Kapitel 16 - Bruchstück der Vergangenheit

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Was hatte ich noch?
Was blieb mir noch?
Die Einsamkeit und die Trauer?
Mein Name ist Marie Johnseen und ich bin seit vier Tagen ein Vampir. 
Meinen Durst hatte ich erst Gestern bei einem ziemlich dummen Vorfall gestillt. Ich hatte den Mann umgebracht, der mir seit dem Ersten Moment eigentlich eine Hilfe gewesen war. Ich war es Leid, dass ich nicht einmal den Moment dazu gehabt hatte, um ihm zu Danken oder gar mich für meine Törichte Art zu entschuldigen. Ich hatte vorurteile Gegenüber ihm und habe ihn einen Irren genannt. Ich hatte mich daneben benommen und ihn in Gefahr gebracht. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal gewusst, dass ich gefährlich für ihn werden könnte. Das gerade ICH das Problem gewesen war und nicht diese Vampire, die mir hinterher jagten. 
Nun hatte ich alle gegen mich aufgehetzt. Ich hatte keine Freunde mehr, nur noch Feinde. Meine Entscheidung war gefallen.

Vielleicht klang es dumm, aber mein Einziger Zufluchtsort war mein richtiges Heim gewesen. Ich wollte nach Hause und meiner Mutter von allem erzählen. Ich wollte mich ihr fort und nie mehr wieder herkommen. Ich wusste, dass sie mir irgendwann glauben würde und wenn sie es vergessen würde, so würde ich es immer wieder erneut erzählen. Ich würde mit ihr fliehen und nie wieder herkommen. 
Mein Leben als Vampir?
Ich musste damit klar kommen, dass ich ein Blutrünstiges Monster war. Meine Krankheit war verschwunden, doch ehrlich gesagt war dass, was ich nun hatte, schlimmer als jede erdenkliche Krankheit. Ich war traurig und entsetzt von meinem eigenen Verhalten. Ich war nicht ich selbst, als ich dies alles getan hatte. Ich hatte jemanden umgebracht und damit meinen einzigen Beschützer verloren. Den Einzigen, der auf meiner Seite gestanden hatte. 
Gestern entkam ich dem Rudel, indem ich mich in einem kleinen Felsspalt nahe einer Höhle versteckt hatte. Sie hatten mich lange gejagt, doch irgendwann aufgegeben. Ich hatte geglaubt, dass Wölfe einen ziemlich guten Riecher hatten - das hatten sie auch. Daran lag es jedoch nicht. Es war wieder das Ding in mir gewesen, dass die Biester in die Verwirrung getrieben hatte. Es war stark und ich? Ich konnte es nicht Kontrollieren. 
Ich war eine Gefahr für jeden, doch ich wollte nicht alleine sein.
Ich wanderte  mehrere Stunden, bis ich den richtigen Weg nach Hause gefunden hatte. Es war Dumm von mir, ich wusste es nur zu gut, doch etwas anderes blieb mir einfach nicht übrig. 
Ich hatte die gesamte Nacht nicht schlafen können. Versucht habe ich es, doch Albträume verfolgten mich. Meist war es derselbe Traum gewesen. Die brennende Hütte und das weinende Kind. Diesmal aber kamen noch Sachen dazu. Ich erblickte Jack und auch Trevor. Trevor, der das Kind in seinen Armen hielt und mit einem stolzen Grinsen zu mir herüber blickte. Jack, der Abends vor der Hütte wartete und mich mit sehnsüchtigen, blauen Augen ansah. 
Ich verstand es nicht.
Ich verstand nichts davon, stellte aber die Vermutung auf, dass es die Erinnerungen von etwas waren, was sich in mir befand. 
Etwas Bösem.
Ich schauderte bei diesem Gedanken. 
Böse wollte ich nicht sein. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, so wäre es der Wunsch auf einen Neubeginn. Ein normales Leben als normales Menschenmädchen. Ein Mädchen, dass Freunde hatte und diese zu ihr standen. Das war alles...wirklich ALLES was ich wollte. 
Als ich die Straße zu meinem Haus entlang ging, blieben einige Leute stehen nur um das dreckige Mädchen zu sehen, dass bereits vor Schmerzen in den Süßen humpelte. Natürlich heilten meine Wunden seit meiner Vampirzeit schneller, doch sie waren Schmerzvoller und niemand sagte, dass ich mir nicht wieder die Beine aufschneiden konnte. Ein Ast hatte sogar schon meinen Fuß durchbohrt, doch diesen hatte ich schreiend wieder heraus gezogen. 
Ich hatte vieles Erlebt.
Zu vieles.
Für ein Mädchen, dass gerade erst achtzehn geworden war, war das einfach viel zu viel. Es war, als würde man einen mit irgendwas Bombardieren und erwarten, dass etwas sofort zurückkommen würde. So war ich aber nicht. Ich war für so eine Welt nicht geschaffen, auch wenn ich psychisch einigermaßen Belastbar war. Normale Menschen hätten vielleicht schon Selbstmord begannen. Ich wusste es nicht. 
Mein Haus sah so unversehrt und dreckig aus wie auch sonst immer. Der Wagen stand vor unserer Garage, was bedeutete, dass meine Mutter sich an einem Samstag freigenommen hatte. Ich stieg die drei Treppen zu unserer Haustür hinauf und begann an die Tür zu klopfen. 
>>Mama?<<

Ich schluchzte leise und versuchte nicht zu weinen. 
Vielleicht hatte sie mich wirklich vergessen, wie diese Frau bereits gesagt hatte. 
Ich wollte nicht auch noch meine Mutter verlieren. Die Frau, die ich wirklich über alles auf der Welt liebte. Sie hatte manchmal ihre Macken, aber in den Augen des Kindes war die Mutter immer Gott. Auch bei mir war das nicht anders gewesen. 
Die Tür öffnete sich mit einem quietschen und die braunhaarige Dame blickte in meine roten Augen. Sie stockte und sah überrascht zu mir herüber. 
>>A..aber....MARIE?! Was ist passiert? Wie siehst du aus? Wo warst du? Gottchen, komm rein!<<, völlig perplex zog sie mich in das Haus hinein und sah mich an, als hätte sie einen Geist gesehen. 

Sie hatte mich nicht vergessen. 

Ich lächelte leise weinend. Ich lächelte, weil es doch noch ein Licht in dem dunklen Tunnel gab. Vollkommen erleichtert und die schmerzen vergessend fiel ich ihr um den Hals.
>>Danke, Mama.<<

Guilty - Two SidesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt