Kapitel 24 - Was tun?

40 6 7
                                    


Ich erwachte. 
Keuchend pulsierte mein Körper im Takte meines brausenden, wilden Atems. Mein Herz klopfte mir beinahe aus dem Brustkorb, während eine lodernde Hitze sich in mir breit machte und eine salzige Feuchtigkeit sich auf meine Haut legte. Meine Zähne knirschten aneinander, zitterten dann mit meinem Kiefer. Einige Stimmen versuchten mich zu trösten, doch sie scheiterten, da ich sie lediglich gedämpft vernahm. Ebenso sah ich alles nur verschwommen, was wahrscheinlich an den Tränen lag, die mir die Sicht erschwerten. 
Ich spürte nur ganz eicht, wie jemand mit am Hinterkopf etwas anhob und eine unglaublich kalte Flüssigkeit in meinen Mund floss. Als ich jene im Rachen vernahm, schluckte ich automatisch. Durch die mindernde Selbstkontrolle jedoch, hatte sich einiges in meine Lungenwege gebahnt, sodass ich anfing zu husten und zu spucken. Schließlich sackte ich zur Seite, fand auf dem kleinen Bett jedoch keinen Halt und fiel halbwegs zu Boden, wobei mich ein recht starker Körper noch dezent vom harten Aufprall rettete. 
Ich erbrach. 
Wundervoll. 
Direkt auf den mit Strohbedeckten Boden erbrach ich alles, was ich in mich aufgenommen hatte in der Zeit, in der ich noch gerade so in meiner Gefangenschaft am Leben gehalten wurde. Viel war es eigentlich nicht gewesen, doch scheinbar hatte mein Körper seine eigenen Flüssigkeiten in mir abgelegt und..~ Nein...ich wollte es nicht wissen.
Ich machte es mir ziemlich schwer bei dem erbrechen noch Atmen zu können. Auch diesem Grund hechelte ich sogar ab und zu, spuckte dann aber wieder und machte damit ziemlich viel voll. Ich erhörte das Würgen von jemandem und eine Frau, die mit einem angewiderten Brummen aus dem Raum..- oder Zelt hinausgegangen war. Ich vermutete stark, das ich wieder bei den Wölfen gewesen war. Es roch im größten Falle streng nach Pflanzen, dreckigen Tieren und leider Gottes sogar nach Kot...
Gerade jetzt, nach diesem Gedanken, fragte ich mich ob ich den Namen "Gott" überhaupt noch erwähnen durfte. Ich war sicherlich eines dieser von Gott verfluchten Wesen und gehörte mit noch größerer Sicherheit nicht mehr zu denen, die auf der guten Seite standen. Andererseits hatte ich vielleicht aber auch zu viele Filme geguckt...ich meine...im Licht glitzerte ich leider nicht...als Vampir...und was dieses Wort anging, so verspürte ich keinerlei Schmerzen wenn ich es in Gedanken sagte. Nun, vielleicht aber auch nur weil ich es nicht aussprach, sondern nur dachte. 
Sollte ich es ausprobieren?
Mach dich nicht lächerlich. In deiner Lage willst du es sicherlich nicht noch schlimmer machen!
Es war erstaunlich, was man alles in bloß einem Augenblick denken konnte. So, als würde tatsächlich die Zeit stehen bleiben. 
Mein Gesicht war bleich, das konnte ich mir auch so erdenken. Ich fühlte mich schrecklich...und wunderte mich, das ich als Vampir Krank werden konnte. Ja, ich war definitiv Krank geworden. Meine Arme zitterten, nachdem ich halbwegs sicher war, das es mir nun nach dem erbrechen besser ging. Ich fühlte mich tatsächlich erleichtert und erhob mich auf schwachen Beinen. Eine warme Hand legte sich auf meine Schulter und über meine Taille, um mir etwas beim Halt zu helfen. Das war eine recht gute Hilfe, denn ohne diese wäre ich sicherlich wieder zusammengesackt. Langsam wurde ich zum Bett gebracht. Ich horchte dabei dem unangenehmen Geräusch in meinem Magen, welcher er bei jeder einzelnen Bewegung machte. 
Was sollte ich machen?
Ich wollte eigentlich nur Blut zu mir nehmen...das andere lag mir wohl nicht allzu gut im Magen.
>>Du musst dich beruhigen, kleiner Morgenstern. Wenn du deine Gedanken nicht von deinem Schicksal trennst, wird die Dunkelheit dich verschlingen. Suche dir ein Licht, das dich in der Dunkelheit führt. Dann wirst du Erfolgreich sein.<<
Meine müden Augen nahmen langsam das faltige Gesicht einer Dame wahr. Diese hatte langes, graues Haar, welcher zu Rastalocken gebunden war. Ihre Augen waren beide grau, genauso wie ihre langen, dezent mit Fell bedeckten Ohren. Ich wollte aufschrecken...doch einmal ganz ehrlich. Nach allem, was ich gesehen hatte, war das hier ja nun wirklich nichts. Ich keuchte und wandte meinen Blick von ihr ab, zur Decke herüber. Ich fragte mich, was mit den anderen war und wie die junge Dame, die mich damals gerettet hatte, wohl auf mich reagieren würde, wenn sie mich wieder hier antreffen würde. 
>>Oh keine Sorge kleiner Morgenstern. Du befindest dich nicht bei demselben Stamm. Wir sind ein freundlicher Stamm. Dich hat eine Frau in einer Maschine hergebracht. Ihr seit beide unsere Gäste.<<
Sie konnte Gedankenlesen...definitiv. 
Ich fragte mich ernsthaft, wie viele dieser Wölfe das eigentlich konnten und ob es wohl eine dieser typischen Fähigkeiten war. Ich dachte daran, das womöglich auch Jack und Milie meine Gedanken lesen konnten. Das wäre dann aber natürlich ernsthaft peinlich gewesen. 
>>Ich..danke..<<, kam es mir krächzend hervor. Ich merkte, das meine Stimme noch sehr angekratzt und Rau gewesen war. Sprechen konnte ich in dieser Verfassung leider nicht. 
>>Pass auf dich auf, Kleiner Morgenstern. Ruhe solange du kannst. Wir achten auf dich. Ein Traum ist ein Traum. Bitte halte dir das vor Augen, ja?<<<
Sie legte ein feuchtes Tuch auf die Stirn und stieß mit dem Ellenbogen den großgewachsenen Mann an, welcher neben ihr stand. Dieser war von der Haut her so Dunkel wie die Nacht. Das besondere an ihm war sein weißes Haar, welches lang und zart gewesen war. Beide wandten sich ab und ließen mich in dem Zelt alleine, welches ich nun aufgeregt zu Mustern begann. 
Wo war Milie?
Ich schluckte und bemerkte etwas spät, das zwei recht kleine Frauen in das Zelt hinein hüpften, einen brauen Eimer herein stellten und anfingen mein Erbrochenes für mich aufzuputzen. Es war wirklich beschämend, doch die beiden lächelten, als wäre das für sie tagtägliche Arbeit gewesen. Beide waren hellhäutig und hatten dunkles, schwarzes Haar, welches ihnen wild im Gesicht umher wehte. Ihre Augen waren genauso tiefschwarz wie die Nacht selbst. Ihre Kleidung bestand aus nichts weiterem als einigen Stoff lumpen, die an mehreren Stellen bereits eingerissen waren. Diese Mädchen taten mir leid...auch wenn sie Wölfe wie alle anderen waren und demnach auch sie diese fellbedeckten Ohren hatten. 
Schließlich trat noch jemand rein. 
Ich wandte meinen Blick direkt zu der Person und war sichtlich erleichtert, jemanden bekannten wiederzuerkennen. 
Jack. 
>>Ich muss mit dir reden<<,kam es ihm sofort empor. 
Sein Blick war mehr als nur gefährlich gewesen. Er schien erfüllt mit Wut, Trauer und auch Furcht zu sein. Mir währenddessen stand hohe Verwirrung im Gesicht geschrieben. Ich wollte zu ihm laufen, ihn umarmen und fragen was los war, doch ich war nicht dazu im Stande gewesen. In seiner Hand hielt er etwas dezent glänzendes. Im trüben Licht schien es gerade so erkennbar zu sein und ließ mich schnell bemerken, das es ein Spiegel gewesen war. 
Mit langsamen Schritten kam mir der Muskulöse Mann näher und hockte sich vor das quietschende Bett, in welchem ich lag. Ich spürte wie er zögerte und zugleich schluckte, bevor er mir den Spiegel vor das Gesicht hielt. Im ersten Augenblick verstand ich diese Handlung nicht und sah perplex in seine Augen, ehe er mit einer Kopfbewegung darauf hin deutete, dass ich zu dem Spiegel sehen sollte.
Ich zögerte, knirschte mit den Zähnen und drehte vorsichtig meinen Kopf zum Spiegel. 
Ich hatte Angst. 
Angst etwas zu sehen, was mir vielleicht alles was ich noch hatte, nehmen könnte. 

Ich wollte schreien.
Ich wollte weinen.
Ich wollte das, was ich sah aus meinem Gesicht reißen. 
Meine Augen, schwarz wie die tiefste Dunkelheit, blickten mir im Spiegelbild entgegen. So, als wäre ich völlig Blind gewesen. Unter meine Augen bildeten sich schwarze Punkte, so wie auch auf meiner Stirn. Ich sah völlig verschwitzt aus und meine Haare waren kaum noch am Schädel gewesen. Ich sah Mager aus. Ich Alterte. 
Nein. Nein. Nein. 
Ich fing an zu weinen und schlug den Spiegel aus der Hand des jungen Mannes. 
>>W...was...w..wieso?<<, krächzte ich schluchzend und legte mir schnell die Wolldecke über den Schädel. Er sollte mich so nicht sehen. 
>>Sie verwandelt dich. Sie macht dich krank, um dich zu töten und dann zu untergeben. Bitte Marie...ich will dir helfen. Ich weiß, wie ich dir helfen kann. <<
Ich horchte seiner Stimme kopfschüttelnd und zitterte am gesamten Leibe. Ich wollte das alles nicht. Auf so eine weise zu sterben, war mehr als nur schrecklich gewesen. 
>>Marie hör mir zu. Trevor war hier...er...er weiß was mit dir ist. Er sagte, wenn du mit ihm gehst, wird er dich von seinem Blut trinken lassen. Du wirst dann für eine Zeit lang heilen. Aber wir wissen etwas von der Schamanin dieses Stammes. Ihr Name ist Bakuanaga. Sie lebt schon seit mehreren Jahrzehnten und kennt dein damaliges ich. Sie weiß wie wir dich von der Hexe befreien können.<<
ich beruhigte mich in meinem Schluchzen und hob die Decke unsicher etwas herunter, um ihn mit meinen hässlich schwarzen Augen anzusehen. Er zuckte dabei nicht einmal zusammen, Nein, er kam mir sogar etwas näher, um mir etwas zuzuflüstern. 
>>Es geht um das Blut deiner Nachfahrin...du...kennst die Geschichte sicher noch ni..~<<
>>D..Doch..<<, grummelte ich ihm entgegen und hüstelte wegen meiner trockenen Kehle. Ich versuchte relativ wenig zu sprechen, da es schmerzen verursachte. Ich sah ihn an, während wiedermal einige Tränen aus meinen dunklen Augen liefen. Jack zog die Brauen zusammen und überlegte kurz, als würde er versuchen zu verstehen wieso ich es bereits wusste. Dann aber nickte er nur verständlich und legte eine Hand auf meinen halbwegs blanken Schädel, ehe er breit grinste. 
>>Wir werden dein Kind finden, bevor du zum lebenden Gollum wirst<<, scherzte er, wobei ich ihm schnell ein Kissen in das Gesicht warf. Zumindest soweit ich es noch konnte. 
Ich keuchte dabei bereits angestrengt und schloss meine Iriden. 
Mein Kind? Das Blut meines Kindes? Es lebte? War es stark?
Ich wollte nicht daran denken. 
Ich hatte mehr als nur Angst und spürte, wie der Schlag meines Herzens sich erhöhte. Jack jedoch lächelte und strich mit durch mein minimales Haar. 
>>Hör zu Marie...ich werde dafür Sorgen, das du in Sicherheit bist und endlich befreit wirst von dem ganzen. Du verdienst es nicht, da mit rein gezogen zu werden. Du bist hier sicher...Ich werde für dich kämpfen und finden, was zu dir gehört. Ich werde dich heilen.<<
Wäre ich Gesund, würde mir jetzt mein gesamten Blut in den Kopf steigen. Ich wandte den Blick schnell zur Seite und kniff meine Augen noch weiter zusammen. Innerlich war ich aber so froh, das ich Hilfe bekam. Unglaublich froh, das ich nicht mehr alleine gewesen war und er mir zur Seite stand. In den ganzen Tagen hatte ich so viel erlebt. Ich wusste nicht einmal, wie viele Tage bereits vergangen waren. Ich wusste nur, das ich Krank war. Ja, ich wollte nicht mehr sterben weil ich etwas hatte, an dem ich mich festhackte. Ich wollte für ihn leben und diese Welt mit offenen Augen erkunden, ohne Hindernisse in mir zu tragen. 
Ich hatte Angst..

Aber DAS war es Wert. 
Ich wollte ein wahres Leben. Ein Leben, in dem ich meinen Frieden finden konnte. 
Ich wollte alles zurück...ich wollte für meine Mutter weiterleben..
Ja, weil sie genau das von mir gewollt hätte. 

_________________________________________________


Ein etwas längeres Kapitel :D Ich hoffe es ist trotzdem gut :) 



Guilty - Two SidesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt