T18~Geburtstag

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"Aufstehen! Du musst in die Schule!", brüllt meine Mutter. Shit! Ich habe verschlafen! Gut, dass ich das Zeug für heute Abend schon gepackt habe. Ich lasse das Frühstück ausfallen und putze mir gerade noch schnell die Zähne, packe mir meine Vesper ein und haste aus dem Haus. Nur dank Ben, der mir die Bahntür aufhält, schaffe ich es noch pünktlich zu kommen. Die ganze Zeit muss ich an den seltsamen Traum denken. Warum habe ich nur immer solche Fantasien? Lorent kommt mir entgegnen und er hat schon das Klassenbuch in der Hand. Ich umarme ihn, atme dabei so viel als möglich von seinem Geruch ein und dann nehme ich seine Hand. Wir verschränken unsere Finger miteinander. So gehen wir ins Klassenzimmer. Selbstverständlich liegen sofort die Blicke aller auf uns. Aber es ist mir egal. Heute zumindest. "Wir sollten vielleicht nicht mehr nebeneinander sitzen. Ich kann mich dann nicht konzentrieren." Er schaut mich traurig an, nickt aber. Also setzen wir uns wieder getrennt. Darüber wird natürlich gleich getuschelt. Ich liebe meine Klassenkameraden, habe ich das schon mal erwähnt?
Als wir dann in einer Schulstunde in Gruppen aufgeteilt werden und ich eigentlich in Lorents Gruppe soll und diese Gruppenarbeit zwei Wochen dauern soll, tausche ich mit Sarah. Sie fragt mich nicht, warum, aber ich weiß, dass sie mich irgendwann vielleicht darauf ansprechen wird... In ihrer Gruppe sind zwei Leute, mit denen ich gut auskomme und ich bin Sarah unglaublich dankbar, dass sie an meiner statt in Lorents Gruppe geht. Als wir alle aufstehen, um uns zu unseren Gruppen zu bewegen, kommt Lorent zu mir. "Wir sind in einer Gruppe, nicht?" - "Nein. Sarah ist bei dir." - "Aber..." - "Ich habe mit ihr getauscht.", unterbreche ich ihn. Er schiebt das Kinn vor, ein harter Zug tritt in sein Gesicht. Er ist eindeutig verletzt. "Aber..." - "Es ist besser so. Ich hab doch gesagt, dass ich mich nicht konzentrieren kann." - "Weißt du was? Ich glaube du ignorierst mich absichtlich. Willst du überhaupt noch bei mir übernachten?" Er wartet die Antwort nicht ab, sondern dreht sich um und geht. In dem Moment fällt es mir wieder ein: Er hat Geburtstag. Shit! Ich habe heute nicht nur verschlafen, ich bin auch noch ohne Hirn in die Schule gekommen! Ich entschuldige mich bei meinen Gruppenmitgliedern und gehe dann zu Lorent. Ich stelle mich hinter ihn und flüstere in sein Ohr: "Ich gehe jetzt raus. Kommst du nach?" Keine Reaktion. "Bitte?" Er antwortet nicht. Naja, egal. Ich gehe zur Lehrerin und frage sie, ob ich aufs Klo darf. Dann verlasse ich das Klassenzimmer. Eine halbe Minute später kommt Lorent raus. Ich bin ein wenig vom Klassenraum weggelaufen, da nicht jeder mitkriegen muss, was wir sprechen. Zögernd kommt er zu mir. "Was ist?", fragt er unwirsch. Ich lege ihm die Arme um den Hals. Mein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. "Ich liebe dich. Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Das wollte ich nicht. Nicht heute und auch an keinem anderen Tag - aber vor allem nicht heute. Alles Gute Lorent." Er schließt mich langsam in seine Arme. "Ich dachte, du wüsstest es nicht." - "Was?" - "Wann ich Geburtstag habe." - "Doch. Und ich habe auch die ganze Woche daran gedacht. Außer heute Morgen. Da habe ich es vergessen, weil ich verschlafen habe. Und verschlafen habe ich nur, weil ich von dir geträumt habe. Und ich wollte über den Traum nachdenken, aber dazu brauche ich meine Ruhe und wenn du in meiner Nähe bist, ist an Ruhe nicht zu denken, weil ich dann nämlich total hibbelig werde, weil ich dich so sehr liebe." Ich hole tief Luft, um weiter zu reden, aber Lorent sagt, dass das die schönste Liebeserklärung gewesen sei, die er je gehört hat und dann küsst er mich und schon vergesse ich alles um mich herum. Alles, was ich wahrnehmen, sind seine Arme um mich geschlungen, sein Körper an meinem und seine wundervollen Lippen.

POV Lorent:

Emma zu küssen, fühlt sich so... richtig an. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen. Also doch, kann ich, aber nichts Besseres, das in nächster Zukunft passieren wird. Ich setze mich mit Emma an eine Wand gelehnt hin. Sie sitzt neben mir und ich halte sie im Arm. So sitzen wir, bis die Stunde endet. Als die Lehrerin aus dem Zimmer kommt und uns erblickt, eilt sie zu uns. "Warum seid ihr nicht zurück gekommen?", sagt sie mit lauter Stimme. Ich habe keine Ahnung, was ich darauf antworten soll. "Bitte. Schreien Sie doch nicht so.", flüstert Emma. "Gott, Kind. Was ist denn los?" Das Mitleid in ihr ist erwacht. "Es ist wegen der Entführung. Der Typ, er war auch immer so laut. Ich musste heute dauernd daran denken, welch schreckliche Angst ich gehabt habe, mir war so schlecht, darum habe ich ja gefragt, ob ich aufs Klo gehen darf und dann bin ich hier zusammengebrochen und Lorent hat mich gefunden und getröstet..." Die Lehrerin nickt verständnisvoll. "Lorent kann mir am besten helfen. Er war ja dabei." Emma fängt an zu schluchzen. Ich streiche ihr über den Rücken. Die Lehrerin steht ein wenig unschlüssig da. "Gehen Sie. Emma beruhigt sich gleich wieder."

POV Emma:

Die Lehrerin stöckelt den Gang entlang. "Wie hast du das nur gemacht?", fragt Lorent erstaunt. "Improvisation. Ich wollte keine Standpauke, geschweige denn  Nachsitzen oder eine Strafarbeit." - "Das war toll.", meint er. Ich zucke nur mit den Schultern. Er steht auf und zieht mich an einer Hand hoch. "Komm, gehen wir wieder rein." Als wir das Klassenzimmer betreten, werden bedeutungsvolle Blicke hin und hergeworfen und getuschelt. "Das kann uns egal sein.", flüstert er mir ins Ohr. Wir gehen an unsere Plätze und kurz darauf betritt der nächste Lehrer den Raum.

Der restliche Schultag vergeht schrecklich langsam. Ihr kennt das sicher. Man wartet auf etwas und die Zeit will einfach nicht vergehen. Umgekehrt geht es natürlich auch, da bräuchte man dringend noch ein bisschen Zeit und schwupp, weg ist sie. Aber alles hat einmal ein Ende und so ist es auch mit diesem Schultag. Kaum hat es geklingelt, stürmen auch schon alle aus den Raum. Lorent kommt zu mir und nimmt meine Hand. Gemeinsam laufen wir zur Bahnhaltestelle. In der Bahn angekommen gibt es sogar zwei Sitzplätze. Wir setzen uns also hin. "Lorent? Es gibt da etwas, dass mich beschäftigt. Grün ist doch deine Lieblingsfarbe, richtig?" Er schaut mich verdutzt an. "Ja, das stimmt. Aber woher weißt du das?" - "Felix hat es mal erzählt als er eine einminütige Präsentation halten musste, über ein Thema seiner Wahl. Er hat dich präsentiert." Er nickt. "Jedenfalls wollte ich wissen, warum dein Zimmer Blau ist, wenn Grün doch deine Lieblingsfarbe ist." - "Früher mochte ich Blau mehr." - "Aha." Den Rest des Weges fragen wir uns alles Mögliche. Ich erzähle Lorent unter anderem von meiner krankhaften Angst vor Spinnen. Er versichert mir, dass er jede Spinne für mich entfernen wird. Süß. Bei Jaice und Roberto angekommen, gibt es Spaghetti. Lorents Eltern und seine Schwester haben schon gegessen. Also sitzen wir nur zu zweit in der Küche. Ich schlinge meine Portion runter (ich liebe Spaghetti einfach) und als ich den Teller leer habe, bin ich pappsatt, weil ich so geschlungen habe. Lorent räumt den Tisch ab und dann verziehen wir uns nach oben.

Mein Leben - schlimmer als ein AlptraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt