Kapitel 20 - Hexerei

44 9 0
                                    


Die schwarze Wölfin war also diejenige gewesen, die mir meinen frühen Tod wünschte. In meinem Alter war ich noch viel zu jung, um nun zu sterben, doch was hatte ich noch von meinem endlosen Leben?
Nachdem ich einen Holzpflock gesehen hatte, wurde mir schnell klar, dass diese Wölfe mit auf dem Galgen so ein Ding in die Brust jagen wollten. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht, doch ich hoffte, dass es schnell vorbei gehen würde. Die Menge schrie nun Worte herauf, die mehr als nur verständlich gewesen waren. 
>>Erhängt die Mörderin.<<
Ich wollte zurück schreien, dass alle die Klappe halten sollten und mich nicht weiter nerven sollten, doch meine Angst nahm die Überhand ein und ließ mich wie ein Grab schweigen. Apropos Grab, ich bereute es, dass ich mir selbst noch keines vorbereitet hatte. Vielleicht könnte ich ja eine Bitte äußern und auf meinem Lieblings Friedhof beerdigt werden. Die Wölfe würden da aber sicherlich nicht mitmachen. 
Ich senkte den Kopf und ließ mich weiter in die Richtung des Galgens schieben. 
Eine klar erkennbare Stimme erklang. 
>>Marie...<<
Es waren Worte, die ein Hauch von Enttäuschung in sich trugen. Trauer, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit. Meine roten Augen blickten in die Richtung der weiblichen, ruhigen Stimme. Gefesselt an eine Metallstange, saß meine Mutter halbnackt auf dem Boden und blickte zerlumpt wie sie war, zu mir hinauf. Ihre roten Augen deuteten darauf hin, dass sie wohl die gesamte Zeit über geweint hatte. Das Blut, dass sich über den Boden verteilte wiederum, dass man ihr unrecht angetan hatte. Ich wollte etwas sagen, doch ich brachte nichts mehr über meine Lippen. Der Anblick stach bereits wie ein Pfahl durch mein Herz. Ich spürte, wie die Tränen nicht mehr aufzuhalten waren. Wie das harte ich von eben, sogleich verschwinden wollte und wieder das Weichei hervor kam. 
Meine Mutter. 
Meine liebe Mutter. 
Die Frau, die mein Leben lang bei mir war und ich sie immer wieder wie ein Stück Dreck behandelt habe. 
Wieso brachte ich nichts über meine Lippen?
Wieso konnte ich mich nicht einmal entschuldigen. 

>>Geh weiter!<<
Die Stimme meines groben Begleiters drang wie Gift in mein Ohr hinein. Ich spielte mit dem Gedanken ihm dieses abzubeißen und zögerte tatsächlich nicht, um wie ein Blitz aus seinem Griff zu entkommen und die Fangzähne in sein Ohr zu hauen. Sein schmerzerfüllter Schrei schoss durch die Menge, welche nun stillschweigend und zugleich erschrocken zum Geschehen blickte. Ich biss ihm das Ohr blutig und riss es ihm aus der Seite. Blut quoll in strömen aus der Wunde und ließ ihn weiterhin entsetzt schreien. Er zappelte, doch auch dies brachte ihm keine Sicherheit ein. Mit blutigem Mund fauchte ich in sein Gesicht und verteilte seine Flüssigkeit auf diesem. Die dunkelhäutige sprach leise Worte, als plötzlich mein Körper aufhörte zu reagieren. Ich rang keuchend nach Luft und wollte mich bewegen, doch nichts rührte sich. Mit den Augen konnte ich wahrnehmen, wie das Weib langsam auf mich zukam und sich vor mich hin hockte, während der Ohrlose nun das weite suchte. 

>>Was für eine böse, kleine Fledermaus. Was ist nur in dich gefahren?<<

Ich sah ihr mit Hass in die Augen, während sie mein Kinn umfasste und mich zu sich heran zog. Ihr Atem war so nahe an meinem gewesen, dass der Geruch von scharfem Menthol meine vollen Lippen streifte. 

>>Eine interessante Augenfarbe hast du da.<<, hauchte sie mir gegen jene und grinste provozierend. Ein knurren entwich meiner Kehle, wobei ich in ihren Augen das Spiegelbild meines Gesichtes sehen konnte. Ich fühlte mich, wie ein Monster. 
Meine Augen waren erfüllt von einem bläulichen Ton, in dem etwas grünes schimmerte. Das grünlichere davon war gefährlich, dennoch anziehend gewesen. 

>>Ich...werde...dich...töten...<<, gab ich in gebrochenen Worten von mir und versuchte durch erzwungene Bewegungen aus ihrem Bann zu entkommen. Das dies scheiterte, brachte sie zum lachen. Daraufhin folgte ebenso das erbarmungslose Gelächter der Menge hinter uns. Grölend machten sie sich über mich lustig, als wäre ich die Katze im Hundekäfig. Es machte mich unendlich wütend. Unglaublich wütend. 
Ich biss die Zähne zusammen, um nicht auszurasten, dennoch war ich keinen Millimeter mehr davon entfernt. Unter meiner Nase war der Atem bereits Warm gewesen. Ich dachte schon, ich koche bereits. Ich sah langsam nur noch rot. 
Dann schrie ich wieder. 
Ich Schrie so laut, dass wieder einmal eine Druckwelle entstand. Diese Druckwelle war aber der Auslöser für ein ganzes Erdbeben gewesen. Der Balkon stürzte durch den großen Druck ein und ließ uns ich die Tiefe hinab stürzen. Ich jedoch zeigte dadurch keine Reaktion und schrie einfach weiter. Die Wölfe hielten sich im größten Falle die Ohren zu und brüllten mit mir mit. Einige wankten und stolperten über andere. Großes Chaos machte sich breit....bis ich gänzlich hinab gestürzt war und die Reste direkt auf die Köpfte so mancher Wölfe fielen. Auch der Palast legte sich hinter uns zu Schutt und Asche. Ich hörte auf zu schreien und starrte zum Himmel hinauf. Mein Atem war schwer und ungleichmäßig, doch die Tränen liefen wie ein Wasserfall über meine Wangen. Auf einem glatten, großen Überrest des Balkons lag ich mit dem Rücken drauf und starrte hinauf. Im Gedanken trug ich, dass ich nun viele umgebracht hatte. Nicht nur das. Ich erblickte, wie der Palast unter dem Druck zu Grunde ging und dachte daran, dass ich womöglich meiner Mutter geschadet hatte. 
Aufstehen. 
Das war es, was ich wollte. Und das war es, was ich nicht konnte. Klare Erschöpfung breitete sich in meinem Körper aus. Es war keine Müdigkeit oder so etwas in der Art. Nur der Drang, liegen zu bleiben und sich nicht zu bewegen. Der Bann der Wölfin hielt immer noch an, auch wenn ich bereits so viel Schaden angerichtet hatte. 
Ich erkannte nur einige Meter weiter, wie Brocken zur Seite geschoben wurden und keuchend, sowie verletzt jemand hervor kroch. Die dunkelhaarige hob sich langsam auf die Füße und legte eine Hand schmerzerfüllt an ihre Hüfte. Humpelnd lief sie auf mich zu und zeigte mir in den Augen reinen Hass. 

>>Du kleine...<<

Weiter kam sie nicht, denn da wurde ihr mit einem Stein eins über gebraten, sodass sie seitlich zu Boden ging und kein weiteres Mal wagte aufzustehen. Eine Männliche Gestalt baute sich vor meinen Füßen auf. Eine Gestalt, die langsam zu mir herunter gebeugt kam, und mich zu sich heran zog.
Ich erkannte diese Person...

Jack.



Guilty - Two SidesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt