Fast augenblicklich, nachdem Aydens Wärme nicht mehr auf mich einwirkte, wurde mir kalt und Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. „Was war das denn bitte?! Hatte ich ernsthaft vor gehabt ihn zu küssen?", kam es mir in den Sinn. Ich konnte es kaum glauben. War ich echt so verzweifelt, um mich jedem sofort an den Hals zu werfen?
Es war aber mehr als nur das. Mehr als nur pure Verzweiflung. Du spürst ihn immer noch.
Die Stimme, die mir das aus meinem Inneren zuflüsterte erschreckte mich und dennoch hatte sie Recht. Ich konnte seine Hände noch auf mir spüren, obwohl sie schon lange weg waren. Das Gefühl, welches sie in mir auslösten war noch immer da. AYDEN war noch immer da. Ich hatte das Gefühl ihn tief in mir zu spüren, als hätte ich einen zweiten Herzschlag, der in einem vollkommen anderen Rhythmus zu meinem Herzen schlug, aber trotzdem dazu passte. Als würden sie im Duett schlagen. Langsam arbeitete sich mein Verstand wieder an die Oberfläche, der sich während der letzten, ...ja, was denn? Sekunden, Minuten, Stunden?, verkrochen hatte. Mir fiel wieder ein, dass Ayden mich weggestoßen hatte, weil jemand hereinkam und blickte zur Tür, wo Luke stand und mich besorgt anschaute. „Luke." Ich wusste nicht, wie meine Stimme klang, doch das kratzen in meinem Hals verriet mir, dass sie wohl ziemlich rau sein musste. Wut stürmte auf mich ein und obwohl ich nicht wusste, wieso ich sie empfand blickte ich automatisch zu Ayden, der Luke wutentbrannt mit geballten Fäusten anstarrte. Nach einiger Zeit erwiderte er meinen Blick und ich schüttelte kaum merklich den Kopf. Er sah mich verwirrt an, dennoch entspannte sich sein Körper ein wenig und ich konnte spüren, wie die Wut in mir ein wenig abflaute. Erleichtert atmete ich auf und schaute ihm tief in die Augen. „Bitte, Ayden, geh einfach. Beruhige dich und geh einfach. Geh einfach, Ayden, bitte", dachte ich und versuchte irgendwie zu erreichen, dass er in meinen Augen sehen konnte, was ich wollte. Plötzlich zuckte er zusammen und ich konnte eine Verwirrung spüren, die nicht meine war. Meine Augen weiteten sich. „Oh Gott, konnte das möglich sein?", dachte ich, als Ayden resigniert seufzte und den Schuppen verließ. Was er sagte, während er raus ging, bekam ich nicht mit. Ich konzentrierte mich zu sehr auf die langsam verschwindende Wut in mir. Je weiter Ayden sich vom Schuppen entfernte, desto schwächer wurde die Wut, bis sie schließlich ganz verschwand und der zweite Herzschlag in meinem Inneren nicht mehr als ein zartes Pochen war. Am liebsten wäre ich Ayden hinterhergerannt und hätte mich in seine Arme geworfen, denn das plötzlich aufkeimende Gefühl der Leere und der Kälte war fast nicht zu ertragen. „Valentinaaaa. Huhu. Hörst du mich? Hey. Dornröschen, wachst du auch mal auf?" Ungeduldig schnipste Luke mir mit der Hand vorm Gesicht rum, bis ich wieder voll bei mir war. Er schien das schon einige Zeit zu machen, da er ziemlich genervt aussah, doch es blitzte noch etwas anderes in seinen Augen auf, das ich nicht erkennen konnte, da es zu schnell wieder weg war. „Herr Oberwichtig meinte, ich soll dich in den Krankenflügel begleiten. Kommst du? Nicht, dass du dich mit der Grippe angesteckt hast, die geht ja gerade rum." Luke klang genervt, als er das sagte, als würde er keine Befehle von Ayden annehmen wollen, obwohl er ja streng genommen sein Lehrer war. „Ohhh Gott, ich hätte fast mit meinem Lehrer rumgemacht", stöhnte ich in Gedanken und schlug mir mental gegen die Stirn. Lahm nickte ich, um zu zeigen, dass ich Luke gehört und verstanden hatte und folgte ihm dann in Richtung Krankenstation, wo ich mich mit einem nassen Lappen auf der Stirn auf die Pritsche legte und darauf wartete, dass meine Mom mich abholte.
Luke war schon seit einiger Zeit verschwunden, weil er wieder zum Unterricht musste, was mir ganz Recht war. Irgendwie war Lukes Nähe mir unangenehm, obwohl er eigentlich ganz nett war und wir bestimmt gute Freunde werden könnten, aber ich hatte das Gefühl, als würde er irgendetwas von mir erwarten, dass ich ihm nicht geben konnte. Außerdem hatte ich genug Zeit, um darüber nachzudenken, was im Schuppen zwischen Ayden und mir passiert war. Noch immer ließ die Erinnerung daran mir Schauer über meinen Rücken jagen und ich hatte das Gefühl, es jedes mal zu spüren, wenn er in der Nähe des Krankenzimmers war, was ziemlich oft der Fall zu sein schien. Als meine Mom mit besorgtem Blick ins Krankenzimmer kam und mich fest drückte, sodass ich fast keine Luft mehr bekam, musste ich erstmal versuchen, sie davon zu Überzeugen, dass es mir gut ginge und ich mich mit nichts angesteckt hätte. Natürlich glaubte sie mir nicht, weshalb sie mich gleich für den nächsten Tag krankschreiben ließ.
Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen. Mein Körper, der ausgelaugt vom ganzen Adrenalin war, fühlte sich an, als sei er von einem Güterzug überrollt worden. Ich wollte eigentlich nichts anderes als schlafen und beim Aufwachen festzustellen, dass alles, was in den letzten Tagen passiert war nur ein alberner, verwirrender Traum war. Ich starrte lange an meine Zimmerdecke, bis meine Augenlider endlich schwer wurden und zufielen.
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Unhurtable
FantasyWenn du jemanden siehst, den du liebst, bleibt dein Herz nicht einen Moment lang stehen. Du spürst es nur kurz nicht mehr, weil alles nebensächlich wird, außer diese eine Person. Das lernte ich, als mein Herz das erste mal nicht mehr schlug. ...