Ayden

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Als Ayden aus dem Schulgebäude trat umfing ihn kalte Winterluft. Obwohl die Sonne schien, wärmte sie nicht, sondern ließ die Umgebung mit den vom Raureif weißen Bäume nur noch kälter aussehen. In seine verschränkten Hände pustend, um diese ein wenig warm zu halten, ging er zu seinem Auto und setzte sich hinein. Es war noch früh am Morgen, aber bald würden die Zeitungen mit der Nachricht über den Tod des Geschichtslehrers ausgeteilt werden. Er soll ein guter Lehrer gewesen sein. Beliebt bei seinen Schülern und immer ein Ohr offen für deren Probleme. Zumindest hatte Mr. Smith das so gesagt. Aus Erfahrung wusste Ayden, dass man Tote immer als bessere Menschen in Erinnerung behielt, als sie eigentlich waren.
Dieser Schulkorridor hatte ihn dazu gebracht sich wieder zu erinnern. Daran, als er das erste mal die Stimme in seinem Kopf gehört hatte. Wie er sich jedes mal gesagt hatte, dass er nicht verrückt sei, bis es seine Bedeutung verlor. Der Blick, mit dem seine Eltern ihn musterten,als ihn in eine Klinik brachten, mit Fluren, die genau so aussahen, wie dieser Schulflur. „Sie verstießen mich, weil ich nicht 'gesund' war, nicht wie die anderen Kinder. Sie fanden sich so leicht damit ab, dass ich verrückt bin...trotzdem waren es meine Eltern. Sie wollten das beste für mich." Verbittert ließ Ayden sich in den Autositz sinken. Der Tag, an dem seine Psychologin zu ihm in die Zelle kam, sich zu ihm setzte und sagte, dass seine Eltern an einem Autounfall gestorben seien. Er wollte es nicht wahrhaben. Hatte um sich geschlagen, geschrien. Dennoch hatte es nichts geändert. Da war er 16.
Die Erinnerungen schmerzten. Jede von ihnen. Die glücklichen, bevor sein Leben „schwierig" wurde und die unglücklichen, wie die Nachricht über den Tod seiner Eltern. Ayden schlug kräftig gegen das Lenkrad seines Wagens und ein knacken ertönte gefolgt von einem scharfen Schmerz.
Er hatte sich das Handgelenk gestaucht, wenn nicht sogar gebrochen, doch das war nichts, was nicht schnell heilte. Jeder Schaden am Körper heilte schnell, doch der Schaden, der seiner Seele angerichtet wurde würde nie heilen.
Den Kiefer angespannt und die Zähne fest aufeinander gepresst, ließ er den Motor an und fuhr vom Parkplatz der Schule. Der Schmerz in Aydens Handgelenk ließ schon nach, als er wieder zurück zu seiner Wohnung für, aber das leichte, kaum bemerkbare Zittern seiner Hände blieb.
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UnhurtableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt