den vergangenen Tag durch. Viel zu viel war passiert. So vieles, was ich nicht verstand und vielleicht auch gar nicht verstehen wollte. Vielleicht sollte mir das alles egal sein, doch immer wieder erschien das Gesicht des Fremden so klar vor mir, als könnte ich es berühren.
Vielleicht wollte ich das ja.
Nein. Ich schüttelte den Gedanken wieder ab und nahm wieder einmal dieses schrottige Ding zur Hand, um weitere Versuche zu starten, meinen Fernseher an zu bekommen. In diesem Moment ging es tatsächlich. Doch statt mir einen ziemlich normalen Kanal zu zeigen, erschien so etwas wie eine nächtliche Kamera. Unten auf der linken Seite erkannte ich in weißen Ziffern eine Uhrzeit.
18:23 Uhr.
Und es ging weiter...
Die Sekunden fingen an zu laufen und die Kamera blieb still stehen. Es dämmerte bereits und der Wald schien gerade jetzt dunkler zu sein als sonst. Der unbekannte Kameramann hockte hinter Büschen und filmte etwas auf dem Boden liegendes. Die Gestalt war durch die kurze Unschärfe nicht klar erkennbar, doch man wusste, dass sie weiblich sein musste. Sie lag auf dem Bauch und rührte sich nicht mehr. Ich konnte nicht wirklich abschätzen, ob sie noch lebte oder schon Tod war. Aber irgendwie wollte ich es nicht wissen. Somit betätigte ich die Taste, die ein Programm weiter gehen sollte.
Nichts.
Ich zog die Brauen zusammen und versuchte es ein weiteres Mal.
Nichts.
Stattdessen wurde das Bild immer schärfer und schon bald konnte man die junge Dame auf dem Boden erkennen. Ich riss die Augen auf. Das war definitiv ich gewesen und dieses Video stammte vom gestrigen Abend. Ich hatte wirklich genug, denn jetzt war klar, dass dieser Verrückte mich Stalken musste. Er hatte dieses Video gemacht und freute sich jetzt wahrscheinlich daran, dass ich Angst bekam. Aber nein, dass würde ich sicherlich nicht. Ich würde JETZT zur Polizei gehen und diesen Verrückten anzeigen. Sie würden ihn suchen.....
Das konnte nicht sein.
Nur einige Minuten vergingen, da erschien der junge Mann vor dem Bild. Er hob mich mit seinen Muskulösen Armen über seinen Rücken und sah sich kurz um. Ich wunderte mich, dass er die Kamera nicht erblickt hatte. So ging der junge Mann aus dem Bild und der Mann mit der Kamera wich nach hinten.

Also war da noch eine Person gewesen.

Das Video wurde beendet, als der unbekannte raschelnd zurück ging. Ich fragte mich, was ihm ein Video von mir, bewusstlos brachte. Allerdings war ich erleichtert, dass der blauäugige mich mitgenommen hatte. Ich wollte gar nicht wissen, was der Kameramann sonst mit mir angestellt hätte.
Ich schluckte.
Wie kam das Video in mein Haus?

Wer hatte das Video gemacht?

Mein Herz fing wieder an schneller zu schlagen. Im Fernseher schaltete sich alles wieder auf ein normales Programm um. Es war scheinbar so, als wäre nichts passiert. Ich wusste aber, dass dem nicht so war. Es war eine Lüge gewesen.

Es klingelte.
Ich fuhr erschrocken zusammen und sprang sofort auf die Beine. Normalerweise bekamen wir keinen Besuch. Nein, wir bekamen nie wirklichen Besuch, also wer könnte es sein? Meine Mutter arbeitete bereits und mein leiblicher Vater....er lebte hier nicht mehr. Ich hatte ihn nicht einmal kennengelernt. Es war aber momentan egal, was ihn betraf. Das wichtige war nicht zu trödeln und endlich die Tür zu öffnen. Es klingelte ein weiteres Mal und dieses Mal schien es etwas aufgebrachter.
>>Ich komme schon! Nur die Ruhe!<<, rief ich durch das Haus und lief über den Flur, zur weißen Haustür. Ohne auch nur nachzudenken öffnete ich jene und hob den Blick zum Gesicht meines Gegenübers...
Dieser zog mich ohne zu zögern aus dem Haus. Ignorierte dabei meinen erstickenden Schrei...


Guilty - Two SidesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt