Kapitel 27 - Pfad der Trauer

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Es vergingen drei Monate, seitdem ich das erste Mal von dem gnadenlosen Vampir verprügelt wurde. Ich hatte das Gefühl die Zeit wäre endlos und die Wesen, die mir einst nahe standen hätten sich alle von mir abgewandt. Das abwenden war wohl nicht nur ein Gefühl gewesen, wohl gestanden war es die Wahrheit, das ich keinen mehr hatte der Interesse an mir zeigte. Wahrscheinlich hatte nie jemand Interesse. 
Trevors Theorie hatte sich in den Monaten tatsächlich bestätigt. Von Jack hatte man nicht die keinste Spur gefunden. Er war wie vom Erdboden verschluckt worden, zumindest ist es das, was ich gehört hatte. Ich war seit drei Monaten nicht mehr im Lager gewesen. Trevor hatte mich zu seiner altmodischen Villa nach Mexiko gebracht. Wir lagen relativ nahe am Meer, ich beobachtete sogar immer wieder Surfer die nur liebend gern ihre Zeit hier verbrachten. Das war praktisch gesehen das einzige gewesen, was ich in der gesamten Zeit tat, in der die Hinauszögerung des Erwachens geschah. Meine Zeit lief dennoch ab und nach den Worten des Vampirs, verblieben mir nur noch in etwa zwei Tage. 
Ich verstand nicht, wieso der Typ mir seine Hilfe bot, doch er hatte für mich eine Art Winterschlaf vorbereitet. Morgen sollte ich in einen tiefen Schlaf gelegt werden, der mich angeblich erst zum erwachen brachte, bis die Hexe aus meinem Körper verschwunden war. Woher der plötzliche Sinneswandel kam, konnte ich nicht sagen.
Ich vertraue ihm nach den Monaten immer noch nicht...allerdings wollte ich selbst das Erwachen verhindern, koste es was es wolle.

Woran ich glaubte?
Ob Jack mich noch retten würde?

Ich hatte schon nach zwei Monaten aufgegeben daran zu glauben, das er noch auftauchen würde. Ich wusste, das er nicht mehr kam und egal wer genau meine Tochter war, sie wohl mächtiger sein musste als Jack. 
Ohne Jack fühle ich mich wie eine leblose Puppe, die lediglich hier war um das Schicksal der Welt zu bestimmen. Ein Schicksal, das entweder gut oder schlecht enden konnte. 
Für mich war es sowieso schon immer zum schlechten bestimmt gewesen. 
In letzter Zeit..ich muss zugeben...ich kämpfte oft mit den Tränen. Ich sagte mir, hey...eigentlich müsstest du sowieso schon Tod sein also mach dir nichts draus. Glück wirst du sowieso nicht finden. Nein, Glück werde ich nie mehr finden. 

Manchmal...
Manchmal wünschte ich, ich wäre einfach gestorben. Eben wie ein normaler Mensch ohne irgendwelche dämlichen Probleme und Schicksalsschläge und vor allem ohne den Tod meiner Mutter. Verdammt, ich hatte sie so unglaublich sehr geliebt. 
Wie konnte mir das hier alles geschehen?
Wie sah nun mein Leben aus..?

Ich verbrachte tagein tagaus in diesem Raum, den Trevor als den meinen vorgestellt hatte. Der Raum war relativ altmodisch eingerichtet, mit irgendwelchen Tierköpfen an den Wänden, ausgestopften Eulen auf hölzernen Schränken und dazu passen sogar ein Bärenteppich, der direkt unter meinem hölzernen Himmelsbett ausgebreitet worden war. Der Boden war aus etwas hellerem Holz, während die Wände bereits aus etwas verdrecktem, grauen Zement bestanden. 
Es war sehr kalt im Zimmer, was wahrscheinlich daran lag, das es keine Heizungen gab. In Mexiko war es eigentlich relativ warm, doch in dieser Villa schien es fast wie in einer Höhle zu sein. Der Raum hatte ein eigenes Badezimmer und einen Balkon, der mich drei Stockwerke hinab schauen ließ, jedoch war der Ausblick über das Meer eine angenehme Krönung gewesen. Ich genoss es wenigstens dort zu sitzen, insofern Trevor nicht zum "spielen" herkam. 
Ich erschauderte bei diesem Gedanken. 
Durch seine brutale Art hatte ich nicht nur mehrere Entzündungen davontragen müssen, nein mir schien es so als würden meine Schmerzen in den Oberschenkeln gar nicht mehr nachlassen. Er kam jeden Abend rein wie einer dieser Typen, die Stammkunden bei einem Bordell gewesen waren. 

Bin ich wirklich so weit gesunken?

Ja, bin ich. 

In einem Tag würde ich in einen Schlaf fallen, der VIELLEICHT das Erwachen verhinderte und VIELLEICHT dafür sorgte, das ich irgendwann geheilt wieder aufwachen könnte. Die Chance war nicht gering und nicht hoch, weshalb ich mir selbst kein bisschen sicher sein konnte. 
Ich hatte es aufgegeben. 
Meine letzten Momente verbrachte ich auf dem Balkon, während ich hinüber zu dem Meer blickte und den Wind auf meiner weichen Haut spürte. Ich starb wenigstens nicht unattraktiv. 
War ich Schneewittchen?
Würde ich Schlafen bis mein Prinz mich weckte?
Der Tagtraum brachte mich zurück zu Jack, ließ mich seine Wärme spüren, wie er langsam mit seinen Händen über meinen Nacken fuhr und mit seinen Lippen vorsichtig jenen entlang küsste. Ich schloss die Augen und ließ die angenehme Berührung über mich ergehen. Der Gedanke tat gut, war schon fast real.
Ich spürte seine Hände, die mich langsam umschlossen und sein Kinn, welches auf meinem Kopf platziert war. Es war, als würde er mit mir auf das Meer blicken und meine Finger mit den seinen Verschränken wollen. 
Ehe ich mich jedoch wieder fing, war der Moment erloschen. 

Ich fand mich allein wieder, dem Rauschen der Wellen folgend stand ich vor dem Geländer und ließ meinen leeren, dennoch mit trauer erfüllten Blick über das Meer schweifen. 
Ich war allein. 
Würde sie erwachen wenn ich diesen Körper zerstören würde?
Hinab zur tiefe blickend, schloss ich die Augen und stieg mit dem ersten Bein voraus, um jenes hinüber, um mich darauf setzen zu können. 
Ich atmete tief ein.
Wieso hatte ich nicht eher daran gedacht? 
War die Hexe mächtig genug um meinen Körper wieder herzustellen? 
Würde ein Sturz vom dritten Stockwerk meinen Körper zerstören?
Würde ich dann endlich wieder Jack sehen?
Tränen stiegen mir in die Augen.

Es war dumm von mir, doch ich wollte nicht mehr geschlagen werden, nicht mehr missbraucht und ausgenutzt werden. Ich wollte wieder normal sein und wenn dies nicht ging, wollte ich mir das zurückgeben, was ich sowieso hätte bekommen sollen. 
Ich hätte sowieso sterben sollen.

>>Mom...es tut mir leid. Jack...es tut mir leid...ihr habt alle so gelitten<<, murmelte ich tränen umhüllt. 
Ich hatte nur jetzt die Chance. Nur jetzt war Trevor nicht in der Villa. Nur jetzt könnte ich in Ruhe sterben. Nach drei Monaten war das die einzige Chance. 

Ich zog mein zweites Bein hinüber. Meine Tränen befeuchtete bereits meinen Hals und nach kurzer Zeit auch meinen schwarzen Pullover. 
Ich konnte nicht mehr.
Ich wollte weg.
Ohne Jack..ohne Mom...ohne meine Freunde...
war ich ganz allein...

Ich sprang.

Leb wohl, Welt..


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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 11, 2016 ⏰

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