Valentina

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Schnell betrat ich den Klassenraum und setzte mich neben Lucie, ohne auf den Lehrer vorne am Pult zu achten. „Wo warst du? Ich hab dich nur kurz aus den Augen gelassen und plötzlich warst du in der Menge untergetaucht. Weil ich nicht wusste, wo ich dich verloren hatte, hatte ich dich dann auch nicht gesucht und bin dann einfach schon mal zum Raum gegangen", fing Lucie an zu reden, bevor ich meine Sachen für Geschichte auch nur auspacken konnte. „Ich hatte eine komische Begegnung mit jemandem, nicht der Rede wert. Sorry, nächstes mal achte ich darauf, dass du mich nicht verlierst, ich vergesse immer, dass ich leicht verloren gehe. Eben ein Vorteil, wenn man klein ist, man kann sich immer gut verstecken", scherzte ich und Lucie musste leise lachen. Als der Lehrer anfing zu reden schreckte ich hoch. Seine Stimme fühlte sich nach einem heißen Sommertag an, wenn die Bienen träge summend in der Luft flogen und nur eine kühle Brise die Luft ein wenig abkühlte. Sie verursachte mir leichte Schauer auf dem Rücken und als ich sah, wem sie gehörte blieb mir der Atem weg. „Der Junge vom Flur", dachte ich, doch als Lucie mich leise fragte, was ich gesagt habe, wurde mir klar, dass ich laut gedacht hatte. „Ach, nichts", murmelte ich. Ich konnte mich weder darauf konzentrieren was er, Ayden, sagte, noch, was die anderen um mich herum machten. Seine sanfte Stimme strich über meine Haut wie eine Feder und jedes mal, wenn er meinen Blick erwiderte, was häufig vorkam, hatte ich das Gefühl, dass mein Herz einen Schlag aussetzte, nur um dann ein wenig schneller zu schlagen.
Dennoch ließ mich das Gefühl, ihn zu kennen mich nicht los. Es ist, als würde ich kurz bevor es tat wissen, wie er auf eine Frage reagiert, wie er sich bewegt und wann ihn etwas verlegen macht, als würde ich seine Bewegungen seit ewiger Zeit kennen.
Lucie hatte schon nach ein paar Minuten aufgehört zu versuchen meine Aufmerksamkeit zu erlangen und kritzelt gelangweilt vor sich hin, doch das interessierte mich nicht. Als es zur Pause läutete und Ayden seine Sachen eilig zusammenpackte und den Raum verließ, wurde mir erst klar, dass es wohl ziemlich unangenehm gewesen sein musste die ganze Zeit angestarrt zu werden.
Hitze stieg mir ins Gesicht und ich versuchte die Verlegenheit zu unterdrücken. Ich ging mit Lucie aus dem Raum und sie fing an mich mit Fragen zu löchern, was denn mit mir los sei und wieso ich Ayden die ganze Zeit angestarrt habe. Ich konnte ihr auf keine dieser Fragen eine Antwort geben, woraufhin sie unzufrieden schnaubte. Also erzählte ich ihr von meiner ersten Begegnung mit Ayden und was daraufhin geschah. „Also Val ich hab dich echt tierisch lieb, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Sache mit von den Toten auferstehen so gut für deine Psyche war", sagte Lucie sichtlich besorgt, auch wenn es wie ein Scherz klingen sollte. „Ich weiß, ich zweifle mittlerweile selber an meiner geistigen Gesundheit", antwortete ich und stieß fast gegen einen breiten Rücken. Ich streckte mich, um ihn an der Schulter zu tippen, und um ihn zu bitten, ein Stück zur Seite zu gehen, weil er die Tür versperrte.

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