T26~Endlich wieder Schule

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Ich wache viel zu früh auf. Lorent - ist mein erster Gedanke.
[A/N Und zugleich mein letzter, denn ich werde von einer dunklen Gestalt, welche ich nur aus dem Augenwinkeln sehen kann, mit einem harten Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Ich sinke zurück in meine Kissen und verliere das Bewusstsein...
Entschuldigt bitte, aber das musste sein]
Ich springe aus dem Bett und mache mich flugs fertig. Fas heißt, ich will mich schnell fertig machen, dich als ich ins Bad komme, erwartet mich eine Überraschung: Blut. Na toll. Warum bekomme ich ausgerechnet heute meine Tage. Ich wasche die Unterhose aus, hole mir eine frische, in die ich eine Binde klebe. Trotz der Tatsache, gerade das erste Mal meine Tage zu haben, kommt es, dass ich viel zu früh fertig bin. Ich gehe aus dem Haus und warte volle zehn Minuten auf die Bahn.
Es ist richtig kalt.
Vor einer Woche wurde ich mit Lorent entführt. Seit einer Woche sind wir zusammen.
Ich friere.
Er hat mich schon so oft geküsst, dass ich aufgehört habe, zu zählen.
Meine Zähne klappern.
Endlich! Haltestelle Kunsthalle. Ich steige aus und laufe, nein renne wohl eher zur Schule. Ich treffe Lorent beim Vertretungsplan, er küsst mich auf die Stirn. Das Klassenbuch hält er schon in der Hand. Er greift nach meiner Hand und hält sie fest. Ich wiederum nehme ihm das Klassenbuch ab. Eigentlich ist es Reynas Aufgabe, aber sie war die letzte Woche nicht da und selbst wenn sie da ist, denkt sie oftmals nicht daran. Ich kenne sie jetzt seit meiner Kindergartenzeit und bin seit meiner Grundschulzeit mit ihr befreundet. Und sie war schon immer sehr vergesslich. Na gut, nicht sehr vergesslich, aber ein bisschen. Das hatte sie bestimmt vergessen, als sie sich freiwillig für den Klassenbuchdienst gemeldet hat. Ich muss schmunzeln ob dieses von mir gedachten "Witzes" über Reynas Vergesslichkeit. "Woran denkst du?", fragt mich Lorent, doch ich winke ab. "Nichts Wichtiges."

Als wir um die Ecke biegen, sehe ich Reyna und Sarah. Sie stehen vor dem Container und reden. Ich entziehe Lorent meine Hand. Er schaut mich kurz traurig an. "Reyna weiß es noch nicht." Ein fragender Blick seinerseits. "Dass wir zusammen sind. Ich will es ihr erst erzählen." Er zuckt mit den Schultern und verschwindet im Container.

"Hallo Reyna. Na, hast du an das Klassenbuch gedacht?" - "Oh shit!" Sie schüttelt den Kopf. "Hier. Ich habe es." - "Ach. Danke, dass du es geholt hast." - "Ich habe es nicht geholt.", erwidere ich. "Häh?" Reyna blickt mich verwirrt an. "Aber... du hast doch... häh? Fin!"
(Kurze Erklärung:
'Fin' ist ein Insider. Es war irgendwann in der achten oder neunten Klasse. Es war die Zeit, in der wir 'den Radiergummi der Wahrheit' bei allen wichtigen und unwichtigen Fragen befragten. Reyna schrieb oben auf den Radiergummi 'Ja' und unten 'Nein' und dann auf die eine Seite 'ka' als Abkürzung für 'keine Ahnung' und auf die andere Seite eine Abkürzung für 'verstehe ich nicht', die sie dummerweise mit 'f' geschrieben hat. Das nur als kleine Erklärung nebenbei)
"Hast du ihr nichts erzählt?", frage ich Sarah. "Nein. Ich dachte, du solltest es selbst erzählen dürfen. Deshalb bin ich auch mit Reyna rausgegangen, obwohl es arschkalt ist, aber ich wollte nicht, dass sie irgendwas aufschnappt, wenn in der Klasse darüber geredet wird." Ich umarme Sarah kurz. Reyna hat stumm angehört, was Sarah gesagt hat. Ihr Blick wird immer verständnisloser. "Was ist los?" - "Lorent hat es geholt." - "Lorent? Warum sollte er so etwas tun?" - "Wir sind ein Paar.", sage ich, weil ich es nicht mehr aushalte. Und dann bricht alles nur so aus mir heraus. "Letzte Woche kam ein Amokläufer an unsere Schule, er hat Lorent und mich entführt, wir saßen in so einer Holzhütte fest, es war arschkalt dort, denn es lag Schnee. Wir haben uns geküsst..." Reyna unterbricht mich. "Du verarschst mich doch gerade. Ich glaube dir nicht. Ein Amokläufer. An unserer Schule." Ich schnappe ihren Arm und ziehe sie hinter mir her ins Klassenzimmer. Ich gehe zu Lorent, setze mich auf den leeren Stuhl neben ihn, nehme aus dem Augenwinkel wahr, dass Reyna mich abwartend anschaut, auch Lorent schaut mich an, eine stumme Frage liegt in seinem Blick. Ich beuge mich vor und küsse ihn. Es ist ein kurzer Kuss. Zu kurz, um leidenschaftlich zu sein, aber lang genug, dass er ihn erwidern kann. Als ich mich von ihm löse, schaue ich in ein - wie zu erwarten - mehr als erstauntes Gesicht. Reyna guckt mich entgeistert an. Auch die Blicke einiger Klassenkameraden liegen auf mir und Lorent. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und gehe wieder raus. Sarah steht immer noch draußen, unser Lateinlehrer kommt zu spät. Ein ganz normaler Montagmorgen. Wäre da nicht diese Person, die mir jetzt noch mehr den Kopf verdreht als früher. Ich fühle mich, als könnte ich alles erreichen.

Nach der Schule kommt Lorent zu mir. "Hast du heute schon etwas vor oder können wir zu mir, beziehungsweise zu dir gehen?" Er schaut mich hoffnungsvoll an. "Tut mir leid. Ich muss lernen. Für Mathe." - "Du kannst bei mir lernen, wenn du magst." Ich schüttele den Kopf. "Ich glaube nicht, dass ich mich dann konzentrieren kann." - "Was willst du überhaupt für Mathe lernen? Dafür kann man nicht lernen." Es war ja klar, dass wir irgendwann über die Schule und unsere Leistungen in eben dieser sprechen würden, aber dass es so bald sein würde, habe ich nicht erwartet. "Es kann eben nicht jeder so ein Genie sein wie du!", sage ich aufgebracht. Ich fühle mich durch seine Worte angegriffen. Für ihn ist es vielleicht selbstverständlich, dass er kaum lernen muss. Er bekommt jedes Jahr einen Buchpreis und das bedeutet, dass er keine einzige drei im Zeugnis hat. Ich dagegen habe auch manchmal eine vier. "Ich bin kein Genie.", hält er dagegen. "Christian ist eines, Daniel ist eines und vielleicht Clara. Aber ich bin kein Genie." Er macht eine kurze Pause. "Also: Willst du jetzt mit zu mir?" - "Ich rufe meine Mutter an und frag sie." Ich hole mein Handy aus der Tasche und wähle die Nummer meiner Mutter. Es dauert eine Weile bis sie abnimmt. "Was?" - "Kann ich heute zu Lorent?",frage ich kleinlaut. "Was ist mit Mathe? Du wolltest doch lernen." - "Lorent hilft mir." Damit habe ich mein stärkstes Argument ausgespielt und selbst das ist unglaublich leicht zu widerlegen, denn es muss meiner Mutter doch klar sein, dass ich bei Lorent keinesfalls lernen werden. Nach einem kurzen Moment des Schweigens stimmt meine Mutter dem Vorschlag zu und erlaubt mir zu Lorent zu gehen.

Mein Leben - schlimmer als ein AlptraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt